Frontex-Beamte bei einem Einsatz bei Lesbos
AP/Santi Palacios
Illegale Pushbacks

EU-Gericht weist Klage gegen Frontex ab

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex haftet nicht für Schäden bei illegalen Pushbacks. Zu diesem Urteil kam das Europäische Gericht am Mittwoch. Die Klage einer syrischen Flüchtlingsfamilie gegen Frontex wurde damit abgewiesen. Die Grenzschutzagentur habe nur den Auftrag, die EU-Staaten bei Rückkehraktionen technisch und operativ zu unterstützen. Die Anwältin der Familie ortete ein „rechtsstaatliches Defizit in der EU“.

Die möglicherweise erlittenen Schäden ließen sich nicht unmittelbar auf das Verhalten von Frontex zurückführen, argumentierten die Richterinnen und Richter in Luxemburg. Zudem sei Frontex weder für die Prüfung von Rückkehrentscheidungen noch für Asylanträge zuständig. Dezidiert sieht das Gericht die Verantwortung bei den Staaten: „Dagegen sind die Mitgliedsstaaten ausschließlich zuständig, um die Begründetheit von Rückkehrentscheidungen zu würdigen und Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen.“

Mit diesem Urteil positionierte sich laut der Hilfsorganisation Sea-Watch erstmals ein EU-Gericht zu einem „durch Frontex ermöglichten Pushback“. Die Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Außengrenzen sind nach internationalem Recht in fast allen Fällen illegal.

Über 130.000 Euro Schadenersatz gefordert

Die sechsköpfige Familie aus Syrien erreichte 2016 Griechenland und wollte dort Asyl beantragen, wurde aber in einer gemeinsamen Rückkehraktion von Griechenland und Frontex in die Türkei geflogen. Inzwischen lebt die Familie im Irak. Eine Beschwerde beim Grundrechtsbeauftragten von Frontex blieb ohne Konsequenzen. Daher klagten die Flüchtlinge die Grenzschutzagentur vor dem EU-Gericht und warfen ihr vor, rechtswidrig gehandelt zu haben. Der Asylantrag hätte vor der Ausreise aus der EU geprüft werden müssen.

Zudem habe man sie glauben lassen, dass sie auf dem Weg nach Athen und nicht in die Türkei seien. Auch die Behandlung der Kinder habe gegen Menschenrechte verstoßen, argumentierte die Anwältin der Familie, Lisa-Marie Komp. Das Besondere an diesem Fall sei die gute Dokumentation – von Beweisen des Asylantrags bis zu dem gemeinsam von Frontex und Griechenland betriebenen Flug. Die Familie forderte rund 136.000 Euro Schadenersatz.

„Sehr relevantes Urteil“

Frontex nehme alle Berichte über mutmaßliche Grundrechtsverletzungen ernst, hieß es vonseiten der Agentur. Allerdings arbeite man immer unter dem Kommando der nationalen Behörden und habe keine Möglichkeit, gegen diese zu ermitteln. Das Gerichtsurteil folgte nun dieser Ansicht, dass die EU-Agentur bei solchen gemeinsamen Operationen für eventuelle Menschenrechtsverletzungen keine Verantwortung trage.

Die Anwältin sprach bereits vor Bekanntwerden der Gerichtsentscheidung von einem „sehr relevanten Urteil“. Es zeige sich dadurch ein deutliches rechtsstaatliches Defizit in der EU auf, „dass eine mächtige EU-Behörde wie Frontex nicht zur Verantwortung gerufen wird“. Das Urteil kann noch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) angefochten werden.

Frontex wurde in der Vergangenheit häufig mit Vorwürfen konfrontiert, die Rechte von Flüchtlingen nicht ausreichend zu schützen. Erst im vergangenen Jahr räumte der damalige Frontex-Chef Fabrice Leggeri seinen Posten vor dem Hintergrund von Ermittlungen zu illegalen Zurückweisungen Geflüchteter im Mittelmeer.

Untersuchung von Flüchtlingskatastrophe

Zudem läuft seit Ende Juli eine Untersuchung der Flüchtlingskatastrophe vor Griechenland mit vermutlich Hunderten Toten. Das überladene, marode Schiff war auf dem Weg von Libyen Richtung Europa Mitte Juni gekentert. Es solle die Rolle von Frontex geklärt werden, erklärte die europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly.

Frontex-Chef Hans Leijtens hatte Anfang Juli bei einer Anhörung im Europaparlament bekräftigt, dass ein Flugzeug und eine Drohne der Grenzschutzagentur das Schiff vor dem Kentern überflogen hätten. Frontex habe „Hilfe angeboten, aber es gab keine Antwort der griechischen Behörden“, sagte er.

Die griechische Küstenwache gab ihrerseits an, die Bootsbesatzung habe Hilfe abgelehnt und betont, das Boot wolle nach Italien weiterfahren. Es gab allerdings Hinweise, dass die griechische Küstenwache nicht nur schwere Fehler begangen, sondern auch die Aufklärung behindert haben könnte.