Zerstörte Straße nach dem verheerenden Sturm „Daniel“ in der griechischen Stadt Volos
Reuters/Louisa Gouliamaki
„Unmöglich, die Straßen zu räumen“

Weiter Chaos in Hafenstadt Volos

Unwetter samt beispiellosen Regenmengen sorgen in weiten Teilen Griechenlands für chaotische Zustände. Besonders betroffen bleibt die rund 86.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählende Hafenstadt Volos am Pagasitischen Golf in der Region Thessalien. „Es ist unmöglich, die Straßen zu räumen“, sagte Bürgermeister Achilleas Mpeos angesichts der auch am Mittwoch anhaltenden Niederschläge: „Gerade hört es für ein paar Minuten auf zu regnen, und wir gehen mit schwerem Gerät rein“, dann fange es aber sofort wieder an zu regnen.

Laut Mpeos ist es noch nicht gelungen, die seit dem Vortag großflächig ausgefallene Strom- und Wasserversorgung wiederherzustellen: „Die Transformatoren stehen unter Wasser, es ist gefährlich, überhaupt zu versuchen heranzukommen.“ Ohne Strom gebe es dem Bürgermeister zufolge jedoch kein Wasser, auch die Kläranlagen funktionierten nicht.

In Volos wurden schon am Dienstag ganze Straßenzüge überschwemmt. Autos wurden von den Wassermassen ins Meer gespült, zahllose Keller und Geschäfte überschwemmt. Etliche Personen mussten in Sicherheit gebracht werden, darunter auch rund 90 Bewohnerinnen und Bewohner eines Pflegeheims, nachdem ein Teil des Gebäudes durch den Starkregen beschädigt wurde.

Rettungskräfte transportieren einen Kranken mittels Seilszug über eine zerstörte Brücke in Kala Nera bei Volos (Griechenland)
Reuters/Giorgos Moutafis
Zerstörte Straßen erschweren die Einsätze der Rettungskräfte

Zufahrt zu Flughafen gesperrt

In der Bucht vor Volos harrten am Mittwochvormittag rund 400 Menschen auf einer Fähre aus, die wegen der Unwetterschäden nicht anlegen durfte. Die Fähre „Superstar“ mit 400 Passagieren lag bereits seit Dienstagabend wenige Seemeilen vor dem Hafen der Stadt. Medienberichten zufolge hatte die Hafenpolizei von Volos das Anlegen der Fähre untersagt, weil der Hafen unter Wasser stand und auch die Verkehrssituation in der Stadt so schwierig ist.

Ausnahmezustand in Volos

Unwetter samt Starkregen sorgen in Mittelgriechenland weiter für einen Ausnahmezustand. Besonders betroffen ist die rund 86.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählende Hafenstadt Volos am Pagasitischen Golf in der Region Thessalien.

Auch im Flughafen der Sporadeninsel Skiathos war der Betrieb weitgehend eingestellt. Dort mussten laut Flughafensprecher Savvas Karagiannis mehrere hundert Menschen übernachten. Er wisse nicht, wann der Flughafen wieder vollständig den Betrieb aufnehmen werde. „Es sind unglaubliche Wassermengen heruntergekommen, die Zufahrtsstraßen sind gesperrt.“ Die Menschen würden mit Essen und Wasser versorgt.

Kein Strom, kein Netz

Anhaltend chaotische Zustände wurden am Mittwoch auch etlichen anderen Städten und Ortschaften Mittelgriechenlands gemeldet. Im Dorf Paltsi auf dem Berg Pilio im Osten von Volos barg die Feuerwehr die Leiche einer älteren Frau, wie der Sender ERT berichtete. Mehrere Menschen wurden noch vermisst.

Das gesamte Ausmaß ist noch nicht absehbar. In griechischen Medien war am Mittwoch von Schäden „epischen Ausmaßes“ die Rede, in weiten Teilen des Landes hinterließ das „Daniel“ genannte Sturmtief eine „Spur der Verwüstung“. Laut Efthymios Lekkas von der Universität Athen konnten zudem etliche Ortschaften in den von Unwettern betroffenen Regionen wegen Erdrutschen nicht erreicht werden und hatten teils auch keinen Strom, kein Handynetz und keine Internetverbindung.

Überflutung durch Unwetter in Griechenland
Reuters/Eurokinissi/Thanassis Kalliaras
Kleine Bäche verwandelten sich in reißende Flüsse

„Noch nie gesehen“

Das Ausmaß der Regenfälle, die zu Wochenbeginn auf eine lange Dürreperiode folgten, überrascht selbst Experten. Solche sintflutartigen Regenfälle gebe es sonst nicht einmal in den regenreicheren Wintermonaten, so die Nachrichtenagentur dpa, die Meteorologen mit den Worten zitierte: Man habe so etwas „noch nie gesehen“.

Die Regenwassermengen, die am Dienstag über der Region Thessalien in Mittelgriechenland niedergingen, seien nach Angaben der griechischen Wetterbehörde EMY die höchsten seit Beginn der Aufzeichnungen. In der Ortschaft Zagora seien am Dienstag demnach 754 Liter Regen je Quadratmeter von Mitternacht bis 20.45 Uhr gefallen. Der bisherige Höchstwert wurde am 10. Dezember 2009 im ebenfalls in der Region liegenden Ort Makrinitsa gemessen. Damals betrug die Niederschlagsmenge allerdings nur etwas mehr als die Hälfte des neuen Höchstwerts, nämlich 417 Liter pro Quadratmeter.

Überflutung durch Unwetter in Griechenland
Reuters/Louisa Gouliamaki
Überflutete Straßen in Volos

„Was in Magnisia (ein Verwaltungsbezirk der Region Thessalien, Anm.) passiert, ist ein äußerst extremes Phänomen, sowohl was die Menge und Intensität der Niederschläge als auch ihre Dauer angeht“, sagte Chefmeteorologe Kostas Lagouvardos. Lagouvardos vermutet, dass die aktuell relativ hohen Temperaturen des Meeres dazu beigetragen haben könnten. „Es handelt sich um ein statisches System, das ständig mit feuchter Meeresluft versorgt wird, wodurch es ständig an derselben Stelle regnet“.

„Kommende Sommer wahrscheinlich noch schwieriger“

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis besuchte am Dienstag den Zivilschutz, um sich über die Lage zu informieren. So wie für die Waldbrände, die zuletzt über Wochen in Griechenland wüteten, stellte Mitsotakis auch bei den nun tobenden Unwettern einen Zusammenhang mit der Klimakrise außer Frage. „Ich fürchte, dass es die sorglosen Sommer, wie wir sie kannten, nicht mehr geben wird, und die kommenden Sommer werden wahrscheinlich noch schwieriger werden“, so Mitsotakis laut griechischen Medien.

Frühzeitige Warnung

Experten hatten zu Wochenbeginn vor dem aufziehenden Sturmtief gewarnt. Die Warnung wurde etwa mittels Handymitteilungen des Zivilschutzes auch an die Bevölkerung der betroffenen Regionen weitergeleitet. Polizei und Feuerwehr sind weiter im Dauereinsatz, und Bürgerschutzminister Vassilis Kikilias appelliert immer wieder, die Menschen sollten den Anweisungen der Behörden unbedingt Folge leisten.

Die Alarmkette habe grundsätzlich funktioniert, hieß es am Mittwoch in diversen Medienberichten – allerdings war es laut „Ekathimerini“ etwa auf dem Pilion sehr schwierig, alle Menschen vor dem Ausbruch des Unwetters rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Weitere Regenfälle prognostiziert

Während sich die Situation auf den Sporadeninseln Skiathos, Skopelos und Alonnisos zwischenzeitlich leicht entspannte, wütete „Daniel“ weiterhin in der Region Thessalien. Der Zivilschutz verhängte dort für einige Orte Fahrverbote, damit die Rettungsfahrzeuge freie Fahrt haben und weil viele Straßen wegen Überschwemmung gesperrt waren, wie Bilder in griechischen Medien zeigten.

EMY warnte am Mittwoch vor weiteren starken Regenfällen, Stürmen und einer hohen Anzahl von Blitzen. Betroffen seien die Region Thessalien, die Sporaden, die Insel Euböa, der Osten und der Süden der Halbinsel Peloponnes sowie Regionen im Norden des Landes nahe der Hafenstadt Thessaloniki.

Die Menschen seien angehalten, in den betroffenen Regionen möglichst nicht auf die Straße zu gehen, wegen der Blitzgefahr Bäume und Küstengebiete zu meiden und nicht zu versuchen, Wildbäche zu Fuß oder mit dem Auto zu überqueren. Den Prognosen zufolge soll es vielerorts auch am Donnerstag stark regnen und stürmen. Erst am Freitag soll sich das Wetter beruhigen.

Aufräumarbeiten nach Unwettern in Griechenland
AFP/Eurokinissi
In Medienberichten ist von Schäden „epischen“ Ausmaßes die Rede

Tote bei Überschwemmungen in Istanbul

Vom Sturmtief betroffen sind auch Bulgarien und der Westen der Türkei. In Bulgarien kamen an der südlichen Schwarzmeer-Küste vier Menschen ums Leben. Mit einem Kutter der Grenzpolizei wurde am Mittwoch im Schwarzen Meer vor Zarewo der leblose Körper einer vermissten Frau entdeckt, wie die bulgarische Polizei mitteilte. Die Leiche ihrer Mutter war am Dienstag an Land gespült worden. Mutter und Tochter wollten Medienberichten zufolge mit einem Geländewagen vor dem Hochwasser fliehen, das Fahrzeug geriet in den Fluss und wurde ins Meer getrieben.

Nach drei Toten in der Grenzregion zu Bulgarien wurden in der Türkei am Mittwoch zwei weitere Todesopfer aus der Millionenmetropole Istanbul gemeldet. Mehrere Personen seien bei Überschwemmungen zudem verletzt worden, sagte Innenminister Ali Yerlikaya in der Früh.

Verheerende Unwetter in Südosteuropa

Bei Starkregen und Unwettern sind in Griechenland, Bulgarien und der Türkei bereits mehrere Menschen ums Leben gekommen.

Am Vorabend war es in Istanbul zu sturzflutartigen Regenfällen in zwei Bezirken im Norden der Stadt gekommen. Straßen verwandelten sich in reißende Flüsse, und Autos wurden von den Fluten weggespült. Der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu sagte, aus einer Stadtbücherei seien mehrere Menschen in Sicherheit gebracht worden, nachdem Wasser in das Gebäude eingedrungen war. Er betonte, dass sich die Türkei als Folge des Klimawandels auf weitere Extremwetterereignisse einstellen müsse.