Zuschauer eines Cricket-Spiels mit einer indischen Nationalflagge mit der Aufschrift „Bharat Army“
AP/Kirsty Wigglesworth
Indien könnte Namen ändern

Hitziger Streit nach vielsagender Andeutung

Eine Dinner-Einladung für den G-20-Gipfel am Wochenende in Neu-Delhi hat scharfe Kontroversen ausgelöst: Indien wird darin offiziell „Bharat“ genannt. Mit dem alten Sanskrit-Wort setzt die Regierung unter Premier Narendra Modi vor der kommenden Wahl einmal mehr auf Nationalismus. Die Opposition sieht darin auch einen offensichtlichen Schachzug gegen politische Gegner, zumal sich kürzlich mehrere Parteien zu einer Koalition mit dem Namen INDIA zusammenschlossen, um Modi herauszufordern.

Die Einladung für ein offizielles G-20-Abendessen am Dienstag heizte die Spekulationen an. In der förmlichen Einladung an die Staats- und Regierungsspitzen der Gruppe der großen Wirtschaftsmächte (G-20), die am Wochenende in Neu-Delhi zusammenkommen, wird die Gastgeberin, Präsidentin Draupadi Murmu, nicht als Präsidentin von Indien, sondern als „Präsidentin von Bharat“ bezeichnet. „Bharat“ ist ein altes Sanskrit-Wort für Indien, das beispielsweise in der Verfassung als Synonym verwendet und auch in der Bevölkerung häufig benutzt wird.

Viele radikale Hindus stören sich am amtlichen Landesnamen Indien, er sei von den britischen Kolonialherren populär gemacht worden und deshalb ein Symbol der Sklaverei. Modis Regierung ist dafür empfänglich: Sie verstärkte in den vergangenen Jahren den Hindu-Nationalismus im Land und ging vermehrt gegen Andersdenkende vor. Menschenrechtsgruppen und Oppositionelle üben auch wegen ihres wachsenden Einflusses auf die demokratischen Institutionen des Landes Kritik.

Wahl wirft Schatten voraus

Im Frühjahr 2024 wählt Indien ein neues Parlament, auch Modi dürfte wieder antreten. Dabei setzt er auf Nationalstolz und auf eine Distanzierung von der kolonialen Vergangenheit. Großbritannien regierte Indien etwa 200 Jahre lang, bis es 1947 seine Unabhängigkeit erlangte. Für viele ist der Name „Indien“ ein Überbleibsel aus der Kolonialzeit. Der Name Indien wurde von alten westlichen Zivilisationen vom Sanskrit-Wort für den Fluss Indus – Sindhu – abgeleitet und später vom britischen Empire übernommen.

Der indische Premierminister Narendra Modi
APA/AFP/Sajjad Hussain
Ein neuerliches Antreten Modis nächstes Jahr wird erwartet

Während Modis Partei, die Bharatiya Janata Partei (BJP), die Andeutung der Präsidentin bejubelte, übten Opposition und manche Fachleute Kritik. Der Name Indien sei international anerkannt und zu einer Marke geworden, argumentieren sie. „Bei der Staatsgründung hat man sich aber bewusst für die Bezeichnung Indien entschieden, da diese international etabliert war – dieses Argument gilt heute umso mehr, weshalb Kritiker des Vorhabens die Verhältnismäßigkeit hinterfragen“, sagte etwa der Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Indien, Adrian Haack zur dpa.

Allianz INDIA empört

Doch nicht nur das: Kürzlich vereinten sich mehrere Oppositionsparteien zu einer Koalition mit dem Namen INDIA (Indian National Developmental Inclusive Alliance), um sich gegen die Regierungspartei vor der Wahl in Stellung zu bringen. „Es gibt in der Verfassung zwar keine Einwände dagegen, Indien ‚Bharat‘ zu nennen, es ist einer der beiden offiziellen Namen des Landes. Aber ich hoffe, dass die Regierung nicht so dumm sein wird, vollständig auf ‚Indien‘ zu verzichten, da es über Jahrhunderte einen unermesslichen Markenwert aufgebaut hat“, so Shashi Tharoor, ein ehemaliger Diplomat und Oppositionspolitiker. „Wir könnten uns natürlich auch Alliance for Betterment, Harmony And Responsible Advancement for Tomorrow (BHARAT) nennen. Dann würde die Regierungspartei vielleicht mit diesem albernen Spiel der Namensänderung aufhören.“

Auch andere äußerten den Verdacht, die Hinwendung der Regierung zu „Bharat“ sei eine Reaktion auf die Bildung der neuen Allianz. „Wie kann die BJP ‚INDIA‘ angreifen? Das Land gehört keiner politischen Partei; es gehört allen Indern“, so der Abgeordnete Raghav Chadha, Mitglied der Allianz, in den sozialen Netzwerken. „Unsere nationale Identität ist nicht das persönliche Eigentum der BJP, das sie nach Lust und Laune verändern kann.“ Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar sagte hingegen in einem Interview, das CNN zitierte, Indien sei Bharat: „Es steht in der Verfassung. Ich würde jeden einladen, sie zu lesen.“

Es wäre jedenfalls nicht die erste Umbenennung: Städte wie Prayagraj im Bundesstaat Uttar Pradesh wurden namentlich geändert, um das Hindu-Erbe zu betonen. Bis 2018 hieß die Metropole Allahabad. Ein ganzes Land antikolonialistisch umzubenennen, kam auch schon vor: Sri Lanka hieß früher Ceylon, Thailands früherer Name war Siam.