Rathaus von Birmingham
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Birmingham bankrott

Stadt gibt Frauen die Schuld

Birmingham, die zweitgrößte britische Stadt, ist faktisch bankrott. Zu Fall gebracht haben soll sie laut Stadtverwaltung eine Klage auf Lohngleichheit. Die Stadt hatte jahrzehntelang weibliche Angestellte weit unter dem Niveau ihrer Kollegen bezahlt. Premierminister Rishi Sunak zeigte der Stadtregierung jedoch die kalte Schulter.

„Die Kommunalverwaltung steht vor einem ‚perfect storm‘“, sagte Sharon Thompson, die stellvertretende Vorsitzende des Stadtrats von Birmingham, kürzlich in einer Stellungnahme. Der Ausdruck „perfect storm“ bezeichnet im Englischen eine maximale Katastrophe.

„Wie die Kommunen im ganzen Land steht auch diese Stadtverwaltung vor nie dagewesenen finanziellen Herausforderungen“, so die Labour-Politikerin. Diese reichten von fehlenden Sozialgeldern bis hin zu den Unternehmenssteuern und den Auswirkungen der dahingaloppierenden Inflation.

Klägerinnen berufen sich auf „Equal Pay Act“

Als Grund für den Konkurs gab die Stadtverwaltung an, die Entschädigungszahlungen an ehemalige Mitarbeiterinnen decken zu müssen, die seit Jahren die Kassen der Stadtverwaltung belasten würden. Die ausstehende Rechnung belaufe sich insgesamt auf 760 Millionen Pfund (885 Mio. Euro). Diese Summe ergab ein Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2012, das die Stadtverwaltung nicht einkalkuliert hatte. Die Rechnung werde zudem immer höher und höher.

Eine Frau blickt auf die Skyline von Birmingham
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Ehemalige Mitarbeiterinnen klagen: Sie hätten weniger bezahlt bekommen als Männer in vergleichbaren Positionen

Die ursprüngliche Klage wurde von 174 ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung eingereicht (vier davon waren Männer). Es klagten vor allem Reinigungskräfte, Köchinnen und Pflegepersonal – sie alle behaupteten, es seien ihnen Prämien und andere Zahlungen verweigert worden, die jedoch an Kollegen gezahlt worden seien, die gleichwertige Arbeit geleistet hätten. Das habe gegen die Gleichstellungsklausel in ihren Arbeitsverträgen im Rahmen des „Equal Pay Act“ von 1970 verstoßen. Das Gericht gab ihnen recht. Hunderte weitere Arbeitnehmerinnen haben seitdem ähnliche Ansprüche geltend gemacht.

Die Stadtverwaltung hat in den letzten zehn Jahren bereits 1,1 Mrd. Pfund (1,3 Mrd. Euro) für diese Lohnausgleiche ausgegeben und rechnet nun für das Haushaltsjahr 2023/2024 mit einem Haushaltsdefizit von 87 Mio. Pfund (101 Mio. Euro). „Das bedeutet, dass wir in Zukunft deutlich weniger Ressourcen zur Verfügung haben werden als in den vergangenen Jahren und dass wir neue Prioritäten setzen müssen, wofür wir das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ausgeben“, hieß es in einer Erklärung im Juni.

Alle nicht notwendigen Ausgaben gestoppt

Neben den Forderungen nach Lohngleichheit und den Kosten für die Installation eines neuen IT-Systems machte Stadträtin Thompson auch die „von den aufeinander folgenden konservativen Regierungen gestrichenen Mittel in Höhe von einer Mrd. Pfund“ für den Niedergang der Stadt verantwortlich. Damit sei nichts anderes mehr übrig geblieben, als eine „Section 114 Notice“ zu erlassen. Das bedeutet, dass alle Ausgaben gestoppt werden müssen, mit Ausnahme der absolut notwendigen Ausgaben für Schulbildung, Wohnungsbau, Sozialfürsorge, Müllabfuhr und Straßeninstandhaltung.

Birmingham ist bei Weitem nicht die einzige britische Stadt, die vor dem finanziellen Abgrund steht. Als die britische Regierung im Jahr 2010 im Zuge der globalen Finanzkrise ein Sparprogramm verabschiedet hatte, kürzte sie auch die Mittel für die Kommunalverwaltungen. In den letzten Monaten haben sich bereits mehrere Gemeinden für zahlungsunfähig erklärt, darunter Croydon, ein Teil des Großraums London, und Woking, eine Stadt südlich der Hauptstadt.

Sunak-Sprecher: „Angelegenheit der lokal gewählten Räte“

Nach Angaben des National Audit Office sind die staatlichen Mittel für die lokalen Behörden in England zwischen den Haushaltsjahren 2010/2011 und 2020/2021 um mehr als 50 Prozent gesunken. In einer Erklärung sagte Shaun Davies, Vorsitzender der Local Government Association, dass den Kommunen in den nächsten zwei Jahren eine Finanzierungslücke von fast drei Milliarden Pfund (3,5 Mrd. Euro) drohe, „nur um die Dienstleistungen aufrechtzuerhalten“. „Die Regierung muss einen langfristigen Plan vorlegen, um die lokalen Dienstleistungen ausreichend zu finanzieren“, fügte er hinzu.

Obwohl die öffentlichen Dienste in ganz Großbritannien, einschließlich Schulen und Krankenhäuser, in einem Zustand des Verfalls sind, will Sunak nicht zusätzlich helfen. „Es ist eindeutig Angelegenheit der lokal gewählten Rätinnen und Räte, ihre eigenen Budgets zu verwalten“, reagierte kürzlich sein Sprecher auf die Lage in Birmingham. Die Stadt habe in diesem Jahr außerdem bereits von einer Erhöhung der Mittel um neun Prozent profitiert.