Mattel-Geschäftsführer Ynon Kreiz
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„Barbie“

Gewitzter CEO verhalf Mattel zu Gewinn

Chauvinistisch, sexistisch, eitel und ein bisschen naiv: Obwohl der Geschäftsführer von Mattel im aktuellen Blockbuster „Barbie“ gar nicht gut wegkommt, feiert der Spielzeugkonzern einen beispiellosen Höhenflug, gemeinsam mit dem Kinohit. „Barbie“ ist der erfolgreichste Film des Jahres, und das zahlt sich auch für den Schöpfer der Puppe kräftig aus – fernab von jedem Imageschaden.

Ynon Kreiz ist seit April 2018 Geschäftsführer von Mattel. Ihm wird nachgesagt, er sei von Beginn an ein Verfechter des „Barbie“-Films und in die Produktion eng involviert gewesen. Doch als israelischer Veteran mit britischer Doppelstaatsbürgerschaft, professioneller Windsurfer, Kitesurfer und Fitnessfanatiker wirkt Kreiz tatsächlich eher wie ein Actionheld als eine Figur aus dem „Barbie“-Film.

Dass Kreiz dazu bereit war, sich für „Barbie“ nicht gerade schmeichelnd parodieren zu lassen, kam dann doch für viele überraschend. Im Film mimt Will Ferrell den Mattel-CEO als Chef, wie es ihn eigentlich nicht geben dürfte: subtil herablassend gegenüber Frauen, emotional in Diskussionen und oftmals ahnungslos.

Zähes Ringen bis zum Film

In der Realität dürfte das Gegenteil der Fall sein. Kreiz wirkt wie ein Chef mit dem richtigen Gespür. Als Quereinsteiger hat er nämlich keine Erfahrung im Handel, sondern machte zum Großteil in der Medien- und Unterhaltungsbranche Karriere. So saß er dem Fernsehsender bzw. der Marke Fox Kids Europe vor, später leitete er die Maker Studios, einen YouTube-Dienstleister, der 2014 von Disney übernommen wurde. Kreiz verließ das Unternehmen 2016, der Film „Barbie“ wurde zum ersten wichtigen Projekt des neuen Mattel-CEO.

Filmausschnitt von „Barbie“
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Nur Männer in der fiktiven Mattel-Geschäftsführung, mit dem ulkigen Will Ferrell (Mitte) als CEO an der Spitze

Dass der Streifen überhaupt produziert wurde, war keine Bagatelle. Das Konzept lag jahrelang in der Schublade diverser Filmstudios, während Mattel eine Entscheidung immer wieder verschob und verschiedene Autorinnen und Autoren Ideen präsentierten. Obwohl die Barbie-Puppe eines der beliebtesten Spielzeuge aller Zeiten ist, war sie doch Gegenstand heftiger Kontroversen, da sie sowohl als Symbol für weibliche Selbstbestimmung als auch als unmöglicher Maßstab für Schönheit und Weiblichkeit angesehen wurde. Der einzig gangbare Weg schien eine Parodie zu sein. Naheliegend war erst die Komikerin Amy Schumer für die Hauptrolle vorgesehen, doch Drehbücher kamen und gingen.

Kreiz schlug Robbie als Hauptdarstellerin vor

Kreiz persönlich soll es dann 2018 gewesen sein, der Margot Robbie als Barbie ins Spiel gebracht habe. Robbie, die schließlich auch für die Rolle der Hauptdarstellerin ausgewählt worden war, war damals schon durch ihre Rollen in „I, Tonya“ und „Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn“ eine begehrte Schauspielerin. „Unsere Vision für Barbie war jemand mit einer starken Stimme, einer klaren Botschaft, mit kultureller Resonanz, die einen gesellschaftlichen Einfluss haben würde“, sagte Kreiz dazu gegenüber Medien.

Robbie schlug dann Gerwig als Regisseurin vor, die zuvor zwar Independent-Filme wie „Frances Ha“, „Lady Bird“ und „Little Women“ gedreht und geschrieben hatte, aber keine Blockbuster mit großem Budget. Gerwig und ihr Mann Noah Baumbach legten einige Monate später Robbie Brenner, Mattels Filmproduzentin, ihr „Barbie“-Drehbuch vor. „Es war wie eine verrückte Fahrt“, erinnerte sich Brenner in einem Mediengespräch. Das Drehbuch habe Regeln gebrochen, einschließlich der „vierten Wand“, indem es das Publikum direkt ansprach, und es machte sich über Mattel lustig.

„Barbie“-Regisseurin Greta Gerwig
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Gerwig provozierte mit ihrem Drehbuch – mit Erfolg

Das störte Geschäftsführer Kreiz nicht: „Das Drehbuch war tiefgründig, provokant, unkonventionell und fantasievoll“, so der Mattel-CEO. „Es war alles, was ich mir erhofft hatte.“ Kreiz soll sich persönlich sehr stark eingebracht haben. Er sei sogar einmal nach London geflogen, wo in einem Warner-Bros.-Studio außerhalb der Stadt die Sets gebaut wurden, und habe mit Gerwig stundenlang über den perfekten Rosaton diskutiert, schrieb die „New York Times“ („NYT“).

Erfolgreicher als Harry Potter, Mario und Black Panther

„Barbie“ steht kurz davor, 1,4 Milliarden US-Dollar (1,3 Mrd. Euro) als erfolgreichster Film des Jahres 2023 einzuspielen und liegt damit derzeit auf Platz 15 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. „Barbie“ überholte etwa die auf männliche Protagonisten setzenden Filme „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil zwei“, „Der Super Mario Bros. Film“ und „Black Panther“. Rekordhalter ist nach wie vor „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ aus 2009 mit 2,9 Mrd. US-Dollar (2,7 Mrd. Euro).

Wie viel der Filmriese Warner Bros. vom endgültigen Einspielergebnis an Mattel abtreten muss, ist nicht genau bekannt – beide Konzerne halten sich an ihre Verschwiegenheit – jedoch sagten Eingeweihte der „NYT“, Mattel würden fünf Prozent der Filmeinnahmen zugesprochen, zusätzlich zu einem Anteil an prognostizierten Gewinnen sowie Zahlungen als Inhaber der geistigen Eigentumsrechte.

Barbies auf einem Verkaufsregal
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Der Film reiht sich in eine Erfolgsgeschichte ein. Barbie-Puppen sind seit über 60 Jahren ein Dauerbrenner.

Hinzu kommen die Verkäufe von Merchandise-Artikeln im Zusammenhang mit dem Film sowie der erwartete Anstieg der Puppenverkäufe. Der Finanzchef von Mattel, Joseph J. Euteneuer, gab bekannt, dass das Unternehmen alleine durch den Film etwa 125 Millionen US-Dollar einnehmen dürfte.

Weitere „Barbie“-Filme in Aussicht

Schon nachdem im Dezember der erste „Barbie“-Trailer, der eine in 80er-Neonfarben gekleidete, wasserstoffblonde Margot Robbie und ihr männliches Pendant Ryan Gosling als Ken beim Inlineskaten in Venice Beach zeigt, viral gegangen war, stieg nicht nur die Vorfreude, sondern auch die Mattel-Aktie. Sie legte bis heute um mehr als 30 Prozent zu. Kreiz lobte den Film als „Meilenstein“ in der Strategie des Unternehmens. Er ließ außerdem durchblicken, er könne sich weitere Filme inspiriert durch Mattel-Spielzeug vorstellen.

Natürlich hat der Erfolg von „Barbie“ die Messlatte für die in Entwicklung befindlichen Filme von Mattel drastisch erhöht, angefangen mit „Masters of the Universe“, geschrieben von den Brüdern Adam und Aaron Nee. Zwölf weitere Filme befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien, darunter ein „Hot Wheels“-Film von J. J. Abrams. Jedenfalls aber soll es „Barbie“-Fortsetzungen geben, schreibt die „NYT“. Kreiz habe dazu eine „James-Bond-ähnliche Szenerie“ im Kopf.