Polizeistreife in London
AP/PA/Jamie Lashmar
London

Polizei fasst flüchtigen Terrorverdächtigen

Nach tagelanger Fahndung hat die britische Polizei am Samstag einen aus einem Londoner Gefängnis ausgebrochenen Terrorverdächtigen festgenommen. Beamte konnten den 21-Jährigen kurz vor 11.00 Uhr (Ortszeit) im Londoner Stadtteil Chiswick ergreifen, wie die Metropolitan Police mitteilte. Seine Flucht gelang offenbar auf spektakuläre Art und Weise.

Die Polizei hatte ihre Suche zuvor auf den wohlhabenden Stadtteil im Südwesten der Hauptstadt konzentriert, nachdem es dort Berichte über Sichtungen des Ex-Soldaten gegeben hatte. Mit der Festnahme endet eine dreitägige großangelegte Fahndung, bei der auch die Sicherheitschecks auf Häfen und Flughäfen erheblich verschärft worden waren.

Der Mann war Mittwochfrüh aus dem Gefängnis Wandsworth im Südwesten Londons ausgebrochen – davor hatte er auf seinen Prozess gewartet. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, gefälschte Bomben auf einem Militärstützpunkt hinterlassen zu haben. Die Flucht dürfte spektakulär verlaufen sein: So wird vermutet, dass er Mittwochfrüh durch die Gefängnisküche entkam, indem er sich an der Unterseite eines Lebensmittellieferwagens festband.

Sunak dankt Polizei und Öffentlichkeit

Premierminister Rishi Sunak zeigte sich zufrieden mit dem Fahndungserfolg. Er danke der Polizei und der Öffentlichkeit, die mit einer „enormen Zahl an Hinweisen“ geholfen hätten, den Mann zu fassen, sagte der konservative Politiker vor Journalisten am Rande des G-20-Gipfels in Indien.

Die Suche nach dem 21-Jährigen hatte sich auf die Hauptstadtgegend fokussiert – an mehreren Orten wurde dort seit Mittwoch auf Hochtouren nach dem Flüchtigen gesucht. Am Freitag war etwa der zehn Quadratkilometer große Richmond Park, der größte der königlichen Parks in London, durchsucht worden – ohne Erfolg. Mehrfach war die Bevölkerung um Mithilfe gebeten worden.

Wandsworth-Gefängnis in London
APA/AFP/Justin Tallis
Szene im Wandsworth-Gefängnis einen Tag nach dem Ausbruch eines terrorverdächtigen Häftlings

Flucht „eindeutig im Voraus geplant“

Die Strafvollzugsbehörde arbeitet mit der Polizei zusammen, um „dringend zu untersuchen“, wie es zu dem Ausbruch kommen konnte. Auch hier gibt es seit Freitag einen Verdacht zum Hergang: So werde geprüft, ob Gefängniswärter dem 21-Jährigen bei der Flucht halfen. Diese sei „eindeutig im Voraus geplant“ gewesen, sagte Scotland-Yard-Chef Mark Rowley dem privaten Radiosender LBC.

Der Terrorverdächtige war wegen zweier Vorfälle am Luftwaffenstützpunkt im zentralenglischen Stafford in U-Haft gelandet. Er wurde beschuldigt, „versucht zu haben, Informationen zu erlangen, die einer Person nützlich sein könnten, die einen terroristischen Akt begeht oder vorbereitet“. Außerdem wurde dem Ex-Soldaten vorgeworfen, einen falschen Bombenalarm ausgelöst zu haben, indem er ein entsprechendes verdächtiges Objekt auf dem Luftwaffenstützpunkt platzierte.

Schlaglicht auf britischen Justizvollzug

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die angespannte Lage im britischen Justizvollzug. Viele der Gefängnisse sind hoffnungslos überfüllt. Hinzu kommen Personalmangel, ein hoher Krankenstand und eine starke Fluktuation. Auch eine große Zahl der Gebäude, die teils noch aus dem 19. Jahrhundert stammen, gilt als nicht mehr zeitgemäß.

Das Gefängnis in Wandsworth war bereits Schauplatz eines der bekanntesten Häftlingsausbrüche des Landes: Im Jahr 1965 floh der legendäre britische Posträuber Ronnie Biggs aus der Strafvollzugsanstalt. In den folgenden 35 Jahren tauchte er in Belgien, Frankreich, Australien und Brasilien unter. 2001 bereitete Biggs selbst seiner Flucht ein Ende und stellte sich in Großbritannien den Behörden.

Im Gefängnis Wandsworth war schon der wegen seiner Homosexualität verfolgte Schriftsteller Oscar Wilde eingesperrt. Einer der bekanntesten Häftlinge der jüngsten Zeit in Wandsworth war das ehemalige deutsche Tennis-Ass Boris Becker. Er war wegen mehrerer Vergehen in einem Insolvenzverfahren verurteilt worden. Im vergangenen Jahr wurde Becker entlassen.