Rettungskräfte suchen in Moulay Brahim (Marokko) nach dem Erdbeben nach Überlebenden
APA/AFP/Fadel Senna
Marokko

Über 1.000 Tote nach Erdbeben

Das verheerende Erdbeben in Marokko in der Nacht auf Samstag hat mehr als 1.000 Menschenleben gefordert. Die Zahl der Toten war im Laufe des Tages stark angestiegen, Behörden gingen zuletzt von einem weiteren Anstieg aus. Unter großen Anstrengungen wird nach Überlebenden gesucht. Das Ausmaß der Schäden ist enorm. Das Beben sorgte international für Bestürzung und zog eine Welle an Hilfsangeboten nach sich.

Mindestens 1.037 Menschen kamen laut jüngsten offiziellen Angaben ums Leben. Mindestens 1.204 Menschen seien verletzt worden, teilte das marokkanische Innenministerium mit. Hunderte wurden zur Behandlung in Krankenhäuser gebracht, mehr als 200 von ihnen schwebten zuletzt in Lebensgefahr.

Das Beben mit einer Stärke von 6,8 ereignete sich in der Nacht auf Samstag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch.

Informationen über Betroffene aus Österreich lägen derzeit nicht vor, teilte das Außenministerium mit. Aktuell seien rund 60 Personen reiseregistriert, hieß es. Ein Mitarbeiter der österreichischen Botschaft in Rabat habe sich auf dem Weg in das besonders betroffene Krisengebiet Marrakesch gemacht.

Zerstörung nach Erdbeben in Marokko
Reuters/Abdelhak Balhaki
Unter den Felsen und dem Schutt werden Vermisste vermutet

Laut Ministerium befinden sich aktuell rund 215 Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher in Marokko. „Sie wurden noch in der Nacht per SMS und E-Mail kontaktiert und werden aktuell von der Botschaft durchgerufen“, sagte eine Sprecherin. In diesem Zusammenhang verwies das Ministerium auch auf den Bereitschaftsdienst (+43 1 90115 4411), der rund um die Uhr erreichbar sei.

Der Flughafen in Marrakesch funktioniere derzeit normal, und es gebe genügend Flüge, um zurück nach Österreich zu kommen, teilte das Außenministerium mit.

Marokko: Hunderte Tote nach Erdbeben

Bei einem schweren Erdbeben in Marokko sind mindestens 632 Menschen ums Leben gekommen. Das Beben habe laut US-Erdbebenwarte (USGS) eine Stärke von 6,8 gehabt. Laut Behördenangaben ist es das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert wurde. Auch in Nachbarländern war das Beben zu spüren.

Solidarität aus Österreich

Bundeskanzler Karl Nehammer, Innenminister Gerhard Karner sowie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (alle ÖVP) drückten in einem gemeinsamen Statement ihre Betroffenheit über das Beben aus. „Katastrophen wie diese erfordern internationale Solidarität und Unterstützung. Österreich wird jederzeit helfen, wo in den Katastrophengebieten Marokkos Hilfe benötigt wird“, wurde Nehammer zitiert.

„Innen- und Verteidigungsministerium treffen derzeit alle Vorkehrungen, um zu unterstützen, sobald eine entsprechende Anforderung kommt“, sagte Nehammer. Das Katastrophenhilfeelement des Bundesheers, die Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU), stehe jederzeit bereit, betonte Tanner. Zuletzt stand ein AFDRU-Kontingent des Bundesheeres nach dem verheerenden Beben im Süden der Türkei Anfang Februar im Einsatz.

Erdbeben mit Stärke 6,8

Laut der US-Erdbebenwarte (USGS) hatte das Beben am Freitag um 23.11 Uhr (Ortszeit, Samstag um 00.11 Uhr MESZ) stattgefunden. Es hatte eine Stärke von 6,8 und ereignete sich in einer Tiefe von 18,5 Kilometern gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch und 60 Kilometer nordöstlich der Stadt Taroudant. Das Epizentrum sei im Atlasgebirge gelegen. Das Geofon des Helmholtz-Zentrums Potsdam gab die Stärke des Bebens mit 6,9 an. Kurze Zeit später meldete die US-Behörde ein Nachbeben der Stärke 4,9.

Eine Grafik zeigt das Epizentrum des Erdbebens in Marokko
Grafik: APA/ORF; Quelle: USGS

Menschen in Panik

Laut Augenzeugenberichten löste das Erdbeben in Marrakesch, Agadir und anderen Städten bei Bewohnern Panik aus. Wie die Zeitung „Le Matin“ berichtete, war das Beben auch in Rabat und Casablanca zu spüren. Bilder und Videos aus sozialen Netzwerken zeigen zerstörte Gebäude in Städten und auf den Straßen sitzende Menschen.

Nach dem Erdbeben beschädigte Moschee in Moulay Brahim (Marokko)
AP/Mosa’ab Elshamy
In Gebieten vom Atlasgebirge bis zur Altstadt von Marrakesch wurden Gebäude teils völlig zerstört und berühmte Kulturdenkmäler beschädigt

Teile von UNESCO-Welterbe beschädigt

Auch Teile des UNESCO-Welterbes in der Altstadt von Marrakesch wurden beschädigt. Der Regionalleiter des marokkanischen Kulturministeriums, Hassan Hernan, bestätigte der dpa, dass die Gebäude der Medina von Marrakesch teilweise beschädigt worden seien. Einige der historischen Gebäude wiesen Risse auf. „Das Bild wird erst in 48 Stunden vollständig sein, aber sicher ist, dass der Schaden an wichtigen historischen Stätten in der Altstadt bisher gering ist“, sagte Hernan.

Die Medina – die Altstadt –, die für ihre engen Gassen und vielen Händler bekannt ist, ist normalerweise ein beliebtes Ziel von Touristen. Nach dem Beben soll sie voller Trümmer gewesen sein. Aufnahmen im marokkanischen Fernsehen zeigten außerdem große Risse und eingestürzte Teile in einem Abschnitt der mittelalterlichen Stadtmauer.

Erdbeben in Nordafrika relativ selten

Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, sagte, dass die Nachbeben weniger stark seien. Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte er der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Das Beben war Berichten zufolge auch in Portugal und Algerien zu spüren.

Es sei das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert worden sei. Erdbeben in Nordafrika sind relativ selten. 1960 hatte sich laut dem Sender al-Arabija in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben kamen.

EU bietet Hilfe an

Die Europäische Union hat Marokko indes Hilfe angeboten. „Die EU ist bereit, Marokko in diesen schwierigen Momenten zu unterstützen“, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel Samstagfrüh. Die Nachrichten aus dem Land seien schrecklich. Er sei in Gedanken bei allen, die von der Tragödie betroffen seien, und bei den Rettungskräften. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte ebenso ihr Mitgefühl. Sie sei angesichts des schrecklichen Erdbebens mit ganzem Herzen beim marokkanischen Volk.

Italiens Premierministerin Giorgia Meloni habe „ihre Verbundenheit und Solidarität mit Marokkos Premierminister Aziz Akhannouch, den Familien der Opfer und dem marokkanischen Volk zum Ausdruck gebracht und die volle Bereitschaft Italiens bekundet, Marokko in dieser Notlage zu unterstützen“, hieß es in einer Presseaussendung.

Zerstörung nach Erdbeben in Marokko
APA/AFP/Fadel Senna
Aus aller Welt kamen Hilfsangebote

Frankreich stehe bereit, „Erste Hilfe zu leisten“, teilte der französische Präsident Emmanuel Macron mit. „Unsere Gedanken sind bei ihnen und allen, die in diesen Stunden nach den Verschütteten suchen und um das Leben der vielen Verletzten kämpfen“, hieß es aus dem deutschen Außenministerium. Spaniens Außenminister Jose Manuel Albares bot an, Rettungskräfte nach Marokko zu entsenden.

Hilfsangebote aus Großbritannien und Israel

Der britische Außenminister James Cleverly erklärte, sein Land stehe bereit, „unseren marokkanischen Freunden auf jede mögliche Weise zu helfen“. Israel will Marokko humanitäre Hilfe leisten und Suchtrupps schicken. Alle Ministerien seien angewiesen worden, die Entsendung einer Hilfsdelegation vorzubereiten, meldeten israelische Medien unter Berufung auf das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan meldete sich: „Wir stehen unseren marokkanischen Geschwistern an diesem schweren Tag mit allen Mitteln zur Seite“, schrieb Erdogan am Samstag auf Twitter (X). Er drückte sein Bedauern angesichts der vielen Toten aus und wünschte den Verletzten schnelle Genesung.

Algerien will Luftraum zu Marokko wieder öffnen

Trotz diplomatischer Spannungen bot Algerien seinem Nachbarland an, den Luftraum wieder zu öffnen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur APS berichtete, brachten die algerischen Behörden „ihre volle Bereitschaft zum Ausdruck, humanitäre Hilfe zu leisten“. Demnach soll der Luftraum für Flüge von Verwundeten und Verletzten und zum Transport humanitärer Hilfe „im Falle einer Anfrage des Königreichs Marokkos“ wieder geöffnet werden.

Algerien und Marokko unterhalten seit August 2021 keine diplomatischen Beziehungen mehr. Grund seien „feindliche Aktionen von Rabat“, hieß es damals. In dem Streit ging es um Gebiete in der Westsahara. Algerien hatte in dem Zusammenhang den Luftraum für alle marokkanischen Flugzeuge gesperrt. Die Grenze ist seit Langem geschlossen.

Guterres „tieftraurig“

Zuvor hatte sich auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bestürzt gezeigt. Der Generalsekretär sei „tieftraurig“, teilte ein Sprecher mit. Er spreche der Regierung und dem Volk Marokkos seine Solidarität in diesen schweren Zeiten und den Familien der Opfer sein Beileid aus.

US-Präsident Joe Biden hat sich ebenfalls „tieftraurig“ über den Verlust von Menschenleben und die Zerstörungen durch das Erdbeben in Marokko geäußert. „Unsere Gedanken und Gebete sind bei all denen, die von diesem schrecklichen Elend betroffen sind“, heißt es in einer Mitteilung des Weißen Hauses vom Samstag. Aus Russland und dem Iran kamen ebenfalls Hilfsangebote.

Papst bekundet Beileid

Papst Franziskus bekundete den Hinterbliebenen sein Beileid. In einem Kondolenzschreiben, das am Samstag in Rom vom Vatikan veröffentlicht wurde, äußerte das Oberhaupt der katholischen Kirche tiefe Trauer. Franziskus schrieb, er bete für die Verstorbenen und die Verletzten sowie diejenigen, „die um den Verlust ihrer Lieben und ihrer Häuser trauern“.

Aufruf zu Spenden

Das Rote Kreuz rief am Samstag zu Spenden auf. „Das ganze Ausmaß der Katastrophe wird erst in den nächsten Stunden und Tagen klar sichtbar werden. Erste Hilfsmaßnahmen laufen bereits. Der Marokkanische Rote Halbmond unterstützt vor allem mit Erster Hilfe, psychosozialer Unterstützung und mit Evakuierungs- und Transportunterstützung der Behörden“, wird Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer in einer Aussendung zitiert.

Ärzte ohne Grenzen betonte am Samstag in einer Mitteilung, man sei bereits in Absprache mit den lokalen Behörden, um erste Teams in die Region zu senden. Spendenaufrufe kamen ebenfalls von den beiden NGOs Care Österreich sowie Jugend Eine Welt. „Die humanitäre Situation verschlechtert sich zunehmend. Die Familien benötigen nun am dringendsten Wasser, Nahrung, Hygieneartikel, Gesundheitsversorgung und eine sichere Unterkunft“, sagte Care-Geschäftsführerin Andrea Barschdorf-Hager.