Indischer Frachtzug
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Riesiges Infrastrukturprojekt

Konkurrenz für Chinas „Neue Seidenstraße“

Den G-20-Gipfel in Neu-Delhi haben die EU und die USA gemeinsam mit Indien und weiteren Partnern auch genutzt, um ein groß dimensioniertes Infrastrukturvorhaben anzukündigen. Ein riesiges Schienen-, Schifffahrts- und Pipelineprojekt soll Europa, den Nahen Osten und Indien besser miteinander verbinden, so die Pläne. Das Vorhaben gilt auch als Antwort auf Chinas Initiative für eine „Neue Seidenstraße“.

Noch handelt es sich zwar nur um eine Absichtserklärung, auf die sich die Vereinigten Staaten, Indien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Europäische Union nach eigenen Angaben geeinigt haben. Für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sind die Pläne aber „nichts anderes als historisch“. Sie sprach von der bisher direktesten Verbindung zwischen Indien, dem Persischen Golf und Europa – mit einer Eisenbahnverbindung, die den Handel zwischen Indien und Europa um 40 Prozent beschleunige.

Auch US-Präsident Joe Biden nannte das Vorhaben „historisch“. Es eröffne unendlich viele neue Möglichkeiten. So solle etwa Indien auf eine Weise mit Europa verbunden werden, die nicht nur „einen effizienteren Warentransport“ ermögliche, sondern auch die Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Digitales stärke, sagte Bidens Berater Jake Sullivan. „Wir sind der Meinung, dass das Projekt kühn und transformativ ist“, so Sullivan. Er gehe davon aus, dass es weltweit Nachahmer finden werde.

der indische Premierminister Narendra Modi, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden
Reuters/Evelyn Hockstein
Ein neuer Handelskorridor soll künftig Indien mit Europa verbinden

Israel involviert

Außerdem werde es die Integration im gesamten Nahen Osten verbessern – involviert seien „einige unwahrscheinliche Partner“ in der Region. Sullivan spielte darauf an, dass auch Israel Teil der Initiative ist. Das sei „bezeichnend“, so Sullivan. Wenngleich er betonte, dass die Pläne kein Vorläufer für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien seien.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte in einer Videobotschaft Samstagabend, sein Land stehe „im Zentrum eines beispiellosen internationalen Projekts, das die Infrastruktur von Asien nach Europa verbinden wird und die Verwirklichung eines jahrelangen Traums sein wird“. Das Projekt werde „das Gesicht des Nahen Ostens und Israels verändern und Auswirkungen auf die ganze Welt haben“, versprach er. Die USA hätten Israel schon vor einigen Monaten wegen der „bahnbrechenden Initiative“ kontaktiert, so der israelische Premier.

Hunderte Millionen Euro an Investitionen geplant

Finanziert werden soll das Vorhaben unter anderem über die EU-Initiative Global Gateway. Sie sieht vor, in den nächsten Jahren bis zu 300 Milliarden Euro in die Infrastruktur von Schwellen- und Entwicklungsländern zu investieren. Das Projekt macht Chinas „Neuer Seidenstraße“ Konkurrenz, an der die Volksrepublik schon seit Jahren in vielen Ländern arbeitet. Mit der „Neuen Seidenstraße“ unterstützt China Infrastrukturprojekte weltweit und will neue Handelswege nach Europa, Afrika, Lateinamerika und in Asien erschließen. Dabei hat es zahlreiche Abkommen mit fast allen arabischen Staaten geschlossen.

Teil des jetzt von der EU und den USA angekündigten Vorhabens ist auch der Ausbau von Stromnetzen und Energieprojekten. Mit Stromkabeln und einer Pipeline für grünen Wasserstoff soll den Angaben nach auch der Handel mit sauberer Energie zwischen Asien, dem Nahen Osten und Europa gestärkt werden.

Dem Weißen Haus zufolge sollen Pipelines, die von Israel nach Europa verlegt werden, sauberen Wasserstoff nach Europa liefern. Schon jetzt geplant sind Projekte zur Energieerzeugung mit klimaneutralem Wasserstoff in Afrika und eine neue Unterwasserkabelverbindung zum Datentransport zwischen der EU und Lateinamerika.

Projekt noch in den Kinderschuhen

In der Absichtserklärung hieß es, dass das Projekt aus zwei separaten „Korridoren“ bestehe – einer verbinde Indien mit dem Persischen Golf, der andere den Persischen Golf mit Europa. Es soll ein „grenzüberschreitendes Schiff-Schiene-Transitnetz“ entstehen. Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen, konkrete Details zu den Plänen gibt es noch nicht. Die Teilnehmer verabredeten, innerhalb der nächsten 60 Tage zusammenzukommen, um einen Aktionsplan mit entsprechenden Zeitplänen zu entwickeln.

Die G-7-Gruppe führender demokratischer Industriestaaten hatte bereits vor gut zwei Jahren eine globale Infrastruktur-Initiative ins Leben gerufen, um China Konkurrenz zu machen. Das Projekt geht auf Bidens Initiative zurück und gilt als Rahmen für das jetzt verkündete neue Vorhaben. Ziel ist es, Hunderte Milliarden Dollar für Infrastrukturinvestitionen zu mobilisieren. Dabei soll auch in neue Eisenbahnlinien in Afrika investiert werden.