Bewohner von Moulay Brahim (Marokko) gehen nach dem Erdbeben durch Schutt
AP/Mosa’ab Elshamy
Über 1.300 Tote

Viele Hilfsangebote nach Beben in Marokko

Das verheerende Erdbeben im nordafrikanischen Marokko hat international nicht nur für Bestürzung gesorgt, sondern auch eine Welle der Solidarität nach sich gezogen. Zahlreiche Länder – darunter auch Österreich – boten bereits ihre Hilfe an. In Marokko selbst wird weiterhin nach Überlebenden gesucht. Für mehr als 1.300 Menschen kam aber bereits jede Hilfe zu spät.

Offiziellen Angaben vom Samstagabend zufolge kamen mindestens 1.305 Menschen ums Leben. Zumindest 1.832 weitere Menschen erlitten laut dem marokkanischen Innenministerium Verletzungen. Es wurde damit gerechnet, dass die Zahl der Toten und Verletzten weiter steigt. Betroffen waren Gebiete des Atlasgebirges bis zur Altstadt von Marrakesch.

Das Beben hatte sich am späten Freitagabend ereignet. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS hatte es eine Stärke von 6,8. Das deutsche Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) verzeichnete eine Stärke von 6,9. Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch. Dem USGS zufolge ereignete sich das Beben in einer Tiefe von 18,5 Kilometern. Erdbeben in einer solch geringen Tiefe haben ein besonders zerstörerisches Potenzial.

Einsatzkräfte suchen in Moulay Brahim (Marokko) nach Überlebenden des Erdbebens
APA/AFP/Fadel Senna
Einsatzkräfte suchen unter den Trümmern nach Überlebenden

Rettungskräfte bereiten sich auf Entsendung vor

Rettungskräfte in mehreren Ländern packten bereits Hilfsmittel zusammen – für den Fall, dass sie von Marokko angefordert werden. „Die Zeit läuft“, sagte etwa Julian Hidalgo, Koordinator der spanischen Hundestaffel der Feuerwehr von Sevilla. Die Chancen, noch Überlebende unter den Trümmern zu finden, schwänden von Stunde zu Stunde. Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen nahmen nach eigenen Angaben Kontakt zu den marokkanischen Behörden auf, um Teams in das Katastrophengebiet zu entsenden.

Über 1.000 Tote nach Erdbeben

Das verheerende Erdbeben in Marokko in der Nacht auf Samstag hat mehr als 1.000 Menschenleben gefordert. Die Zahl der Toten war im Laufe des Tages stark angestiegen, Behörden gingen zuletzt von einem weiteren Anstieg aus. Unter großen Anstrengungen wird nach Überlebenden gesucht. Das Ausmaß der Schäden ist enorm.

Bereits Samstagfrüh bot EU-Ratspräsident Charles Michel im Namen der EU Hilfe an. Aus vielen europäischen Ländern, darunter Italien, Frankreich, Spanien und Großbritannien, kamen Solidaritätsbekundungen und das Angebot, Unterstützung zu leisten. Marokko rief Samstagabend eine dreitägige Staatstrauer aus. Laut der Erklärung, die von der staatlichen Nachrichtenagentur MAP verbreitet wurde, hatte König Mohammed VI. zuvor eine Krisensitzung geleitet.

„Österreich wird jederzeit helfen“

Für Österreich drückte Samstagabend Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Angehörigen der Bebenopfer sein Beileid aus. „Gemeinsam mit vielen anderen Staaten ist auch Österreich solidarisch und wird jede mögliche Unterstützung bieten“, versprach der Präsident auf Twitter (X). Zuvor hatten bereits Bundeskanzler Karl Nehammer, Innenminister Gerhard Karner sowie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (alle ÖVP) in einem gemeinsamen Statement ihre Betroffenheit über das Beben zum Ausdruck gebracht und Hilfe angeboten.

„Österreich wird jederzeit helfen, wo in den Katastrophengebieten Marokkos Hilfe benötigt wird“, wurde Nehammer zitiert. „Innen- und Verteidigungsministerium treffen derzeit alle Vorkehrungen, um zu unterstützen, sobald eine entsprechende Anforderung kommt“, so Nehammer.

Vom Erdbeben zerstörte Häuser in Moulay Brahim (Marokko)
APA/AFP/Fadel Senna
Viele Häuser hielten dem Beben nicht stand

Informationen über Betroffene aus Österreich lägen derzeit nicht vor, teilte das Außenministerium mit. Aktuell seien rund 60 Personen reiseregistriert, hieß es. Ein Mitarbeiter der österreichischen Botschaft in Rabat habe sich auf dem Weg in das besonders betroffene Krisengebiet Marrakesch gemacht.

Laut Ministerium befinden sich aktuell rund 215 Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher in Marokko. „Sie wurden noch in der Nacht per SMS und E-Mail kontaktiert und werden aktuell von der Botschaft durchgerufen“, sagte eine Sprecherin.

In diesem Zusammenhang verwies das Ministerium auch auf den Bereitschaftsdienst (+43 1 90115 4411), der rund um die Uhr erreichbar sei. Der Flughafen in Marrakesch funktioniere derzeit normal, und es gebe genügend Flüge, um zurück nach Österreich zu kommen, teilte das Außenministerium mit.

Bundesheer hält sich bereit

Laut Verteidigungsministerin Tanner steht das Katastrophenhilfeelement des Bundesheeres, die Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU), jederzeit für einen Hilfseinsatz in Marokko bereit. Zuletzt stand ein AFDRU-Kontingent des Bundesheeres nach dem verheerenden Beben im Süden der Türkei Anfang Februar im Einsatz.

Eine Grafik zeigt das Epizentrum des Erdbebens in Marokko
Grafik: APA/ORF; Quelle: USGS

Rund ein halbes Jahr später kam nun auch aus der Türkei das Angebot für Hilfe. „Wir stehen unseren marokkanischen Geschwistern an diesem schweren Tag mit allen Mitteln zur Seite“, schrieb Erdogan am Samstag auf Twitter (X). Israel kündigte ebenfalls an, humanitäre Hilfe zu leisten und Suchtrupps zu schicken. Alle Ministerien seien angewiesen worden, die Entsendung einer Hilfsdelegation vorzubereiten, meldeten israelische Medien unter Berufung auf das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Algerien will Luftraum zu Marokko wieder öffnen

Trotz diplomatischer Spannungen bot Algerien seinem Nachbarland an, den Luftraum wieder zu öffnen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur APS berichtete, brachten die algerischen Behörden „ihre volle Bereitschaft zum Ausdruck, humanitäre Hilfe zu leisten“. So soll der Luftraum für Flüge von Verwundeten und Verletzten und zum Transport humanitärer Hilfe „im Falle einer Anfrage des Königreichs Marokkos“ wieder geöffnet werden.

ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary über das Erdbeben

Algerien und Marokko unterhalten seit August 2021 keine diplomatischen Beziehungen mehr. Grund seien „feindliche Aktionen von Rabat“, hieß es damals. In dem Streit ging es um Gebiete in der Westsahara. Algerien hatte in dem Zusammenhang den Luftraum für alle marokkanischen Flugzeuge gesperrt. Die Grenze ist seit Langem geschlossen.

Guterres „tieftraurig“

Zuvor hatte sich auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bestürzt gezeigt. Der Generalsekretär sei „tieftraurig“, teilte ein Sprecher mit. Er spreche der Regierung und dem Volk Marokkos seine Solidarität in diesen schweren Zeiten und den Familien der Opfer sein Beileid aus.

US-Präsident Joe Biden hat sich ebenfalls „tieftraurig“ über den Verlust von Menschenleben und die Zerstörungen durch das Erdbeben in Marokko geäußert. „Unsere Gedanken und Gebete sind bei all denen, die von diesem schrecklichen Elend betroffen sind“, heißt es in einer Mitteilung des Weißen Hauses vom Samstag. Aus Russland und dem Iran kamen ebenfalls Hilfsangebote.

Papst bekundet Beileid

Papst Franziskus bekundete den Hinterbliebenen sein Beileid. In einem Kondolenzschreiben, das am Samstag in Rom vom Vatikan veröffentlicht wurde, äußerte das Oberhaupt der katholischen Kirche tiefe Trauer. Franziskus schrieb, er bete für die Verstorbenen und die Verletzten sowie diejenigen, „die um den Verlust ihrer Lieben und ihrer Häuser trauern“.

Aufruf zu Spenden

Das Rote Kreuz rief am Samstag zu Spenden auf. „Das ganze Ausmaß der Katastrophe wird erst in den nächsten Stunden und Tagen klar sichtbar werden. Erste Hilfsmaßnahmen laufen bereits. Der Marokkanische Rote Halbmond unterstützt vor allem mit Erster Hilfe, psychosozialer Unterstützung und mit Evakuierungs- und Transportunterstützung der Behörden“, wurde Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer in einer Aussendung zitiert.

Bewohner von Moulay Brahim (Marokko) sitzen nach dem Erdbeben auf der Straße
AP/Mosa’ab Elshamy
Viele Menschen verloren durch das Beben ihre Häuser

Spendenaufrufe kamen ebenfalls von den beiden NGOs Care Österreich und Jugend Eine Welt. „Die humanitäre Situation verschlechtert sich zunehmend. Die Familien benötigen nun am dringendsten Wasser, Nahrung, Hygieneartikel, Gesundheitsversorgung und eine sichere Unterkunft“, sagte Care-Geschäftsführerin Andrea Barschdorf-Hager.

Menschen in Panik

Laut Augenzeugenberichten löste das Erdbeben in Marrakesch, Agadir und anderen Städten bei Bewohnern Panik aus. Wie die Zeitung „Le Matin“ berichtete, war das Beben auch in Rabat und Casablanca zu spüren. Bilder und Videos aus sozialen Netzwerken zeigen zerstörte Gebäude in Städten und auf den Straßen sitzende Menschen.

Auch Teile des UNESCO-Welterbes in der Altstadt von Marrakesch wurden beschädigt. Der Regionalleiter des marokkanischen Kulturministeriums, Hassan Hernan, bestätigte der dpa, dass die Gebäude der Medina von Marrakesch teilweise beschädigt worden seien. Einige der historischen Gebäude wiesen Risse auf. „Das Bild wird erst in 48 Stunden vollständig sein, aber sicher ist, dass der Schaden an wichtigen historischen Stätten in der Altstadt bisher gering ist“, sagte Hernan.

Nach dem Erdbeben beschädigte Moschee in Moulay Brahim (Marokko)
AP/Mosa’ab Elshamy
In Gebieten vom Atlasgebirge bis zur Altstadt von Marrakesch wurden Gebäude teils völlig zerstört und berühmte Kulturdenkmäler beschädigt

Die Medina – die Altstadt –, die für ihre engen Gassen und vielen Händler bekannt ist, ist normalerweise ein beliebtes Ziel von Touristen. Nach dem Beben soll sie voller Trümmer gewesen sein. Aufnahmen im marokkanischen Fernsehen zeigten außerdem große Risse und eingestürzte Teile in einem Abschnitt der mittelalterlichen Stadtmauer.

Erdbeben in Nordafrika relativ selten

Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, sagte, dass die Nachbeben weniger stark seien. Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte er der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Das Beben war Berichten zufolge auch in Portugal und Algerien zu spüren.

Es sei das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert worden sei. Erdbeben in Nordafrika sind relativ selten. 1960 hatte sich laut dem Sender al-Arabija in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben kamen.