G20-Gipfel in Indien
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G-20-Gipfel

Zufriedenheit in Indien, Kritik aus Kiew

Die führenden Industrie- und Schwellenländer haben am Sonntag ihre Beratungen auf dem G-20-Gipfel in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi fortgesetzt. Bereits am Vortag war der Entwurf der Abschlusserklärung präsentiert worden – insbesondere die Passagen zum russischen Krieg gegen die Ukraine sind äußerst vage und nennen den Verantwortlichen nicht mehr beim Namen. Russland und auch der Westen sind zufrieden, aus Kiew kommt Kritik.

Bereits am Samstag hatte die Staatengruppe der führenden Wirtschaftsmächte etwas erreicht, woran im Vorfeld viele nicht geglaubt hätten: eine Gipfelerklärung aller 20 Mitglieder, darunter die USA, Deutschland, Japan und Frankreich – aber eben auch China und Russland, deren höchste Vertreter abwesend waren. Doch was eben am Ende stand, sind Allgemeinplätze, mit der alle Beteiligten leben können, wie es die Unterhändler zum Ausdruck brachten.

Es kam zu einer Einigung, bei der der eigentliche Konflikt kaum tangiert wird. Im Text wird direkte Kritik an Moskaus Einmarsch in der Ukraine vermieden. Zwar wurden die durch den Krieg verursachten Probleme angedeutet, Moskau wird aber nicht ausdrücklich als Verantwortlicher benannt. Entsprechend enthält die Erklärung ein Bekenntnis zur „territorialen Integrität“ aller Staaten, also ganz allgemein zur Unverletzbarkeit von Grenzen.

G20-Gipfel in Indien
Reuters/Evelyn Hockstein
Delegationen der G-20 auf dem Gipfel in Neu-Delhi

Beim letzten Gipfel auf der indonesischen Insel Bali wurde der russische Angriffskrieg noch in der Erklärung von „den meisten“ Staaten klar verurteilt. Russland stimmte auf Druck Chinas zu, der für den daheimgebliebenen Kreml-Chef Wladimir Putin verhandelnde Außenminister Sergej Lawrow reiste bereits am ersten Gipfeltag vorzeitig ab. Die G-20 habe Russland mit Hilfe Chinas isoliert, jubelte damals der Westen.

„Lösungen“ und „deutliche Worte“

Und jetzt? Laut US-Präsident Joe Biden habe der diesjährige Gipfel gezeigt, dass die G-20 immer noch „Lösungen für die drängendsten globalen Probleme“ finden könne, wie er via Twitter (X) mitteilte. Die Erklärung sei „ein großer Schritt nach vorn“, etwa mit Blick auf die Souveränität und territoriale Integrität von Staaten, sagte der stellvertretende nationale Sicherheitsberater der USA, Jon Finer.

Der britische Premierminister Rishi Sunak sagte, die gemeinsame Erklärung enthalte „sehr deutliche Worte“ über den Krieg in der Ukraine. „Was Sie im Kommunique sehen werden, sind deutliche Worte, die die Auswirkungen des Krieges auf die Lebensmittelpreise und die Lebensmittelsicherheit hervorheben“, sagte Sunak.

Und der deutsche Kanzler Olaf Scholz sprach gar von einem „Gipfel der Entscheidungen“. Im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine sagte Scholz, die G-20 habe ein „klares Bekenntnis“ abgegeben, dass die territoriale Integrität der Ukraine „außer Frage steht“. Zudem hätten sich die Staaten klar gegen den Einsatz von Nuklearwaffen positioniert.

„Nichts, worauf G-20 stolz sein kann“

Ganz anders sah das Kiew: „Die G-20 hat nichts, worauf sie stolz sein kann“, teilte der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Oleg Nikolenko, am via Twitter mit. Er veröffentlichte rot markierte Korrekturen in dem Dokument, wie sie aus Sicht der Ukraine aussehen sollten. So sollte laut Nikolenko nicht von einem „Krieg in der Ukraine“ die Rede sein, sondern klar von „Russlands Aggressionskrieg gegen die Ukraine“.

Zudem hätten die G-20-Staaten den Krieg einhellig verurteilen und Moskau aufrufen müssen, die Invasion umgehend zu beenden. Die Ukraine war von Indien nicht eingeladen worden. Im vergangenen Jahr hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj noch per Video von Kiew aus die Tagesordnung auf Bali geprägt. Den heurigen Gipfel konnte Russland als Erfolg verbuchen. Die russische Unterhändlerin Swetlana Lukasch sprach von einem „ausgewogenen“ Ergebnis.

Lawrow spricht von Erfolg

Russlands Außenminister Lawrow sprach von einem diplomatischen „Erfolg“. Moskau habe „die Versuche des Westens, die Themensetzung des Gipfels zu ‚ukrainisieren‘“, verhindern können, sagte Lawrow am Sonntag zum Abschluss Treffens. In der gemeinsamen Abschlusserklärung der Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer werde Russland „überhaupt nicht erwähnt“, betonte der Minister.

G-20-Gipfel: Einigung verkündet

Die Staats- und Regierungschefs der Gruppe wichtiger Industrie- und Schwellenländer (G-20) haben sich auf eine Abschlusserklärung geeinigt. „Dank der harten Arbeit aller Teams haben wir einen Konsens über die G-20-Gipfelerklärung erzielt“, sagte Modi. Dabei wurde auf eine ausdrückliche Verurteilung des russischen Krieges gegen die Ukraine verzichtet.

Kiew: Lawrow „Promoter“ des Krieges

Gleichzeitig warf die Ukraine Lawrow Kriegspropaganda vor. Nachdem Putin nicht zum Treffen ins indische Neu-Delhi gereist sei, rechtfertige und fördere Lawrow dort die Invasion, beklagte Mychailo Podoljak, Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, im Fernsehsender Freedom. „Er ist ein Promoter des Krieges in der Ukraine“, so Podoljak. Es brauche mehr internationale Haftbefehle wegen Kriegsverbrechen wie gegen Putin, um solche Auftritte von „Subjekten wie Lawrow“ zu verhindern.

So oder so: Am Kriegsgeschehen in der Ukraine ändern die Formulierungen in der Erklärung von Neu-Delhi ohnehin nichts. Wie dieser Krieg beendet werden kann, wurde auf dem G-20-Gipfel nicht besprochen.