Mann trägt Kleinkind aus den Trümmern
APA/AFP/Fadel Senna
Verheerendes Beben

Spanien schickt erste Helfer nach Marokko

Nach dem verheerenden Beben in Marokko mit mindestens 2.000 Toten suchen Rettungsteams weiter nach Überlebenden. Inzwischen sind auch die ersten Einsatzkräfte aus dem Ausland in Marokko eingetroffen. Ein Spezialteam aus Spanien soll die Einsatzkräfte im Land unterstützen. Diese führen einen Wettlauf gegen die Zeit. Erst Sonntagvormittag wurde das Land von einem Nachbeben erschüttert.

Bei dem ersten Beben in der Nacht auf Samstag kamen nach derzeitigen offiziellen Zahlen mindestens 2.012 Menschen ums Leben. Zumindest 2.059 wurden verletzt – mehr als die Hälfte von ihnen soll sich in einem kritischen Zustand befinden. Hunderte Menschen werden überdies noch vermisst, wie unter anderem der arabischsprachige Nachrichtensender al-Arabija berichtete. Zudem besteht weiter die Gefahr von Nachbeben. Ein solches erschütterte Sonntagvormittag mit einer Stärke von 3,9 das Land.

Das eigentliche Hauptbeben hatte sich in der Nacht auf Samstag mit einer Stärke von 6,8 ereignet. Es hatte sein Epizentrum im Atlas-Gebirge rund 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch. Zwar ist die gebirgige Gegend nur dünn besiedelt, doch die Lage in den Bergen erschwert den Rettungskräften das Vordringen. Umso mehr, als viele Straßen durch das Beben schwer beschädigt sein dürften. Besonders die Lage in den ländlichen Regionen ist noch vielfach unklar.

Suchmanschaft des Militärs in Marokko
APA/AFP/Fadel Senna
Auch am Sonntag ging die Suche nach Überlebenden in den Trümmern weiter

„Einige der am schlimmsten betroffenen Gebiete sind recht abgelegen und bergig und daher schwer zu erreichen“, teilte die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) mit. Nach wie vor stehe die Suche und Rettung von Verschütteten im Fokus der Helfer. Wobei das Zeitfenster für erfolgreiche Lebendrettungen zunehmend kleiner werde, hieß es am Sonntag von Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, in einer Aussendung. Auch andere NGOs sind bereits in Marokko im Einsatz, darunter Ärzte ohne Grenzen, wie die Organisation am Sonntag mitteilte.

Spanien: „So viel Hilfe, wie Marokko braucht“

Als erstes Land entsandte Spanien am Sonntag eine Spezialeinheit Militärs in das nordafrikanische Land. 56 Mitglieder der Militärischen Nothilfeeinheit (UME) hätten in Saragossa zusammen mit vier Suchhunden eine Transportmaschine vom Typ A400 bestiegen, teilte das Verteidigungsministerium auf Twitter (X) mit. Mitglieder der Feuerwehr ohne Grenzen aus Spanien waren am Sonntag bereits in Marokko auf dem Landweg unterwegs in das besonders betroffene Gebiet. Auch andere Berufsfeuerwehren vor allem aus dem Süden Spaniens entsandten Helfer in das Katastrophengebiet.

El-Gawhary (ORF) zum Beben in Marokko

ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary berichtet aus Marakkesch über das verheerende Erdbeben.

Spaniens Außenminister Jose Manuel Albares sagte am Sonntag im spanischen Radio, dass ihn sein marokkanischer Amtskollege in einem Telefonat um Hilfe gebeten habe. Albares kündigte „so viel Hilfe“ an, „wie Marokko braucht“. Als Erstes würden Such- und Rettungsmannschaften mobilisiert, „weil es dringlich ist, so viele Menschen wie möglich lebend zu finden und zu retten“. Sobald die Zeit des Wiederaufbaus gekommen sei, werde Spanien auch hier dabei sein, versicherte Albares.

Spanische Hilfsmanschft beim Abflug
AP/Spanish Defence Ministry,
Spanien schickt als erstes Land Helfer nach Marokko

Auch in anderen Ländern stehen Helferinnen und Helfer für den Einsatz bereit. Sie warten allerdings weiterhin auf ein offizielles Hilfsgesuch aus Marokko. So hofft etwa das Technische Hilfswerk (THW) in Deutschland auf eine rasche Entscheidung über einen möglichen Rettungseinsatz im Katastrophengebiet. Dem THW liege aber immer noch kein Hilfeersuchen Marokkos vor, sagte ein Sprecher am Sonntag der dpa. „Deshalb können wir nicht tätig werden.“

Erdbeben in Marokko: Mehr als 2.000 Tote

Die Menschen in Marokkos Katastrophengebieten haben die zweite Nacht nach dem Erdbeben angesichts persönlicher Verluste und der Trauer über die Todesopfer des Bebens in Sorge verbracht. Viele übernachteten aus Angst im Freien, in Marrakesch waren Plätze mit Menschen gefüllt, die sich in Decken hüllten. Mittlerweile wurden offiziell über 2.000 Todesopfer gemeldet. Doch es werden noch mehr Tote befürchtet, auch weil manche besonders stark betroffene Gebiete nach dem Beben nur schwer erreichbar sind.

In Österreich sei bisher ebenfalls noch kein Hilfsersuchen aus Marokko eingetroffen, hieß es am Sonntag aus dem Außenministerium. Die Bundesregierung betonte am Samstag, dass man jederzeit bereit sei zu helfen. „Innen- und Verteidigungsministerium treffen derzeit alle Vorkehrungen, um zu unterstützen, sobald eine entsprechende Anforderung kommt“, so der Bundeskanzler in einer Mitteilung am Samstag.

Eine Grafik zeigt das Epizentrum des Erdbebens in Marokko
Grafik: APA/ORF; Quelle: USGS

Rotes Kreuz: Spenden beste Unterstützung

Laut Rotkreuz-Generalsekretär Opriesnig meldeten sich auch „sehr viele Menschen aus Österreich und Deutschland“ bei den Rettungsorganisationen „und wollen helfen. Allerdings raten wir momentan davon ab, ins betroffene Gebiet zu reisen“, sagte er. „Die Gefahr ist zu groß, und Menschen von außen, die untergebracht und verköstigt werden müssen, stellen eine zusätzliche Belastung für Hilfsorganisationen dar.“

Zerstörung nach Erdbeben in Marokko
Reuters/Abdelhak Balhaki
Von vielen Gebäuden blieben nur Schutt und Trümmer übrig

Finanzielle Unterstützungen an professionelle NGOs und lokale Initiativen würden die Betroffenen in Marokko am besten unterstützen, hieß es. Erneute Spendenaufrufe kamen am Sonntag auch von der Caritas, der Diakonie sowie dem Hilfswerk. Am Samstag hatten bereits die NGOs Care Österreich und Jugend Eine Welt ihre Spendenaufrufe gestartet.

Weiter keine Infos über verletzte Österreicher

Laut dem österreichischen Außenministerium halten sich in dem nordafrikanischen Land (Stand Sonntagvormittag) aktuell rund 70 Personen aus Österreich auf. „Wir haben glücklicherweise weiterhin keine Infos dazu, dass jemand von ihnen verletzt wurde“, sagte eine Sprecherin.

Das Außenministerium sei in ständigem Kontakt mit den Österreicherinnen und Österreichern, hieß es. Man leiste Unterstützung bei der Suche nach Transportmöglichkeiten sowie bei Fragen rund um die Sicherheit in Marokko. Das Ministerium verwies auch auf den Bereitschaftsdienst (+43 1 90115 4411), der rund um die Uhr erreichbar sei.

Menschen verbrachten zweite Nacht im Freien

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind mehr als 300.000 Menschen in Marrakesch und umliegenden Gebieten vom Erdbeben betroffen. Die Menschen in den betroffenen Gebieten verbrachten die zweite Nacht in Unsicherheit und Trauer. Viele übernachteten auch in der Nacht auf Sonntag aus Angst im Freien, in Marrakesch waren Plätze mit Menschen gefüllt, die sich in Decken hüllten.

Menschen übernachten in einem Park
Reuters/Nacho Doce
Viele Menschen übernachteten im Menara-Garten, einem öffentlichen Park in Marrakesch

Auch Teile des UNESCO-Welterbes in der Altstadt von Marrakesch wurden beschädigt. Der Regionalleiter des marokkanischen Kulturministeriums, Hassan Hernan, bestätigte, dass die Gebäude der Medina von Marrakesch teilweise beschädigt worden seien. Einige der historischen Gebäude wiesen Risse auf. „Das Bild wird erst in 48 Stunden vollständig sein, aber sicher ist, dass der Schaden an wichtigen historischen Stätten in der Altstadt bisher gering ist“, sagte Hernan.

Die Medina – die Altstadt –, die für ihre engen Gassen und vielen Händler bekannt ist, ist normalerweise ein beliebtes Ziel von Touristen. Nach dem Beben soll sie voller Trümmer gewesen sein. Aufnahmen im marokkanischen Fernsehen zeigten außerdem große Risse und eingestürzte Teile in einem Abschnitt der mittelalterlichen Stadtmauer.

Erdbeben in Nordafrika relativ selten

Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, sagte, das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen. Das Beben war Berichten zufolge auch in Portugal und Algerien zu spüren. Es sei das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert worden sei. Erdbeben in Nordafrika sind relativ selten. 1960 hatte sich laut dem Sender al-Arabija in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben kamen.