Rettungskräfte in Amizmiz (Marokko) in den Trümmern eines Gebäudes
Reuters/Nacho Doce
Beben in Marokko

Zeitfenster für Suche schließt sich

Nach dem starken Beben in Marokko in der Nacht auf Samstag geht die Suche nach Überlebenden weiter. Doch viel Zeit bleibt den Helferinnen und Helfern bei ihren Suchanstrengungen nicht mehr. Das Zeitfenster, in dem Menschen mit großer Wahrscheinlichkeit lebend unter den Trümmern gefunden würden, sei bereits fast geschlossen, hieß es am Sonntag. Nach offiziellen Angaben kamen mindestens 2.122 Menschen bei dem Beben ums Leben.

Seit Samstag arbeiten Hilfsorganisationen und NGOs ununterbrochen daran. Zum einen versorgen sie die von dem Erdbeben Betroffenen, zum anderen sind Rettungsmannschaften auf der Suche nach weiteren Überlebenden. „Der Marokkanische Rote Halbmond (MRH) ist mit seinen über 8.000 freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seit gestern in den frühen Morgenstunden im Dauereinsatz“, hieß es am Sonntag in einer Aussendung von Michael Opriesnig, dem Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes.

Inzwischen sind neben Teams internationaler Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen auch eine Spezialeinheit des spanischen Militärs in dem nordafrikanische Land im Einsatz. Mitglieder der Feuerwehr ohne Grenzen aus Spanien waren am Sonntag bereits in Marokko auf dem Landweg unterwegs in das besonders betroffene Gebiet. Auch andere Berufsfeuerwehren vor allem aus dem Süden Spaniens entsandten Helfer in das Katastrophengebiet.

Rettungskräfte in Amizmiz (Marokko) in den Trümmern eines Gebäudes
Reuters/Nacho Doce
Seit Samstag sind die Rettungskräfte im Land im Einsatz

Nach wie vor stehen laut dem Roten Kreuz die Suche nach und die Rettung von Verschütteten im Fokus der Hilfskräfte. In den abgelegenen Bergdörfern des nordafrikanischen Landes gruben sich die Einsatzkräfte teils mit schwerem Gerät durch Trümmer eingestürzter Häuser. Allerdings wird das Zeitfenster für eine erfolgreiche Lebendrettung zunehmend kleiner. Bei der Suche nach Verschütteten in Folge eines Erdbebens gelten die ersten 48 bis 72 Stunden als entscheidend.

Erste Teams im Ausland wieder zurückgerufen

Aus diesem Grund beriefen erste Hilfsorganisationen im Ausland ihre in Akutbereitschaft stehenden Teams wieder zurück. Auch das deutsche Technische Hilfswerk (THW) schickte seine für einen möglichen Rettungseinsatz in Marokko nahe dem Flughafen Köln/Bonn bereits versammelten Helferinnen und Helfer vorerst wieder nach Hause. Da bisher kein internationales Hilfeersuchen von Marokko eingegangen sei, würden die THW-Kräfte an ihre Standorte zurückkehren, teilte das THW am Sonntagnachmittag mit. Das Team bleibe aber einsatzbereit, unterstrich das THW zugleich.

El-Gawhary (ORF) zum Beben in Marokko

ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary berichtet aus Marakkesch über das verheerende Erdbeben.

Auch in Österreich sei bisher noch kein Hilfsersuchen aus Marokko eingetroffen, hieß es am Sonntag aus dem Außenministerium. Die Bundesregierung hatte am Samstag betont, dass man jederzeit bereit sei zu helfen. Gleiches war aus vielen anderen europäischen Ländern zu hören.

Trotz diplomatischer Spannungen kündigte Algerien an, Rettungsteams in das Nachbarland zu senden. Dem offiziellen Sprecher des algerischen Außenministeriums zufolge bietet Algerien einen Notfallplan zur Unterstützung Marokkos an, „sofern das Königreich diese Hilfe annimmt“, berichteten verschiedene algerische Nachrichtenseiten. Das Team bestehe aus 80 spezialisierten Rettungskräften. Außerdem sollten Zelte und Matratzen entsandt werden.

Noch mit Bestandsaufnahme beschäftigt

Für die Hilfsteams in Marokko stellt vor allem auch die geografische Situation eine Herausforderung dar. Das Beben mit einer Stärke von 6,8 hatte sein Epizentrum im Atlas-Gebirge rund 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch. Zwar ist die gebirgige Gegend nur dünn besiedelt, doch die Lage in den Bergen erschwert den Rettungskräften das Vordringen. Umso mehr, als viele Straßen durch das Beben schwer beschädigt sein dürften.

Eine Grafik zeigt das Epizentrum des Erdbebens in Marokko
Grafik: APA/ORF; Quelle: USGS

Auch am Sonntag waren die Einsatzkräfte vielfach noch damit beschäftigt, Zufahrtswege freizuräumen und überhaupt eine Bestandsaufnahme in den betroffenen Gebieten vorzunehmen. „Einige der am schlimmsten betroffenen Gebiete sind recht abgelegen und bergig und daher schwer zu erreichen“, hieß es etwa von der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC). Hunderte von Menschen galten am Sonntag noch als vermisst, berichtete der arabischsprachige Nachrichtensender al-Arabija.

Freiwillige suchen in Tafeghaghte (Marokko) nach Überlebenden des Erdbebens
APA/AFP/Fadel Senna
In manchen Ortschaften blieben von den Häusern nur noch Trümmerhaufen übrig

Nachbeben am Sonntagvormittag

Viele Überlebende des Bebens hatten am Sonntag Mühe, Lebensmittel und Wasser zu finden. Viele hatten bereits die zweite Nacht in Folge im Freien verbracht – zum Teil, weil ihre Häuser zerstört waren, zum Teil aus Sorge vor weiteren Beben. In Marrakesch waren Plätze mit Menschen gefüllt, die sich in Decken hüllten. Tatsächlich erschütterte dann am Sonntagvormittag ein Nachbeben mit einer Stärke von 3,9 das Land. Ob dieses ohnehin schon beschädigte Gebäude und Infrastruktur noch weiter in Mitleidenschaft zog, ist noch unklar.

Menschen übernachten in einem Park
Reuters/Nacho Doce
Viele Menschen übernachteten im Menara-Garten, einem öffentlichen Park in Marrakesch

Tatsächlich dürfte aber bereist das Hauptbeben vor allem in den Bergdörfern nahe dem Epizentrum teils eine verheerende Zerstörung angerichtet haben. Erst am Sonntag berichteten lokale marokkanische Medien, dass ein kleines Bergdorf in der Provinz Chichaoua nahezu vollständig zerstört wurde, 65 Leichen seien geborgen und ein Massengrab eingerichtet worden, hieß es.

Weiter keine Infos über verletzte Österreicher

Laut dem österreichischen Außenministerium halten sich in dem nordafrikanischen Land (Stand Sonntagvormittag) aktuell rund 70 Personen aus Österreich auf. „Wir haben glücklicherweise weiterhin keine Infos dazu, dass jemand von ihnen verletzt wurde“, sagte eine Sprecherin.

Das Außenministerium sei in ständigem Kontakt mit den Österreicherinnen und Österreichern, hieß es. Man leiste Unterstützung bei der Suche nach Transportmöglichkeiten sowie bei Fragen rund um die Sicherheit in Marokko. Das Ministerium verwies auch auf den Bereitschaftsdienst (+43 1 90115 4411), der rund um die Uhr erreichbar sei.

Rotes Kreuz: Spenden beste Unterstützung

Laut Rotkreuz-Generalsekretär Opriesnig meldeten sich auch „sehr viele Menschen aus Österreich und Deutschland“ bei den Rettungsorganisationen „und wollen helfen. Allerdings raten wir momentan davon ab, ins betroffene Gebiet zu reisen“, sagte er. „Die Gefahr ist zu groß, und Menschen von außen, die untergebracht und verköstigt werden müssen, stellen eine zusätzliche Belastung für Hilfsorganisationen dar.“

Trauernde Frauen in Tafeghaghte (Marokko) zwischen Trümmern
APA/AFP/Fadel Senna
Tausende Menschen verloren durch das Beben ihre Häuser

Finanzielle Unterstützungen an professionelle NGOs und lokale Initiativen würden die Betroffenen in Marokko am besten unterstützen, hieß es. Erneute Spendenaufrufe kamen am Sonntag auch von der Caritas, der Diakonie sowie dem Hilfswerk. Am Samstag hatten bereits die NGOs Care Österreich und Jugend Eine Welt ihre Spendenaufrufe gestartet.