Nach Einschätzungen von Hilfsorganisationen sind die Kapazitäten der Helfer und Helferinnen nahezu erschöpft. Die Teams arbeiteten seit Freitagnacht, sie hätten keine Energie mehr, um weiterzuarbeiten, sagte der Direktor für den Nahen Osten der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften (IFRC), Hossam Elsharkawi, dem arabischen Nachrichtensender al-Arabija. Noch immer sei das Ausmaß der Katastrophe nicht endgültig klar.
„Wir sprechen von mehr als 300.000 Bürgern, die Wohnraum, Nahrung, Wasser, Gesundheitsversorgung, Decken und Medikamente benötigen“, sagte Elsharkawi. Nach dem schweren Erdbeben wüchsen die Bedürfnisse jeglicher Art stündlich weiter. „Noch sind nicht alle betroffenen Dörfer erreicht. Wir hören von vielen Dörfern in den Bergen, die völlig ausgelöscht wurden“, so der IFRC-Regionaldirektor.
Bedarf an Rettungsteams hoch
Der Bedarf an Rettungsteams sei daher noch immer hoch. Marokko hat bisher aber nur Hilfsangebote von vier Ländern angenommen. Wie das Innenministerium in Rabat mitteilte, lässt Marokko nur Rettungsteams aus Spanien, Großbritannien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten ins Land.
Das Ministerium bedankte sich zwar bei allen Ländern, die ebenfalls ihre Hilfe angeboten hatten, betonte jedoch, dass Marokko den Entsendungen aus den vier Ländern erst zugestimmt habe, „nachdem es eine sorgfältige Bewertung des Bedarfs vor Ort vorgenommen“ und eine gut Koordination sichergestellt hatte.
Spanien entsandte nach ein Flugzeug mit 56 Rettungshelfern und vier Spürhunden nach Marokko. Die Spezialisten gehören zur militärischen Notfalleinheit UME, die bereits nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei im Einsatz war. Aus Frankreich traf ein Team von freiwilligen Feuerwehrleuten ein.
Deutschland drehte wieder um
Das Nachbarland Algerien, das vor zwei Jahren die diplomatischen Beziehungen zu Marokko abgebrochen hatte, sprach dem marokkanischen Volk sein „aufrichtiges Beileid“ aus und kündigte die Öffnung seines Luftraums für Hilfsflüge nach Marokko an. Auch Israel, das erst seit 2020 diplomatische Beziehungen zu Marokko unterhält, bot die Entsendung von Rettungstrupps an.
Deutsche Organisationen, wie das Technische Hilfswerk (THW), schickten ihre bereitgestellten Mitarbeiter hingegen wieder nach Hause. Vonseiten der marokkanischen Regierung sei kein Hilfeersuchen eingegangen, hieß es. Seit Samstag waren Einsatzkräfte für einen möglichen Einsatz bereitgestanden, wie das THW am Sonntag mitteilte. Zuvor hatten bereits die Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany und der Bundesverband Rettungshunde mitgeteilt, dass sie nicht mehr mit einem Rettungseinsatz in Marokko rechneten.
Erdbeben in Marokko: Mehr als 2.100 Tote
Nach dem verheerenden Erdbeben in Marokko werden mehr als 2.100 Todesopfer gezählt. Diese Zahl dürfte weiter steigen. Denn Hunderte Menschen werden noch vermisst. Nachbeben erschweren die Rettungsarbeiten. Und immer noch ist es laut Hilfsorganisationen nicht möglich, einige der am schlimmsten betroffenen Gebiete in den Bergen zu erreichen.
Auch in Österreich sei bisher noch kein Hilfsersuchen aus Marokko eingetroffen, hieß es am Sonntag aus dem Außenministerium. Die Bundesregierung hatte am Samstag betont, dass man jederzeit bereit sei zu helfen. Gleiches war aus vielen anderen europäischen Ländern zu hören.
Zeitfenster für Überlebende wird kleiner
Die Suche nach Überlebenden geht indes weiter. Doch viel Zeit bleibt den Helferinnen und Helfern bei ihren Suchanstrengungen nicht mehr. Das Zeitfenster, in dem Menschen mit großer Wahrscheinlichkeit lebend unter den Trümmern gefunden würden, sei bereits fast geschlossen, hieß es am Sonntag. Nach offiziellen Angaben kamen mindestens 2.122 Menschen bei dem Beben, das sich in der Nacht auf Samstag ereignete, ums Leben.
Hilfsorganisationen und NGOs versorgen die von dem Erdbeben Betroffenen, zum anderen sind Rettungsmannschaften auf der Suche nach weiteren Überlebenden. „Der Marokkanische Rote Halbmond (MRH) ist mit seinen über 8.000 freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seit gestern in den frühen Morgenstunden im Dauereinsatz“, hieß es in einer Aussendung von Michael Opriesnig, dem Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes.
Nach wie vor stehen laut dem Roten Kreuz die Suche nach und die Rettung von Verschütteten im Fokus der Hilfskräfte. In den abgelegenen Bergdörfern des nordafrikanischen Landes gruben sich die Einsatzkräfte teils mit schwerem Gerät durch Trümmer eingestürzter Häuser. Bei der Suche nach Verschütteten in Folge eines Erdbebens gelten die ersten 48 bis 72 Stunden als entscheidend.
Noch mit Bestandsaufnahme beschäftigt
Für die Hilfsteams in Marokko stellt vor allem auch die geografische Situation eine Herausforderung dar. Das Beben mit einer Stärke von 6,8 hatte sein Epizentrum im Atlas-Gebirge rund 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch. Zwar ist die gebirgige Gegend nur dünn besiedelt, doch die Lage in den Bergen erschwert den Rettungskräften das Vordringen. Umso mehr, als viele Straßen durch das Beben schwer beschädigt sein dürften.
Auch am Sonntag waren die Einsatzkräfte vielfach noch damit beschäftigt, Zufahrtswege freizuräumen und überhaupt eine Bestandsaufnahme in den betroffenen Gebieten vorzunehmen. „Einige der am schlimmsten betroffenen Gebiete sind recht abgelegen und bergig und daher schwer zu erreichen“, hieß es etwa von der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC).
Weiter keine Infos über verletzte Österreicher
Laut dem österreichischen Außenministerium halten sich in dem nordafrikanischen Land (Stand Sonntagvormittag) aktuell rund 70 Personen aus Österreich auf. „Wir haben glücklicherweise weiterhin keine Infos dazu, dass jemand von ihnen verletzt wurde“, sagte eine Sprecherin.
Das Außenministerium sei in ständigem Kontakt mit den Österreicherinnen und Österreichern, hieß es. Man leiste Unterstützung bei der Suche nach Transportmöglichkeiten sowie bei Fragen rund um die Sicherheit in Marokko. Das Ministerium verwies auch auf den Bereitschaftsdienst (+43 1 90115 4411), der rund um die Uhr erreichbar sei.
Rotes Kreuz: Spenden beste Unterstützung
Laut Rotkreuz-Generalsekretär Opriesnig meldeten sich auch „sehr viele Menschen aus Österreich und Deutschland“ bei den Rettungsorganisationen „und wollen helfen. Allerdings raten wir momentan davon ab, ins betroffene Gebiet zu reisen“, sagte er. „Die Gefahr ist zu groß, und Menschen von außen, die untergebracht und verköstigt werden müssen, stellen eine zusätzliche Belastung für Hilfsorganisationen dar.“
Finanzielle Unterstützungen an professionelle NGOs und lokale Initiativen würden die Betroffenen in Marokko am besten unterstützen, hieß es. Erneute Spendenaufrufe kamen am Sonntag auch von der Caritas, der Diakonie sowie dem Hilfswerk. Am Samstag hatten bereits die NGOs Care Österreich und Jugend Eine Welt ihre Spendenaufrufe gestartet.