Ein schwedischer Bub schreibt in der Grundschule auf Papier
AP/David Keyton
Schwedens Schulen

Mehr Feder und Bleistift statt Tablet

Finnland, Norwegen und Schweden gelten vielfach als Pioniere in Sachen Schulbildung. Sie waren auch bei den Ersten, die mit digitalem Unterricht etwa mit Tablets schon in der Volksschule oder davor begannen. Unter der Mitte-rechts-Regierung macht Schweden nun eine deutliche Kurskorrektur.

Ob, wie und in welchem Ausmaß Unterricht mit Hilfe digitaler Geräte stattfinden soll, das ist ein in vielen Ländern der Welt heiß umstrittenes Thema – erst recht, wenn es um die Volksschule geht. Mit dem jüngsten Start ins neue Schuljahr findet der Unterricht in den schwedischen Volksschulklassen nun wieder vermehrt mit gedruckten Büchern, Handschreiben und stillem Lesen statt.

Weniger Zeit verbringen die Kinder dagegen an Tablets oder vor Computern, wo sie eigenständig im Internet Antworten auf Fragen suchen und mit dem Tippen auf Tastatur oder Tablet.

Ministerin: „Schüler brauchen mehr Schulbücher“

Ihre Pläne, die nationale Digitalisierungsstrategie an den Schulen zurückzufahren, hatte die konservative Bildungsministerin Lotta Edholm, die letzten Herbst ihr Amt antrat, bereits im Mai angekündigt. Und bereits im März sagte sie, Schwedens Schüler „brauchen mehr Schulbücher“. Physische Bücher seien wichtig fürs Lernen, so Edholm. In Kindergarten und Vorschule soll digitales Lernen nun ganz verboten werden.

Eine schwedische Schulklasse in einer Grundschule
AP/David Keyton
Kinder beim Handschreiben in einer Stockholmer Volksschule

Beim Lesen leicht zurückgefallen

Beim letzten internationalen Lesekompetenztest PIRLS (2021) hatten schwedische Volksschülerinnen und Volksschüler schlechter abgeschnitten als Kinder fünf Jahre davor: Konkret erreichten sie „nur“ 544 Punkte und damit elf Punkte weniger als 2016. Allerdings ist es ein Rückgang auf hohem Niveau. Denn Schweden landete – gleichauf mit Taiwan – auf Platz sieben. In Österreich erreichten die Schülerinnen und Schüler bei der heuer im Frühjahr präsentierten Auswertung 530 Punkte, 2016 waren es noch 541 gewesen.

PIRLS: Weltweiter Lesetest

Für PIRLS werden Kinder der vierten Klasse Volksschule im Lesen getestet. Bei der im Fünfjahresrhythmus durchgeführten Studie nahmen 2021 knapp 60 Länder teil. Im Rahmen der insgesamt 80-minütigen Erhebung erhielten die Kinder Texte, zu denen Fragen beantwortet werden mussten.

Karolinska-Institut für „Analogisierung“

So wie in anderen Ländern dürfte sich auch in Schweden die Pandemie ausgewirkt haben und die steigende Zahl von Schülern mit Migrationshintergrund. Doch das angesehene Karolinska-Institut, eine Medizinuni mit starkem Forschungsschwerpunkt, sprach sich zuletzt ebenfalls für eine „Analogisierung“ aus.

Es betonte letzten Monat, digitale Geräte würden „das Lernen der Schüler eher einschränken statt fördern“ und sprach von „klarer wissenschaftlicher Evidenz“. Wissensaneignung solle daher besser durch gedruckte Schulbücher und die Expertise der Lehrerinnen und Lehrer erfolgen, „statt vor allem durch frei zugängliche digitale Quellen, die nicht genau auf ihre Richtigkeit überprüft wurden“.

Warnung vor einfachen Lösungen

Der australische Soziologe Neil Selwyn, Experte für den Einsatz digitaler Medien im Bildungsbereich, verwies dagegen bereits nach Edholms Ankündigung im Mai darauf, dass die Forschung nicht eine einfache und eindeutige Antwort darauf habe, ob der Einsatz digitaler Lehrmittel mehr Vor- oder Nachteile bringt.

Wie digitale Technologien „am besten in unseren Schulen eingesetzt werden können, ist ein komplexes Thema, das unsere fortwährende Aufmerksamkeit erfordert“, so Selwyns Überzeugung. Die Neigung der Politik, einfache Lösungen anzubieten und die „spürbare Begeisterung konservativer Politiker, das Aus für digitale Technologien im Unterricht zu fordern“, seien bei einem solch komplexen Themas nicht hilfreich. Für diese sei es ein „eleganter Weg, zu signalisieren, dass sie sich für traditionelle Werte einsetzen“.

Schwedische Schüler und Schülerinnen in einem Klassenzimmer mit Büchern am Schreibtisch
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Volksschulkinder beim stillen Lesen

Österreich holt nach

In Österreich ist Bildungspolitik seit jeher ein zwischen Parteien ideologisch und zwischen Bund und Ländern machtpolitisch umkämpftes Gebiet. Es liegt bei der Digitalisierung des Unterrichts weit hinter Pionieren wie Schweden. Während der Pandemie kam es zu einem Schub beim Einsatz digitaler Geräte zwecks Distanzunterrichts. Im Vorjahr wurde in der Sekundarstufe I „digitale Grundbildung“ als neues Pflichtfach mit mindestens einer Stunde pro Woche eingeführt.

Die Ausstattung der Schülerinnen und Schüler mit Tablets wird zudem stufenweise ausgebaut, sofern die Schule sich dafür bewirbt. In der Volksschule ist die Verwendung von Tablets durch Schülerinnen und Schüler noch nicht weit verbreitet. In vielen Fällen gibt es einen Computerraum, im Unterricht sollen zumindest erste Kompetenzen vermittelt werden.

Entscheidend bleiben wohl Lehrkräfte

Das Thema ist nicht nur wegen der Emotionen, die es häufig weckt, gesellschaftspolitisch „heiß“. Dazu kommt, dass unter dem Schlagwort digitaler Unterricht eine große Bandbreite an Zielen und Fertigkeiten verhandelt, aber oft nicht unterschieden wird: Von der Hilfestellung beim Schreiben- und Lesenlernen über den kritischen Umgang mit Inhalten im Netz bis hin zum eigenständigen Programmieren reicht hier die Palette. Und es ist wohl keine gewagte Prognose: Ob Tablet oder nicht, entscheidend sind und bleiben gute und engagierte Lehrerinnen und Lehrer.