Die Fähre Blue Horizon
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Von Fähre gestoßen

Toter Mann in Piräus wird zum Politikum

Nach dem Tod eines Mannes, der vergangene Woche im griechischen Hafen Piräus von Besatzungsmitgliedern einer Fähre ins Meer gestoßen worden war und ertrunken war, ist Schifffahrtsminister Miltiadis Varvitsiotis am Montag zurückgetreten. Der Tod des 36-jährigen Mannes hatte das ganze Land schockiert.

„Die Ermordung von Antonis Kargiotis durch Besatzungsmitglieder an Bord der ‚Blue Horizon‘ hat uns alle schockiert“, schrieb der Minister ausführlich auf Twitter (X). Niemand könne sich vorstellen, dass griechische Seeleute „einen jungen Mann in die trüben Gewässer des Hafens von Piräus gestoßen und dort ausgesetzt haben“. Nach einer ersten Untersuchung seien die Verantwortlichen der Küstenwache angewiesen worden, die „Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen“.

In seiner Mitteilung kündigte Varvitsiotis seinen Rücktritt an. In den vergangenen Tagen sei er „Zielscheibe eines Angriffs“ geworden. Eine Aussage von ihm habe Empörung ausgelöst. „Ich habe sofort um eine aufrichtige Entschuldigung gebeten. In keiner Weise habe ich die Opfer mit den Tätern gleichgesetzt“, schrieb Varvitsiotis. Er übernehme die Verantwortung und verstecke sich nicht, wenn Dinge schwierig sind: „Aber ich akzeptiere nicht, dass man mir als Mensch Steine in den Weg legt.“

Schifffahrtsminister Miltiadis Varvitsiotis
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Minister Varvitsiotis sieht sich Angriffen ausgesetzt und trat am Montag zurück

Minister Varvitsiotis hatte mit seiner ersten Stellungnahme zu dem Fall für Empörung gesorgt, indem er sagte, es gebe „diejenigen, die um den Unglücklichen (das Opfer) trauern, und diejenigen, die um die Menschen trauern, die für einen Lohn arbeiten (…) und nun des Mordes beschuldigt werden“.

Die Opposition hatte ihm vorgeworfen, den Fährenvorfall zunächst heruntergespielt zu haben. Die griechische Zeitung Ekathimerini bezeichnete die Aussage von Varvitsiotis als „völlig fehlgeleitet und zutiefst bedauerlich“. Nun übernimmt der Abgeordnete und frühere Minister Christos Stylianidis den Posten von Varvitsiotis.

Besatzungsmitglieder drängten 36-Jährigen zurück

Am vergangenen Mittwoch war ein Mann in letzter Sekunde auf die Laderampe einer Fähre im Hafen von Piräus gesprungen, die gerade im Ablegen begriffen war. Der Passagier hatte sich verspätet, verfügte aber über ein Ticket. Überwachungskameras zeichneten auf, wie zwei Besatzungsmitglieder versuchten, den 36-Jährigen von der Rampe zurück auf den Kai zu drängen, weil die Fähre mit Ziel Kreta bereits die Leinen losgemacht hatte.

In dem Gerangel stürzte der Mann schließlich zwischen dem Heck der Fähre und der Hafenmauer ins Meer und ertrank in den starken Strudeln des Schiffsmotors. Unklar blieb zunächst, ob der Mann sich bei dem Sturz auch am Kopf verletzte oder im aufgewühlten Wasser ertrank. Für besondere Irritation sorgte, dass der Kapitän der Fähre dennoch ablegte und erst auf Veranlassung der Hafenpolizei hin in den Hafen zurückkehrte.

„Schiff der Schande“

In griechischen Medien heißt die Fähre seither „Schiff der Schande“. Fachleute wiesen darauf hin, dass die Pflicht zur Rettung von Menschen über Bord gelte und die Fähre ohnehin gar nicht erst hätte ablegen dürfen, solange die Rampe nicht geschlossen gewesen sei.

Protestkundgebung im Hafen von Heraklion vor der Fähre Blue Horizon anlässlich eines Todesfalls
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Der Tod des 36-Jährigen sorgte für Proteste

Die Küstenwache nahm den Kapitän und drei Besatzungsmitglieder noch am Abend des Vorfalls fest. Zwei Besatzungsmitglieder wurden mittlerweile vorerst wieder freigelassen. Der Kapitän der Fähre „Blue Horizon“ der Reederei Attica Group und der Seemann, der den Passagier ins Wasser gestoßen haben soll, blieben jedoch in Haft. Sie müssen sich unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und unterlassener Hilfeleistung verantworten.

Der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis hatte auf Facebook geschrieben, er empfinde „Abscheu und Entsetzen“. Der Tod sei das Ergebnis einer „Kombination aus Verantwortungslosigkeit und Zynismus, Verachtung und Gleichgültigkeit“. Der Regierungschef versprach, der Staat werde seine „Pflicht“ tun. Die Reederei zeigte sich „erschüttert über den tragischen Vorfall“ und erklärte, dass sie mit den Behörden zusammenarbeiten werde.