Unwetterschäden in der lybischen Stadt Benghazi
APA/AFP/The Press Office Of Libyan Prime Minister
Unwetter in Libyen

Verheerende Schäden, viele Tote befürchtet

Seit Jahren herrscht in Libyen ein blutiger Konflikt um Macht und Einfluss. Nun ist das schwer gebeutelte Land auch noch von einem verheerenden Unwetter heimgesucht worden. Bilder zeigen überflutete Landstriche und schwere Zerstörungen. Die Schätzungen, wie viele Menschenleben das Unwetter gefordert hat, gehen weit auseinander. Die international nicht anerkannte Regierung im Osten des Landes rechnet mit Tausenden Toten, Schätzungen des Roten Halbmonds fallen weniger drastisch aus.

Der Ministerpräsident einer der rivalisierenden Regierungen im Land, Osama Hammad, sagte am Montag dem Fernsehsender al-Massar, es seien mehr als zweitausend Tote zu befürchten. Tausende weitere Menschen in dem Land mit knapp sieben Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern seien vermisst. Gesichert sind diese Angaben aus dem Osten nicht, unabhängige Informationen gibt es derzeit noch nicht.

Die international anerkannte Regierung in der Hauptstadt Tripolis unter Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba sprach von den schwersten Regenfällen seit mehr als 40 Jahren. Sturm „Daniel“ hatte Libyen am Sonntag erfasst. Laut den Rettungsdiensten wurde vor allem der Nordosten getroffen. Teile der Städte Bengasi, Susah, al-Baida, al-Mardsch und Darna wurden unter Wasser gesetzt. Unbestätigten Medienberichten zufolge wurde eine Ausgangssperre verhängt, Schulen und Geschäfte seien in der betroffenen Region vielerorts weiter geschlossen.

Tote und Vermisste nach Unwetter in Libyen

In Ostlibyen gab es heftige Unwetter. Es werden Hunderte Todesopfer befürchtet – Tausende Menschen werden noch vermisst. Das Land hat den Ausnahmezustand ausgerufen.

Offenbar Staudämme gebrochen

Im Internet kursierten Videos, in denen Menschen zu sehen sind, die sich auf die Dächer ihrer Fahrzeuge vor den Fluten retteten und auf Hilfe warteten. In der Küstenstadt Darna war die Lage nach Angaben des Gemeinderats „außer Kontrolle“. Dort sollen zwei Staudämme gebrochen sein. Laut Augenzeugenberichten stand das Wasser bis zu drei Meter hoch.

Unwetterschäden in der lybischen Stadt Benghazi
APA/AFP/The Press Office Of Libyan Prime Minister
In der Stadt Bengasi sind die Zerstörungen enorm – an dieser Stelle wurde die Küstenstraße weggerissen

LNA-Sprecher: Menschen ins Meer gespült

Ein Sprecher der selbst ernannten Libyschen Nationalarmee (LNA), Ahmed al-Mismari, sprach im Fernsehen am Montag von 2.000 Toten allein in der Stadt Darna. Die Katastrophe sei eingetreten, nachdem Dämme oberhalb der Stadt Darna kollabiert seien. Ganze Stadtteile seien daraufhin mit ihren Bewohnern ins Meer gespült worden. 5.000 bis 6.000 Menschen würden deshalb in der Hafenstadt als vermisst gelten, wie er sagte.

Auch diese Zahlen lassen sich nicht unabhängig verifizieren. Die LNA untersteht dem General Chalifa Haftar, der den Osten des Landes kontrolliert.

Regionen zu „Katastrophengebieten“ erklärt

Die Behörden riefen den Ausnahmezustand aus und verhängten eine Ausgangssperre. Die betroffenen Regionen wurden zu „Katastrophengebieten“ erklärt. Rettungsmaßnahmen gestalteten sich nach Angaben des Notfalldiensts zum Teil schwierig. Man sei auf die Unterstützung von Hubschraubern angewiesen. Strom und Internetverbindung seien unterbrochen, hieß es.

Auch der Chef der Hilfsorganisation Roter Halbmond in Bengasi, Kais Fhakeri, hatte die Lage zuvor als „katastrophal“ beschrieben. Allerdings hatte er von 150 Toten gesprochen und die Vermutung geäußert, dass die Zahl noch auf 250 steigen könne. Worauf sich die Regionalregierung bei ihren weit höheren Zahlen beruft, war unklar.

Unwetterschäden in der lybischen Stadt Benghazi
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Die Unwetter zogen eine Spur der Verwüstung durch die betroffenen Gebiete

UNO-Koordinatorin Gagnon ruft zu rascher Hilfe auf

Die Vereinten Nationen teilten mit, sie würden Hilfsmaßnahmen vorbereiten. Die UNO-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in Libyen, Georgette Gagnon, forderte die internationale Gemeinschaft zu schneller Hilfe auf. „Ersten Berichten zufolge wurden Dutzende von Dörfern und Städten durch den Sturm schwer in Mitleidenschaft gezogen“, teilte Gagnon am Montag mit.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Die Türkei kündigte die Entsendung von Rettungskräften an. Man habe Flüge mit Bergungstrupps samt Rettungsbooten, Zelten und Versorgungsgütern an Bord organisiert, so der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Zahlreiche Milizen ringen um Einfluss

In Libyen war nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. In dem ölreichen Staat ringen bis heute zahlreiche Milizen um Einfluss. Derzeit kämpfen zwei verfeindete Regierungen, die eine mit Sitz im Osten, die andere im Westen, um die Macht. Alle diplomatischen Bemühungen, den Konflikt friedlich beizulegen, scheiterten bisher. Der Konflikt wird durch ausländische Staaten zusätzlich befeuert.