Informationsfreiheit: Entwurf sieht Ausnahme für Gemeinden vor

Die Koalition aus ÖVP und Grünen hat sich in ihrem Regierungsprogramm auf ein Informationsfreiheitsgesetz geeinigt. Seit Jahren wird an der Abschaffung des Amtsgeheimnisses, einer Zweikdrittelmaterie, gearbeitet.

Die Kritik in den Gemeinden ist schon vorab groß: Zu wenig Personal, zu viel Verwaltungsaufwand, damit drohe der Kollaps, lauten die Warnungen. Eine Umsetzung gegen den Widerstand der eigenen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ist gerade für die Volkspartei schwierig.

Nun gibt es einen Arbeitsentwurf, Stand Juni 2023. Darin heißt es: „Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern sind nicht zur Veröffentlichung verpflichtet. Sie können solche Informationen nach Maßgabe dieser Bestimmungen veröffentlichen.“

Das beträfe dann 2.006 Gemeinden mit mehr als 4,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Übrig bleiben würden nur 87 Gemeinden, die alle für die Öffentlichkeit relevanten Informationen von sich aus veröffentlichen müssten.

Kritiker wollen alle Gemeinden abbilden

Für Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit ist klar: Die Veröffentlichungspflicht – von Aufträgen bis zu Gutachten – muss für alle Gemeinden gelten. Von der Einwohnergrenze hält er nichts: „Signifikante Teile der Bevölkerung könnten auf lokaler Ebene die Entscheidungsträger damit schlechter kontrollieren, als das dann in größeren Städten möglich wäre, und hätten weniger Zugang zu Informationen.“ Damit würde Österreich weiter Schlusslicht beim Thema Transparenz bleiben, so Huter gegenüber Ö1.

Verfassungsjurist sieht Mogelpackung

Auch Heinz Mayer, Verfassungsjurist und Unterstützer des Antikorruptionsvolksbegehrens, sieht in dem Entwurf eine Augenauswischerei. „Das ist ein Zeichen, dass man eigentlich die Verschwiegenheit nicht abschaffen will. Das ist die heilige Kuh, und die will man pflegen, weil man offenbar sich damit sehr gut eingerichtet hat. Es ist für mich eigentlich ein Rückzugsgefecht.“

Sogar wenn nur Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern ausgenommen wären, würde die Veröffentlichungspflicht für 1.819 Gemeinden nicht gelten. Mayer findet: Besser gar kein Informationsfreiheitsgesetz als eines mit so vielen Ausnahmen: „Es ist besser, man lässt das Thema liegen und gesteht sich ein: ‚Es geht nicht. Wir scheitern an diesem Thema.‘ Das wäre ehrlich. Aber das, was da jetzt probiert wird, das ist eine Mogelpackung nach der anderen.“

Im Büro von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) wollte man den Arbeitsentwurf und die Grenze nicht kommentieren. Stattdessen wurde einmal mehr betont, dass die Abschaffung des Amtsgeheimnisses ein „wahrer Paradigmenwechsel“ sei – und weiter: „Und wie die Verfassungsministerin und der Vizekanzler ausgeführt haben, befindet man sich bei der Erarbeitung eines neuen Entwurfs in den letzten Zügen.“

Grüne: Alle Gemeinden betroffen

In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber ORF.at hielten die Grünen fest, dass Länder und Gemeinden „in einem letzten Aufbäumen“ versuchen würden, die Abschaffung des Amtsgeheimnisses zu verhindern. Entgegen der aktuellen Berichterstattung sehe der Entwurf selbstverständlich vor, dass das Amtsgeheimnis für alle Gemeinden, Länder und den Bund abgeschafft wird.

„An seine Stelle tritt ein Grundrecht auf Information. Das bedeutet, dass alle Gemeinden die Anfragen von Bürger:innen beantworten und Informationen erteilen müssen – unabhängig von ihrer Größe“, so die Grünen. Die Verhandlungen befänden sich in der Endphase, der fertig verhandelte Entwurf soll in den nächsten Wochen ans Parlament übermittelt werden.

NEOS will eigenen Entwurf einbringen

Alarmiert über den Arbeitsentwurf mit den Ausnahmen für kleinere Gemeinden zeigte sich NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Dieser sehe „derart viele Ausnahmen vor, dass ganze Dunkeldörfer drohen“, warnte sie in einer Stellungnahme.

NEOS will in der kommenden Nationalratssitzung erneut sein seit Jahren fertig ausformuliertes „echtes Informationsfreiheitsgesetz“ auf die Agenda setzen, „denn was wir brauchen, ist maximale Transparenz und Offenlegung“.