Hauptquartier der EZB
Reuters/Heiko Becker
Leitzins

EZB vor kniffliger Entscheidung

Nach neun Zinserhöhungen in Folge entscheidet die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag über den weiteren Kurs. Dem Vernehmen nach wird hinter den Kulissen hart gerungen: Mit höheren Zinsen will man die weiterhin hohe Inflation in den Griff bekommen. Gleichzeitig droht man aber dadurch die ohnehin stotternde Konjunktur weiter abzuwürgen.

Der EZB-Rat hatte bei seiner vorangegangenen Sitzung noch einmal eine Erhöhung der Leitzinssätze um jeweils 0,25 Prozentpunkte auf das nunmehr höchste Niveau seit Anfang 2001 beschlossen. Derzeit liegt der Leitzins im Euro-Raum, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, bei 4,25 Prozent. Parken Banken Geld bei der EZB, erhalten sie dafür mittlerweile 3,75 Prozent Zinsen.

Ob es eine weitere Zinsanhebung geben wird oder ob die Euro-Währungshüter eine Pause einlegen, hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der jüngsten Sitzung des EZB-Rates im Juli offen gelassen. Lediglich eine Zinssenkung hatte die Französin ausgeschlossen.

EZB entscheidet über weiteren Kurs

Die Europäische Zentralbank (EZB) entscheidet am Donnerstag über den weiteren Zinskurs. Um die Strategie soll noch hart gerungen werden.

Gut gegen Inflation, schlecht für die Konjunktur

Die höheren Zinsen sind eine Antwort der EZB auf die hartnäckig hohe Inflation. Höhere Zinsen verteuern Kredite, das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Mittelfristig strebt die EZB für den Euro-Raum eine Inflationsrate von 2,0 Prozent an. Bei diesem Niveau sehen die Währungshüter Preisstabilität gewahrt. Höhere Inflationsraten zehren an der Kaufkraft der Verbraucherinnen und Verbraucher, die Menschen können sich für ihr Geld weniger leisten.

Allerdings sind steigende Zinsen auch eine Bürde für die Wirtschaft, weil kreditfinanzierte Investitionen sich verteuern. Weil sich die Aussichten für die Konjunktur im Euro-Raum zuletzt eintrübten, waren Forderungen aus Wirtschaft und Wissenschaft nach einer Zinspause lauter geworden.

Inflation wohl weit über Zielwert

Die EZB sieht das Inflationsgespenst auch nächstes Jahr noch längst nicht gebannt und könnte deshalb dennoch auf die zehnte Zinserhöhung in Serie zusteuern. Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen Insider berichtet, werden die aktualisierten Inflationsprojektionen der Zentralbank für das kommende Jahr einen Wert von über drei Prozent ausweisen, also weit über dem Ziel von 2,0 Prozent.

Richtungsstreit in Europa

Das gibt jenen Auftrieb, die sich für eine weite Zinserhöhung einsetzen, insbesondere Deutschland wird hier genannt. Der Haken an der Sache: Die Wirkung der Zinserhöhungen schlägt erst zeitversetzt durch. Bleibt die Inflation aber weiterhin auf hohem Niveau, etwa wenn die Löhne inflationsangepasst steigen oder große Konzerne weiter ihre Gewinnmargen hoch halten, wäre der Schritt durchaus sinnvoll.

Womöglich könnte eine Erhöhung aber auch gar nicht notwendig sein, wenn die Inflation in den kommenden Monaten sinkt. Dann würde der höhere Zins der Wirtschaftsentwicklung schaden, das Schreckgespenst Rezession würde in dem Falle die Runde machen – und das auch gerade in Deutschland. Italien, Frankreich und Portugal setzen sich eher für eine Zinspause ein.

Erschwert werden die Verhandlungen in der Zentralbank auch dadurch, dass die Ausgangspositionen in den Ländern höchst unterschiedlich sind: Länder wie Deutschland und Österreich kämpfen mit einer für Landesverhältnisse ungewöhnlich hohen Inflation. Spanien als Gegenbeispiel hat die Teuerung durch diverse Regierungsmaßnahmen auf weit unter drei Prozent gedrückt.

Einlagen als Ausweg?

Angesicht der schwierigen Entscheidung wird auch über andere Ideen nachgedacht. So könnte laut „Spiegel“ die bei der EZB geparkte Mindestreserve der Geschäftsbanken erhöht werden. Bisher sind das ein Prozent der Kundeneinlagen, die unverzinst bei der Zentralbank liegen. Erhöht man den verpflichtenden Prozentsatz, so wird dem Markt Liquidität entzogen. Das könnte, allerdings ist die These nicht unumstritten, den Inflationsdruck mildern.

Rückschlag für Fed

Wie schwierig Zinsentscheidungen dieser Tage sind, zeigen auch die USA: Die Notenbank Fed hat dort seit März 2022 elfmal den Leitzins gegen eine Rekordinflation erhöht. Nach dem Höhepunkt von 9,1 Prozent im Juni 2022 sank die Teuerung auch, allerdings nur bis zum Juni. Im Juli stieg sie wieder auf 3,2 Prozent, im August lag sie im Jahresvergleich bei 3,7 Prozent, wie das Arbeitsministerium in Washington am Mittwoch mitteilte.

Die neuen Inflationszahlen könnten den Druck auf die Fed erhöhen, die kommende Woche über ihre weitere Geldpolitik berät und eine neue Leitzinsentscheidung trifft. Während die Inflationsrate im August anstieg, ging die sogenannte Kerninflation zurück. Dabei werden Lebensmittel und Energie, wo es besonders viele Preisschwankungen gibt, aus der Inflationsrate herausgerechnet. Diese Entwicklung könnte die Fed dazu bringen, den Leitzins kommende Woche unverändert zu lassen.