Lampedusa ruft wegen Massenankünften Notstand aus

Der Stadtrat der italienischen Mittelmeer-Insel Lampedusa hat angesichts Tausender neu angekommener Menschen auf Flüchtlingsbooten den Notstand ausgerufen. Das gab Bürgermeister Filippo Mannino gestern Abend bekannt, wie die Nachrichtenagentur ANSA meldete.

Er verlangte mehr Unterstützung für die kleine Insel, die unter „großem Stress“ stehe. Die Bürger Lampedusas seien verzweifelt. „Jeder hat in irgendeiner Weise den Migranten geholfen, die Hilfe brauchten. Aber jetzt ist es wirklich an der Zeit, nach einer strukturellen Lösung zu suchen“, sagte Mannino weiter. Zunächst war unklar, welche konkreten Auswirkungen die Ausrufung des Notstands in der Kommune hat.

Mehrere tausend Menschen angekommen

Seit Montag sind 8.141 Geflüchtete nach Seefahrten über das Mittelmeer in Italien eingetroffen, davon über 5.000 allein am Dienstag. Das geht aus Angaben des italienischen Innenministeriums hervor. Damit stieg die Zahl der seit Anfang 2023 Eingetroffenen auf 123.863, das sind 89 Prozent mehr gegenüber dem Vergleichszeitraum 2022.

Gestern Früh erreichten weitere 29 Boote mit fast 1.300 Menschen an Bord Lampedusa. 6.762 Menschen befinden sich im Auffanglager der Insel.

Zu angespannten Momenten kam es im Hafen von Lampedusa, wo Polizisten Hunderte Menschen zurückdrängten, die den Hafen verlassen wollten. Die Freiwilligen des Roten Kreuzes versuchten, die erhitzten Gemüter zu beruhigen und verteilten Wasserflaschen.

Salvini spricht von „Kriegsakt“

Der italienische Vizepremier und Verkehrsminister Matteo Salvini betrachtet die hohe Zahl an Ankünften als „Kriegsakt“ gegen Italien. „Wenn 120 Boote zur gleichen Zeit auf Lampedusa ankommen, ist das kein einzelner Vorfall, sondern ein Kriegsakt. Das führt nicht nur Lampedusa, sondern die gesamte italienische Gesellschaft zum Zusammenbruch“, so Salvini im Gespräch mit ausländischen Journalisten. Die Regierung werde „keine Art der Intervention ausschließen“, um den Zustrom zu stoppen.

Tajani: Italien muss unterstützt werden

Der italienische Außenminister Antonio Tajani warnte, dass sich die Lage in den kommenden Monaten noch verschärfen könnte. „Italien muss auf europäischer Ebene unterstützt werden. Wir können nicht allein gelassen werden“, so Tajani in einem Interview mit der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“.

„Europa allein ist nicht in der Lage, ein so großes Problem zu bewältigen, das nicht nur fast ganz Afrika betrifft, sondern auch den Zustrom über die Balkan-Route. Deshalb haben wir die Vereinten Nationen und die G-20 einbezogen“, so der Minister.

Deutschland setzt Aufnahme aus

Deutschland setzte indes die freiwillige Aufnahme Geflüchteter aus Italien aus. Wie „Die Welt“ aus Kreisen der deutschen Innenbehörden erfuhr, wurden die Auswahlprozesse für in Italien ankommende Asylsuchende im Rahmen des „freiwilligen Solidaritätsmechanismus“ eingestellt und dieser Schritt Rom in einem Brief mitgeteilt.