Hände gleiten durch ein Hängeregister in einem Aktenschrank
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Informationsfreiheit

Kritik an „habitueller Geheimniskrämerei“

Das Amtsgeheimnis stirbt in Österreich einen langsamen Tod, weit verzögert stehen die Verhandlungen über das Informationsfreiheitsgesetz vor dem Abschluss. Dass nun aber kleine Gemeinden von der proaktiven Veröffentlichungspflicht ausgenommen werden sollen, stößt auf geteilte Meinungen. Transparency International kritisiert den Entwurf: Transparenz dürfe nicht „zu mühsam“ sein, die Verwaltung dürfe sich nicht weiterhin „in habitueller Geheimniskrämerei wohlfühlen“. Für die administrativen Probleme gebe es Lösungen.

Über dem Gesetzesentwurf, über den Ö1 am Mittwoch berichtete, brütet die Koalition aus ÖVP und Grünen derzeit final. Darin ist das Ende des Amtsgeheimnisses für Bund, Länder und alle Gemeinden vorgesehen. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann dann also von den Behörden Auskünfte verlangen, und diese müssen dann auch erteilt werden – ein Vorgang, der außerhalb Österreichs längst üblich ist.

Ein Aspekt des Entwurfs ließ aber aufhorchen: Die proaktive Veröffentlichungspflicht – also dass „Informationen von allgemeinem Interesse“ in einer allgemein zugänglichen Art zu veröffentlichen sind – soll nur für Gemeinden ab einer Größe von 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gelten. Das bedeutet, dass nur 87 von den 2.006 österreichischen Gemeinden betroffen wären. Die Lösung wäre ein Kompromiss, denn die ÖVP fürchtet um die Zustimmung der vielen ländlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.

Fachleute einhellig

Für Fachleute ist klar: Ganz oder gar nicht, wie etwa der Vorstand bei Transparency Österreich, Georg Krakow, am Donnerstag gegenüber Ö1 sagte. Die Verwaltung sei für die Bürgerinnen und Bürger da, Informationen bereitzustellen sei kein Gnadenakt der Gemeinde gegenüber ihren Untertanen, so Krakow.

Der Aufwand halte sich auch für kleinere Gemeinden in Grenzen, zudem könnten diese unterstützt werden, etwa durch entsprechende IT-Systeme. Auch könnten sich kleinere Ortschaften in der Sache zusammenschließen und eine geeignete Person für derartige Fragen gemeinsam beschäftigen.

„Eine offene Gesellschaft kann nämlich keine Verwaltung dulden, der Transparenz zu mühsam ist und die sich deshalb weiter in habitueller Geheimniskrämerei wohlfühlen will“, so Transparency in einer Aussendung. Eine Beschränkung sei keine Lösung, schon der Begriff der „Information von allgemeinem Interesse“ schreie zu Recht nach Veröffentlichung, hieß es. „Die Aufhebung des Amtsgeheimnisses, das zu Zeiten geschaffen wurde, als Zensur und Unterdrückung die Regel und geheimes staatliches Handeln ein Instrument dafür waren, ist ein Schlüsselelement in der Entwicklung einer offenen Gesellschaft“, so die Organisation.

Diskriminierung von ländlichem Raum

Der Verfassungsjurist Peter Bußjäger sah gegenüber Ö1 gar eine Diskriminierung von Bewohnerinnen und Bewohnern ländlicher Gebiete. Denn diese wären mehrheitlich davon betroffen, weniger Information zu erhalten, als jene in großen Städten.

Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit meinte bereits am Mittwoch: „Signifikante Teile der Bevölkerung könnten auf lokaler Ebene die Entscheidungsträger damit schlechter kontrollieren, als das dann in größeren Städten möglich wäre, und hätten weniger Zugang zu Informationen.“ Damit würde Österreich weiter Schlusslicht beim Thema Transparenz bleiben, so Huter.

Gemeinden gespalten

Der Gemeindebund hatte sich generell gegen die Veröffentlichungspflicht für die Gemeinden ausgesprochen. Wenn diese schon auch für die Gemeinden gelten müsse, wäre die Beschränkung auf jene mit mehr als 10.000 Einwohnern aber „vertretbar“.

Und viele Gemeinden warnten, sie könnten den administrativen Mehraufwand nicht stemmen. Die Informationen müssten nicht nur veröffentlicht, sondern auch geprüft und auf Datenschutzlücken untersucht werden. Persönliche Daten, etwa Adressen, müssten geschwärzt werden. In kleineren Orten, wo vielleicht nur eine einzige Person für die Verwaltung zuständig ist, sei diese Zusatzarbeit nicht zu schaffen.

Im Alltag müssten viele Entscheidungen gefällt werden, so etwa der Bürgermeister der Kärntner Gemeinde Bad Kleinkirchheim, Matthias Krenn (FPÖ), gegenüber Ö1 am Donnerstag. Müsste das alles auch veröffentlicht werden, „dann wird es schwierig. Es geht erstens einmal um ein juristisches Know-how. Allein schon die Frage, welche Infos als von allgemeinem Interesse im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes einzustufen sind, ist ein schwieriges Unterfangen. Das bindet auch personelle Ressourcen, und da sind bald einmal Grenzen erreicht oder überschritten“, so Krenn.

„Gescheit oder gar nicht“

Andere Stadtchefinnen und -chefs sind unterschiedlicher Meinung. Elmar Rohmberg, Bürgermeister von Lauterach in Vorarlberg, und Stefan Seiwald, Bürgermeister von Sankt Johann in Tirol (beide ÖVP), sagten gegenüber Ö1, die aktive Veröffentlichungspflicht solle wenn, dann für alle gelten. „Dass hier der Gesetzgeber unterscheidet zwischen großen und kleinen Gemeinden, das überrascht mich ein wenig, weil wenn Transparenz, muss es für alle gleich gelten“, so Rohmberg, dessen Gemeinde knapp über der 10.000-Schwelle liegt. „Gescheit oder gar nicht“, so auch Seiwald aus St. Johann mit knapp unter 10.000 Einwohnern.

Dann lieber gar nicht, argumentierte wiederum Josef Karbon (SPÖ) aus Rum in Tirol gegenüber dem Ö1-Morgenjournal: „Ich sehe das als Humbug. Wenn jemand glaubt in der hohen Politik, dass er es braucht, dann kann er es ja für sich selber machen. Man sollte einmal denen Menschen, die man wählt, die sich zu einer Wahl stellen, auch Vertrauen entgegenbringen.“

Kompromiss bei Abschaffung des Amtsgeheimnisses

Die Koalition hat versprochen, das Amtsgeheimnis abzuschaffen, aber noch immer gibt es keine Einigung auf das angekündigte Informationsfreiheitsgesetz. Nun wurde ein Entwurf bekannt, aus dem hervorgeht, dass nur Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern aktiv Akten und Dokumente veröffentlichen müssen.

Die Koalition ließ sich zuletzt nicht beeindrucken von den Einwänden. Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses sei ein „wahrer Paradigmenwechsel“, der Rest werde noch besprochen, so Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Die Einschränkung, von der nun gesprochen werde, betreffe nur den Teil des Gesetzes zur proaktiven Veröffentlichungspflicht – und dazu sei „das letzte Wort noch nicht gesprochen“, so die grüne Klubchefin Sigrid Maurer.