Euro-Zeichen vor der europäischen Zentralbank in Frankfurt
Reuters/Wolfgang Rattay
Gegen Widerstände

EZB hebt Leitzins erneut an

Auch wenn die schwächelnde Konjunktur eher dagegen gesprochen hätte: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag den Leitzins zum zehnten Mal in Folge angehoben. Der EZB-Rat beschloss eine weitere Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte auf 4,5 Prozent. Im Vorfeld hatte es aber sehr laute, warnende Stimmen gegeben. EZB-Präsidentin Christine Lagarde räumte auch ein, dass es bei der Entscheidung Gegenstimmen gab.

„Die Inflation geht weiter zurück. Es wird jedoch nach wie vor erwartet, dass sie zu lange zu hoch bleiben wird“, begründete die EZB am Donnerstag ihre Entscheidungen zur Geldpolitik. Der für Sparer wichtige Einlagenzins steigt damit auf den historischen Höchststand von 4,0 Prozent.

Der Grund für die Entscheidung ist die konkrete Einschätzung, wie sich die Inflation entwickeln wird – offenbar wird der Rückgang langsamer als noch vor drei Monaten erwartet. Für das laufende Jahr rechnet die Notenbank nun mit einer Teuerungsrate von 5,6 Prozent, wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. In ihrer Juni-Prognose war die EZB noch von 5,4 Prozent Inflation im Jahresschnitt 2023 ausgegangen.

Prognosen revidiert

Für 2024 sagt die Notenbank ebenfalls eine höhere Teuerungsrate von 3,2 (Juni-Prognose: 3,0) Prozent voraus, 2025 wird inzwischen eine etwas niedrigere Rate von 2,1 (2,2) Prozent erwartet. Die EZB strebt für den Währungsraum der 20 Länder mittelfristig ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von zwei Prozent an.

Ihre Vorhersage für das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum hat die EZB für 2023 bis 2025 indes abgeschwächt. Nach der neuesten Prognose wird sie heuer um 0,7 Prozent wachsen. Im Juni hatte sie noch ein Wachstum von 0,9 Prozent vorhergesagt. Im kommenden Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,0 (Juni-Prognose: 1,5) Prozent zulegen. Für 2025 erwartet die EZB einen Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 1,5 (1,6) Prozent im Währungsraum.

Grafik zur Entwicklung der Leitzinssätze seit 2000
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA

Gut gegen Inflation, schlecht für die Konjunktur

Die höheren Zinsen sind eine Antwort der EZB auf die hartnäckig hohe Inflation. Höhere Zinsen verteuern Kredite, das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Höhere Inflationsraten zehren an der Kaufkraft der Verbraucherinnen und Verbraucher, die Menschen können sich für ihr Geld weniger leisten.

Allerdings sind steigende Zinsen auch eine Bürde für die Wirtschaft, weil kreditfinanzierte Investitionen sich verteuern. Weil sich die Aussichten für die Konjunktur im Euro-Raum zuletzt eintrübten, waren Forderungen aus Wirtschaft und Wissenschaft nach einer Zinspause lauter geworden.

Richtungsstreit in Europa

Im Vorfeld der Sitzung war von einem Richtungsstreit die Rede gewesen: Deutschland und andere währungspolitische „Falken“ setzten sich für eine Zinserhöhung ein. Die jüngsten Daten zeigten, „wie hartnäckig das Biest Inflation“ sei, sagte etwa der deutsche Bundesbank-Präsident Joachim Nagel kürzlich dem „Handelsblatt“.

Die Wirkung der Zinserhöhungen schlägt erst zeitversetzt durch. Bleibt die Inflation aber weiterhin auf hohem Niveau, etwa wenn die Löhne inflationsangepasst steigen oder große Konzerne weiter ihre Gewinnmargen hoch halten, gilt der Schritt durchaus als sinnvoll.

Schreckgespenst Rezession

Womöglich wäre eine Erhöhung aber auch gar nicht notwendig gewesen, wenn die Inflation in den kommenden Monaten noch schneller sinkt, als die EZB das prognostiziert. Dann wird der höhere Zins der Wirtschaftsentwicklung eher schaden: Das Schreckgespenst Rezession macht jetzt schon die Runde – und das auch gerade in Deutschland. Italien, Frankreich und Portugal setzten sich eher für eine Zinspause ein.

Erschwert wurden die Verhandlungen in der Zentralbank auch dadurch, dass die Ausgangspositionen in den Ländern höchst unterschiedlich sind: Länder wie Deutschland und Österreich kämpfen mit einer für Landesverhältnisse ungewöhnlich hohen Inflation. Spanien als Gegenbeispiel hat die Teuerung durch diverse Regierungsmaßnahmen auf weit unter drei Prozent gedrückt.

Lagarde verteidigt Maßnahmen

Lagarde verteidigte den geldpolitischen Kurs: „Wir tun das nicht, um eine Rezession zu erzwingen.“ Es gehe darum, Preisstabilität zu erreichen. „Wir müssen die Inflation senken.“ Einige Ratsmitglieder hätten lieber eine Pause eingelegt, sagte Lagarde. Letztlich gab es ihr zufolge „aber eine solide Mehrheit, die mit der von uns getroffenen Entscheidung einverstanden war“.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde
APA/AFP/Kirill Kudryavtsev
EZB-Präsidentin Christine Lagarde

Der EZB-Rat werde dafür sorgen, dass die Leitzinsen „so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden“, betonte Lagarde. Die Französin sagte aber auch: „Wir wollen damit nicht sagen, dass wir jetzt den Höhepunkt erreicht haben.“