„Dissenting Opinion“ am VfGH: Politik hält sich bedeckt

Die Regierung will das Amtsgeheimnis abschaffen, so lautet jedenfalls der Plan. Wann genau der endgültige Entwurf präsentiert wird, ist unklar. In einem Arbeitspapier vom Juni sind kleinere Gemeinden von der proaktiven Informationspflicht ausgenommen. Die Regierung verweist auf finale Verhandlungen – auch bei anderen Vorhaben, die im Paket inkludiert sind.

So war im Begutachtungsentwurf vom Februar 2021 noch von der „Dissenting Opinion“ (Sondervotum) für den Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Rede. Damit sollen VfGH-Mitglieder die Möglichkeit erhalten, ihre abweichenden Rechtsmeinungen zu veröffentlichen.

Während die eine Seite darin eine Chance sieht, die Judikatur weiterzuentwickeln, kritisiert die andere, dass mit Sondervoten die Entscheidungen des VfGH in Zweifel gezogen werden könnten.

Regierung will „demnächst informieren“

Im derzeit diskutierten Entwurf ist die Gesetzespassage jedenfalls durchgestrichen. Was es damit auf sich hat, wollten weder ÖVP noch Grüne auf ORF.at-Nachfrage erklären. „Ich bitte um Verständnis, dass wir keine inhaltliche Kommentierung zu kursierenden Gerüchten bzw. vermeintlichen Arbeitsentwürfen vornehmen möchten“, hieß es etwa aus dem Büro von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).

Die Grünen verwiesen auf „finale Verhandlungen“, weswegen man Inhaltliches nicht kommentiere. Auch das Büro von Edtstadler sprach von „letzten Zügen“. Zu weiteren Schritten würden ÖVP und Grüne „demnächst informieren“, hieß es schriftlich. „Bei den Gesprächen mit Stakeholdern war es den Koalitionspartnern ein großes Anliegen, Bedenken anzuhören und ernst zu nehmen.“

Warten auf weiteren Entwurf

In der Vergangenheit sprach sich die ÖVP gegen das Sondervotum aus, zuletzt war sie aber dafür. Die Grünen befürworteten seit Jahren die Einführung. Doch im Juli 2021 schrieben die Grünen in einer Antwort des Antikorruptionsvolksbegehrens: „Wir nehmen die kritischen Rückmeldungen zum aktuellen Begutachtungsentwurf sehr ernst und werden diese Frage erneut bewerten.“

Damals hieß es gegenüber ORF.at, dass man das Vorhaben und eine mögliche Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes „umfassend mit der ÖVP diskutieren“ werde. Diese Änderung hätten auch dreijährige Cooling-off-Phasen für VfGH-Mitglieder betroffen. Was aus diesem Vorhaben wird, ist ebenfalls noch unklar.

Bis jetzt ist eine Abkühlphase nur für den VfGH-Präsidenten und den Vizepräsidenten vorgesehen. Sie müssen fünf Jahre warten, wenn sie zuvor ein politisches Hochamt innehatten. Auf einfache Mitglieder ist die Regel nicht anzuwenden. So wurde zum Beispiel der frühere ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter, kurz nachdem er sein politisches Amt verlassen hatte, als VfGH-Richter angelobt.