Gesundheitsminister Johannes Rauch, Bundeskanzler Karl Nehammer und Finanzminister Magnus Brunner
APA/Eva Manhart
Kalte Progression

Kleine und mittlere Einkommen profitieren

Die Abschaffung der kalten Progression bringt den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen im kommenden Jahr 3,65 Mrd. Euro. Bei einem Drittel davon, knapp 1,2 Mrd. Euro, konnte die Regierung entscheiden, wer damit entlastet werden soll. Am Freitag wurde nun die Entscheidung präsentiert: Im Fokus der Entlastungen stehen kleine und mittlere Einkommen. Mit noch mehr steuerlich begünstigten Überstunden will die Regierung „Anreize für Mehrarbeit“ setzen.

Wurden für heuer vor allem die kleinen Einkommen in den ersten beiden Steuerstufen durch das dritte Drittel entlastet, sollen 2024 die ersten vier Steuerstufen angepasst werden. „Wir gehen nun stärker in den Mittelstand“, sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bei der Präsentation. Ziel der Maßnahmen sei, die Kaufkraft hoch zu halten und Arbeit zu entlasten.

Die erste Tarifstufe wird in Summe um 9,6 Prozent angepasst, die vierte noch um 7,3 Prozent. Die Grenze für steuerpflichtige Einkommen erhöht sich damit auf 12.816 Euro. Für diese Anpassung sieht die Regierung rund 800 Mio. Euro vor. Auch die Absetzbeträge werden zu 100 Prozent an die Inflation angepasst – bisher wurde die kalte Progression nur zu zwei Drittel an die Inflationsrate angepasst.

„Wer arbeitet, wird entlastet“

Mit Jahresbeginn wurde die kalte Progression abgeschafft. Zwei Drittel der daraus resultierenden 3,65 Mrd. Euro werden automatisch an Erwerbstätige zurückgegeben, die verbliebenen 1,2 Mrd. Euro gehen laut Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) an Erwerbstätige und Familien.

Homeoffice-Regel dauerhaft verlängert

„Leistung muss sich lohnen“, fasste Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Intention hinter den Schwerpunkten der Regierung zusammen. Im Sinne des Arbeitskräftemangels soll daher die steuerliche Begünstigung von Überstunden ausgeweitet werden. Für die kommenden zwei Jahre steigt überdies der monatliche Freibetrag für 18 Überstunden auf 200 Euro im Monat. Der monatliche Freibetrag soll dauerhaft auf 120 Euro angehoben werden.

Kalte Progression

Die schleichende Steuererhöhung wurde mit 1.1.2023 abgeschafft. Zu zwei Drittel werden die Steuerstufen jedes Jahr automatisch an die jeweilige Teuerung angepasst. Mit dem letzten Drittel verfügt die Regierung über einen Spielraum, wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen zu treffen.

Ebenfalls unbefristet verlängert wurden die 2021 eingeführten steuerlichen Regeln für Homeoffice. Auch die Freibeträge für Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steigen. Für Selbstständige erhöht sich der Gewinnfreibetrag von 30.000 auf 33.000 Euro.

Kindermehrbetrag auf 700 Euro angehoben

Die Grünen hatten sich im Zuge der Verhandlungen über die Verwendung des dritten Drittels für Entlastung der unteren Einkommen starkgemacht. Nun wurde auch der Mittelstand stärker bedacht. Für Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) ist es dennoch ein „soziales Drittel“: „Ich halte es für ausgewogen.“ In diesem Zusammenhang erwähnte er bereits gesetzte Maßnahmen der Regierung, um die Inflation abzufedern.

Im Zuge des präsentierten Pakets zur kalten Progression soll zudem für die Entlastung von Familien ab 2024 der Kindermehrbetrag von derzeit 550 Euro auf 700 Euro angehoben werden. Der höchstmögliche steuerfreie Zuschuss eines Arbeitgebers zur Kinderbetreuung soll auf 2.000 Euro verdoppelt werden und für Kinder bis 14 Jahre möglich sein.

Badelt: Passt in Situation des Arbeitskräftemangels

Im Vorfeld der Einigung wurden Forderungen etwa vonseiten der Caritas laut, Bezieher kleiner Einkommen und Pensionen mit dem variablen Drittel der kalten Progression zu entlasten. Für den grünen Budgetsprecher, Jakob Schwarz, wurde das erfüllt. So werde etwa die erste Steuerstufe in einer Höhe von 9,9 Prozent gänzlich an die Höhe der Inflation angepasst. Es würden durch diese Verteilungsmaßnahmen wichtige soziale Maßnahmen umgesetzt.

Der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), Harald Mahrer, sieht eine „Entlastung auf breiter Basis“. Das stütze die Kaufkraft und sorge bei Betrieben für Planbarkeit. ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher freut sich über eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf und einen Beitrag gegen den Arbeitskräftemangel.

„Auf den ersten Blick vernünftig“ schaut das von der Regierung vorgelegte Paket für den Präsidenten des Fiskalrats, Christoph Badelt, im Ö1-Mittagsjournal aus. Die niedrigen Einkommensstufen würden stärker entlastet, zudem passe es gut in die Situation des Arbeitskräftemangels.

Für SPÖ nur „Trostpflaster“

Jan Krainer, Finanzsprecher der SPÖ, hält hingegen das „ausufernde Selbstlob“ der Regierung zur kalten Progression für „etwas übertrieben“. Die zusätzlichen Belastungen der Menschen aufgrund der Inflation würden durch dieses „Trostpflaster“ nicht annähernd ausgeglichen. „Wenig Licht und viel Schatten“, sieht auch der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Wolfgang Katzian. Bei fast 50 Millionen unbezahlter Mehr- und Überstunden pro Jahr mache es wenig Sinn, über eine Ausweitung der steuerlichen Begünstigung zu reden.

Kritisch gibt sich auch NEOS-Wirtschafts- und -Sozialsprecher Gerald Loacker. Die Maßnahmen seien keine steuerliche Entlastung, sie seien „nur der Verzicht auf eine zusätzliche Belastung durch die schleichende Steuererhöhung“. Ein Durchschnittsverdiener werde weiterhin für jede Gehaltserhöhung 18 Prozent Sozialversicherung und 40 Prozent Lohnsteuer zahlen.

Die Steuern auf Arbeit seien in Österreich nach wie vor viel zu hoch, kritisierte auch die FPÖ und sprach von einem „Taschenspielertrick“ der Regierung. Die kalte Progression sei nicht abgeschafft, sondern nur um zwei Drittel reduziert worden. „Das verbleibende Drittel nimmt sich der Staat nach wie vor vom Steuerzahler, um es umzuverteilen“, so der oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ).