Nachruf zum ehemaligen NBA-Spieler Brandon Hunter der Website Race Track auf einem Laptop
ORF
„Nutzlos mit 42“

Spott über absurden KI-Nachruf

„Brandon Hunter, nutzlos mit 42“: Diese Schlagzeile war am Mittwoch auf der Startseite des Nachrichtenportals von Microsoft, MSN, zu lesen. Eigentlich sollte es ein Nachruf auf einen US-Basketballspieler sein, doch der Artikel war für viele irritierte Leserinnen und Leser praktisch unverständlich. Schnell wurden Vorwürfe laut, dass der Text mittels künstlicher Intelligenz (KI) entstanden sein muss. Neben viel Spott trat das auch eine Debatte über KI und Journalismus los – es ist nicht das erste Mal, dass Microsoft damit in Konflikt gerät.

Nicht nur die Schlagzeile sorgte für Stirnrunzeln, auch der Inhalt des englischsprachigen Artikels über den plötzlich verstorbenen NBA-Spieler löste wohl bei einigen Verwunderung aus: So hieß es darin etwa, dass er in seiner Karriere „in 67 Videospielen über zwei Saisonen“ gespielt hat. Viele der Sätze wirken so, als wäre für jedes ursprünglich gemeinte Wort ein Synonym gesucht worden – mit komplett sinnentstellendem Resultat. Darüber hinaus sind in dem Text auch zahlreiche merkwürdige Rechtschreibfehler vorzufinden.

In sozialen Netzwerken sorgte der Artikel, der diese Woche online ging, schnell für heftige Kritik. Der Tenor der Userinnen und User: Der Artikel muss einer KI entstammen. Wie die Nachrichtenseite Futurism berichtete, schrieb ein User auf Twitter (X): „KI sollte keine Nachrufe schreiben. Zahl deine verdammten Schreiber, MSN!“ Auf Reddit schrieb unterdessen ein User: „Das Dystopischste daran ist, dass die KI, die uns ersetzen wird, genauso stumpfsinnig und dumm sein wird wie diese Übersetzung.“

Artikel möglicherweise abgekupfert

Der Artikel selbst stammt von einer Seite namens Race Track, der von MSN für die Startseite übernommen wurde. Auf Reddit wurde eine mögliche Erklärung für den merkwürdigen Text geliefert: Offenbar ist der Artikel nicht nur schleißig geschrieben, sondern orientiert sich inhaltlich an einer Meldung des Klatschportals TMZ – Aufbau und Sätze ähneln sich, nur wurden eben offenbar möglichst viele Wörter durch ihre Synonyme getauscht. Selbst die Spielposition „Forward“ wurde durch „Ahead“ ersetzt.

Brandon Hunter am 18. April 2005 im Dress von NBA-Club Orlando Magic
IMAGO/Icon Sportswire
Der geschmacklose Nachruf auf den US-Basketballer sorgte für scharfe Kritik

Futurism schreibt, dass die Seite Race Track noch andere Artikel ganz offensichtlich abgekupfert habe. Details zu den Betreibern der Website sind online nicht zu finden – die Spur führt nach Portugal, das Impressum ist lediglich mit Platzhaltertext versehen. Trotzdem werden die Artikel regelmäßig von MSN übernommen, mit oft absurden Nachrichten, etwa über einen „Corridor of Fame“-NFL-Spieler – statt „Hall of Fame“, wie es korrekt heißen sollte.

Peinliche Pannen trotz Milliardeninvestments in KI

Für Microsoft ist der Vorfall aus mehrfacher Sicht unangenehm: Der Softwaregigant investierte zuletzt Milliardenbeträge in den ChatGPT-Entwickler OpenAI und sieht KI als Zukunft. Die verbesserungswürdige Auswahl der Artikel für die eigene Startseite wirft aber kein gutes Licht auf die Leistung der Algorithmen, die hier offenbar am Werk waren.

Gleichzeitig stand der Konzern schon 2020 in der Kritik, was den Umgang mit Journalismus und KI anbelangt. Damals entließ der Konzern seine Redaktion, die für MSN eigentlich zuständig sein sollte. Zwar verfassten die Angestellten keine eigenen Artikel, trafen aber die Auswahl für die Seite – Betroffene sagten damals dem „Guardian“, sie würden nun durch KI ersetzt.

Suppenküche in Ottawa als „Attraktion“

Erst im August wurde Microsoft vorgeworfen, auch KI für Reisetipps zu verwenden. In einem vielfach geteilten Reiseführer für die kanadische Hauptstadt Ottawa war etwa zu lesen, dass die Suppenküche zu den Top-Drei-Attraktionen gehöre. Nach heftiger Kritik löschte Microsoft den Artikel.

Damals betonte der US-Konzern, dass es sich um „menschliches Versagen“ gehandelt habe: „Der Artikel wurde nicht von einer unbeaufsichtigten KI veröffentlicht. Wir kombinieren die Leistung von Technologie mit der Erfahrung von Redakteuren, um Geschichten zu veröffentlichen“, hieß es laut The Verge damals. Fraglich ist freilich, welcher Mensch eine Suppenküche als Touristenattraktion anpreisen würde.

Im Fall des verstorbenen Basketballspielers entfernte Microsoft den Artikel von seiner Website am Donnerstag – bei Race Track ist dieser nach wie vor verfügbar. Gegenüber der britischen Zeitung Independent machte man nur vage Angaben dazu, wie der Artikel überhaupt auf die Seite gelangen konnte. „Die Richtigkeit der Inhalte, die wir von unseren Partnern veröffentlichen, ist uns wichtig, und wir werden unsere Systeme weiter verbessern, um ungenaue Informationen zu identifizieren und zu verhindern, dass sie auf unseren Kanälen erscheinen. Die betreffende Meldung wurde entfernt“, so Microsoft.

Hunter: Langjährige Karriere auch in Europa

Hunter, der in der National Basektball Association (NBA) für Orlando Magic und die Boston Celtics spielte und auch eine lange Karriere in Europa hatte, starb diese Woche, berichtete der US-Fernsehender NBC. Der Trainer der Ohio Bobcats, für die er während seiner College-Zeit spielte, zeigte sich erschüttert: „Wir sind zutiefst betrübt über das Ableben von Brandon Hunter. Brandon war ein phänomenaler Spieler in Ohio, der eine großartige Profikarriere hingelegt hat“, so Bobcats-Trainer Jeff Boals laut NBC in einem Statement. Zur Todesursache gibt es keine offiziellen Angaben.