Suche nach Vermissten in Darna (Libyen)
Reuters/Amr Alfiky
Fluten in Libyen

Zahl der Todesopfer steigt weiter

Eine Woche nach den schweren Überschwemmungen in Libyen hat sich die Zahl der Toten auf mehr als 11.000 erhöht. Nach Angaben des UNO-Nothilfebüros (OCHA) kamen allein in der stark zerstörten Hafenstadt Darna rund 11.300 Menschen ums Leben. Weitere 10.100 Menschen würden noch vermisst. Hilfsorganisationen warnen vor der wachsenden Gefahr durch Krankheiten.

Es werde erwartet, dass die Zahl der Todesopfer noch weiter steigen wird, da die Such- und Rettungskräfte noch immer nach Überlebenden suchten, hieß es in einem am Samstag (Ortszeit) veröffentlichten Bericht des UNO-Nothilfebüros. In Darna würden noch immer Leichen angespült oder verwesten unter den Trümmern, berichtete der arabische Fernsehsender al-Jazeera.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte zuvor berichtet, dass bisher etwa 4.000 Todesopfer identifiziert worden seien. Der Sturm „Daniel“ hatte das nordafrikanische Bürgerkriegsland am vergangenen Sonntag erfasst. Nahe der besonders betroffenen Stadt Darna brachen zwei Dämme, ganze Stadtviertel wurden ins Meer gespült. Bis zur Katastrophe hatten in der Hafenstadt rund 100.000 Einwohner gelebt.

Grafik zu Überschwemmungen in Libyen
Grafik: APA/ORF

„Die Stadt riecht nach Tod“

Unterdessen wuchs die Sorge vor möglichen gesundheitlichen Auswirkungen für die Bevölkerung der Stadt. Bis zum Samstag wurden etwa 150 Durchfallerkrankungen gemeldet. Als Begründung nannte der Leiter des Zentrums für Krankheitsbekämpfung, Haidar al-Sajih, verschmutztes Trinkwasser. Für die Überschwemmungsgebiete habe das Zentrum einen Notfall für mindestens ein Jahr ausgerufen.

Die Hilfsorganisation Islamic Relief erklärte, in Darna bestehe das Risiko einer „zweiten humanitären Krise“. Es gebe eine „wachsende Gefahr von durch Wasser übertragenen Krankheiten“ wie die Cholera. Außerdem mangle es in Darna an Nahrungsmitteln, Unterkünften und Medikamenten. „Die Stadt riecht nach Tod“, sagte Salah Abulgasem von Islamic Relief.

Über 11.000 Tote in Libyen

Eine Woche nach den verheerenden Flutkatastrophen in Libyen ist die Zahl der Toten auf über 11.000 gestiegen. Weitere 10.100 Personen werden immer noch vermisst. Hilfsorganisationen schlagen Alarm angesichts der zunehmenden Bedrohung durch Krankheitsausbrüche.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen verlegte unterdessen Teams in den Osten des Landes, um dort die Wasser- und Sanitärversorgung zu überprüfen. Bei solch einer Katastrophe „können wir uns wirklich Sorgen wegen wasserbedingter Krankheiten machen“, sagte die medizinische Koordinatorin Manoelle Carton.

Zerstörung in Darna
AP/Jamal Alkomaty
Laut UNO sind allein in der Stadt Darna durch die Fluten mindestens 35.000 Menschen obdachlos geworden

Gefahr durch Landminen

Mindestens 35.000 Menschen haben nach Angaben der WHO allein in Darna ihre Unterkünfte verloren. Mit den Tausenden von Vertriebenen, die jetzt unterwegs seien, steige auch das Risiko, mit Landminen und explosiven Kampfmitteln in Berührung zu kommen, die von den jahrelangen Konflikten im Land übrig geblieben sind, so das OCHA. Die Fluten hätten unter anderem Landminen in andere Gebiete gespült, hieß es unter Berufung auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz.

Unterdessen trafen in Bengasi am Samstag 29 Tonnen medizinische Hilfsgüter ein. Damit können fast 250.000 Menschen medizinisch versorgt werden, wie WHO mitteilte. Darunter seien lebenswichtige Medikamente für chronische und übertragbare Krankheiten sowie Material zur Wundversorgung und für Notoperationen ebenso wie Leichensäcke. Das Material geht an Kliniken und Praxen in der Region.

Satellitenaufnahme von Darna am 7.9.2023
Satellitenaufnahme von Darna am 12.9.2023
Sentinel Hub Sentinel Hub
Luftaufnahmen der Stadt Darna vom 7. und vom 12. September – blauen Button bewegen, um den Vergleich zu sehen

US-Diplomatin: Hilfsfonds beaufsichtigen

Von Bengasi nach Darna sind es je nach Route zwischen 300 und 400 Kilometer. Die Fluten haben Zufahrtsstraßen zur besonders schwer betroffenen Hafenstadt Darna weggeschwemmt, wichtige Brücken sind unter Schlammmassen begraben. Es gibt nach Angaben der Rotkreuz- und Rothalbmondföderation (IFRC) nur noch eine befahrbare Zugangsstraße.

Die US-Diplomatin und ehemalige UNO-Gesandte für Libyen, Stephanie Williams, forderte im Onlinedienst Twitter (X) eine globale Mobilisierung, um die Hilfsbemühungen zu koordinieren, und die Schaffung eines „gemeinsamen nationalen/internationalen Mechanismus, um die (Hilfs-)Fonds zu beaufsichtigen“. Sie verwies auf die „räuberische“ herrschende Klasse in Libyen, die dazu neige, „unter dem Vorwand der Souveränität“ die Hilfsaktionen „nach ihren Interessen“ zu steuern.

Österreich bereitet Hilfspaket vor

Unterdessen stellte das österreichische Innenministerium in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz, dem Arbeiter-Samariterbund und der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) ein Hilfspaket im Wert von etwa 100.000 Euro für die Katastrophenhilfe bereit. „Diese Lieferung ist ein Zeichen der Solidarität Österreichs und der konkreten Hilfe für die so schwer von den Unwettern getroffenen Menschen in Libyen“, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).

Insgesamt sollen 100 Familienzelte, 800 Feldbetten, 2.400 Decken und 2.112 Hygienepakete, von denen eines den Monatsbedarf einer fünfköpfigen Familie deckt, geliefert werden. Die über den EU-Zivilschutzmechanismus angebotenen Hilfsgüter seien von den libyschen Behörden bereits angenommen worden, so das Innenministerium. Die Lieferung in die betroffenen Gebiete werde von Österreich bis Ende der kommenden Woche vorbereitet.