Familien- und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP)
ORF
Kinderbetreuung

Raab will „Lücke schließen“

Erst vor Kurzem hat die Bundesregierung erklärt, 4,5 Mrd. Euro in die Kinderbetreuung und 50.000 neue Plätze bis 2030 investieren zu wollen. Dabei ist die Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern ein durchaus heißes Eisen. Familien- und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) zeigte sich am Sonntag trotzdem „grundsätzlich optimistisch“ und will die bestehende „Lücke schließen“.

Es fehlt an Kinderbetreuungsplätzen, vor allem in der Ganztagesbetreuung, in einem Bundesland mehr als in einem anderen. Aktuell ist der Ausbau der Betreuung Thema bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Hier gehen die Interessen bisher nicht wirklich konform. Familienministerin Raab zeigte sich am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ trotzdem optimistisch.

Die benötigten und von der Regierung angekündigten 4,5 Mrd. Euro würden zusammenkommen, so Raab auf eine entsprechende Frage. Es könne schließlich nicht sein, dass Frauen nicht arbeiten könnten, weil Betreuungsmöglichkeiten fehlen. Ziel sei es, für die Familien eine „echte Wahlfreiheit“ zu schaffen.

Ein „Kraftakt“

Dafür bedürfe es eines gemeinsamen Kraftakts, so Raab, vor allem von Bund und Ländern, aber sie sehe in den aktuellen Gesprächen viel Bewegung. Widerstand aus den Ländern wollte die Familienministerin in diesem Zusammenhang nicht überbewerten, da es durchaus üblich sei, beim Finanzausgleich quasi bis zur letzten Minute zu verhandeln. Sie sei jedenfalls „grundsätzlich optimistisch“.

Einen „Gamechanger“, also einen Faktor, der neue Voraussetzungen schafft, nannte Raab den künftig geplanten Einsatz der finanziellen Mittel in der Kinderbetreuung. Bisher habe der Bund nur in die Infrastruktur investiert. Der nun angedachte Zukunftsfonds sei eine „ganz innovative“ Form der Finanzierung.

„Gemeinsame Ziele“ als Herausforderung

Die Länder könnten damit das Geld flexibler einsetzen, da sie – zwischen Wien und dem Bregenzer Wald, so Raab sinngemäß – auch vor ganz unterschiedlichen Ausgangssituationen stünden. Unterschiedliche Ausgangssituationen schaffen allerdings auch unterschiedliche Forderungen, die mitunter schwer unter einen Hut zu bringen sind. „Ich will gemeinsame Ziele definieren“, so die Ministerin, und das bis 2030. Stichwort: „VIF-konform“ (Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf).

Damit Eltern auch in Vollzeit arbeiten können, sollen laut dem Indikator Einrichtungen mindestens 45 Stunden und an fünf Tagen in der Woche sowie an vier davon zumindest 9,5 Stunden geöffnet haben. Ganzjährig sollen sie mindestens an 47 Wochen geöffnet haben, die Kinder müssen außerdem mit einem Mittagessen versorgt sein. Derzeit sind nur rund 50 Prozent der Kinder über drei Jahren in VIF-konformen Einrichtungen, bei den Jüngeren sind es rund 60 Prozent.

Pläne für die Kinderbetreuung

Susanne Raab, Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien, ÖVP, stellte sich den Fragen von Petra Stuiber („Der Standard“) und Regina Pöll (ORF).

„Nur“ neue Betreuungsplätze zu schaffen, so Raab in der „Pressestunde“, sei aber nicht genug. Es müsse qualitativ hochwertige Betreuung sein. Und es gehe um einen ausreichenden Betreuungsschlüssel und darum, dass die Plätze mit Vollzeitbeschäftigung vereinbar seien. Hier gibt es wiederum sehr große Unterschiede zwischen den Ländern.

Ein gewisses „Henne-Ei-Problem“

Das Problem zu lösen sei nicht von heute auf morgen möglich, so Raab, die hier auch ein gewisses „Henne-Ei-Problem“ ortete, in dem Sinn, dass Plätze auch angenommen würden, wenn sie einmal da sind. Es brauche jedenfalls eine flächendeckende Bedarfserhebung. Es gehe am Ende darum, „dass wir es wirklich schaffen, dass die Familien frei entscheiden können“. Sie wolle „kein Modell vorgeben“, sagte Raab. Nur der Ausbau schaffe „die echte Wahlfreiheit“.

Wenn die im Raum stehenden 4,5 Mrd. Euro investiert würden, „dann schaffen wir das“, zeigte sich die Familienministerin einmal mehr optimistisch. Aber: Es müssten auch die Pädagoginnen und Pädagogen in den Kinderbetreuungseinrichtungen im Job behalten werden. Hier gehe es um das Gehalt, aber auch um Faktoren wie Gruppengrößen in der Betreuung. „Da brauchen wir die Bundesländer“, die die Rahmenbedingungen schaffen. Sie sei sehr zuversichtlich, was eine gemeinsame Zieldefinition betrifft, allerdings müsse auch Flexibilität bleiben.

„Wertvolle Zeit“ mit dem Kind

Dass etwa seitens der Wirtschaft der Finanzbedarf höher angesetzt wird, komme auch daher, mutmaßte Raab, dass diese das Ziel sehe, dass alle Frauen möglichst rasch nach der Geburt ihrer Kinder wieder in den Job einstiegen und Betreuung in Anspruch nehmen. Das entspreche aber nicht immer der Realität. Es gebe den „großen Wunsch, dass man eine wertvolle Zeit mit dem Kind verbringt“.

Kinder in einem Kindergarten spielen auf Instrumenten
Getty Images/Westend61
In den Ländern fehlen unterschiedlich viele Plätze – und der konkrete Betreuungsbedarf ist mitunter ebenso unterschiedlich

Für schärfere Gesetze bei Gewalt und Missbrauch

Bei zwei anderen Themen – Kinderschutz und Gewalt gegen Frauen – sprach sich Raab in der „Pressestunde“ dafür aus, Täter „härtestmöglich“ zu bestrafen. Anlässlich des Falls Florian Teichmeister bzw. des Urteils gegen den Schauspieler war eine entsprechende Debatte aufgeflammt.

Der Fall Teichtmeister

Susanne Raab, Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien, ÖVP, stellte sich den Fragen von Petra Stuiber („Der Standard“) und Regina Pöll (ORF).

Das Urteil gegen ihn – zwei Jahre Haft auf Bewährung mit Auflagen – wollte Raab „in der Sache nicht bewerten“. Sie könne aber ein gewisses Unverständnis daran nachvollziehen. Ein Paket zur Verschärfung des Strafrechts in entsprechenden Fällen liege auf dem Tisch. „Ja, wir geben Gas“, so Raab. „Ich halte das für absolut notwendig.“ Zweifel an der Wirksamkeit höherer Strafen teilte Raab – selbst Juristin – nicht. Es gehe auch um eine generalpräventive, also abschreckende Wirkung des Strafausmaßes.

Forderung: Leistung für Sozialhilfe bei Zuwanderern

Eine ganz andere Frage wiederum, nämlich die, ob sie eine „Scharfmacherin“ in Sachen Zuwanderung und Integration sei, beantwortete Raab damit, dass sie – unter Verweis auf ihre Erfahrung als Integrationsministerin – eine „Überzeugungstäterin“ sei.

Zuwanderung und Integration

Susanne Raab, Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien, ÖVP, stellte sich den Fragen von Petra Stuiber („Der Standard“) und Regina Pöll (ORF).

Sie beobachte, dass Menschen, die Asylstatus haben, mitunter lange in einem „Kurssystem hängen“ und „über viele Jahre“ Sozialhilfe bezogen – und das, während die Wirtschaft „händeringend“ nach Arbeitskräften suche. Hier fehle ihr das Verständnis. Wenn man alles im Land zur Verfügung gestellt bekomme, dann wolle sie, so Raab, auch, „dass man etwas leisten muss“.

Kritik von mehreren Seiten

Kritik an Raab kam nach der „Pressestunde“ von mehreren Seiten. Für die SPÖ etwa vermisste Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner in einer Aussendung „feministische Frauenpolitik“. Raab ruhe „sich auf Errungenschaften von sozialdemokratischen Frauenministerinnen aus und setzt die Forderung des Rechnungshofs nach einem Nationalen Aktionsplan Gewaltschutz nicht um. Feministische Frauenpolitik fehlt“, kritisiert Holzleitner.

Selbstbild als Frauenministerin

Susanne Raab, Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien, ÖVP, stellte sich den Fragen von Petra Stuiber („Der Standard“) und Regina Pöll (ORF).

„Beim vollmundig angekündigten Kinderbetreuungspaket“ bleibe Raab „vage“, so FPÖ-Familiensprecherin Rosa Ecker in einer Reaktion. „‚Müssen, sollen, werden‘: Was von Ankündigungen der ÖVP zu halten ist, wissen die Österreicher nur allzu gut: Da ist Skepsis angebracht. Zu einer qualitätsvollen Kinderbetreuung gehört im Übrigen auch die finanzielle Wertschätzung der familiären Betreuung. Da sehe ich von der angeblichen Familienpartei ÖVP wenig bis gar nichts“, kritisierte Ecker.

„Umfassende Investitionen in die Kinderbetreuung sind längst überfällig, damit dem Kindergarten endlich der Stellenwert zukommt, der ihm als erster Bildungseinrichtung gebührt“, hieß es in einer Aussendung von NEOS. „Wir werden Ministerin Raab beim Wort nehmen, dass sie beim Ausbau vor allem auf die Qualität der Betreuungsplätze achten wird.“ Eine von der Ministerin zitierte „echte Wahlfreiheit für Familien“ könne es nur geben, „wenn endlich ein österreichweiter Rechtsanspruch auf einen qualitativ hochwertigen Kindergartenplatz ab dem ersten Geburtstag besteht“.

„Zu langsam“ versus „große Chance“

„Die Finanzierung ist unklar, und der Ausbau der Elementarpädagogik schreitet viel zu langsam voran“, kommentierte die Vizepräsidentin und stellvertretende Frauenvorsitzende des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Korinna Schumann, die Ausführungen Raabs. Die Ministerin habe viel geredet, aber nur wenig gesagt. „Und dass die Regierung gerade die Karenz für Frauen um zwei Monate kürzt, wurde gleich ganz verschwiegen“, so die Gewerkschafterin.

Ingrid Korosec, Präsidentin des Österreichischen Seniorenbunds (ÖSB), sah „in der Kinderbetreuungsoffensive des Bundes eine große Chance für Frauen gegen Altersarmut“, wie es in einer Aussendung am Sonntag hieß. Die Bundesregierung setze mit der Ankündigung, weitere 4,5 Mrd. Euro in den Ausbau der Kinderbetreuung zu investieren, „einen wichtigen Schritt in mehr finanzielle Unabhängigkeit von Frauen – während des Erwerbslebens und in der Pension. Denn: Viel Teilzeit bedeutet wenig Pension!“