Russischer Öltanker
AP/Antonio Sempere
Nicht für Eis gebaut

Russische Öltanker fahren nun über Arktis

Erstmals hat Russland Öltankern die Erlaubnis erteilt, über die Nordroute, also die Arktis, nach China zu fahren. Das Ungewöhnliche daran: Die Schiffe haben keinen verstärkten Rumpf, wie auf vereisten Routen üblich. Umweltschutzorganisationen werfen Moskau vor, das Risiko einer Umweltkatastrophe wissentlich in Kauf zu nehmen, um sein mit westlichen Sanktionen belegtes Rohöl rascher nach China bringen zu können.

Zwei Öltanker erhielten laut „Financial Times“ bereits im August die Genehmigung, die rund 5.600 Kilometer lange Strecke entlang der nördlichen Küste Russlands zu fahren, obwohl es sich nicht um Eisklasse-Schiffe handelt, deren Rumpf verstärkt ist, um Eismassen brechen und diesen standhalten zu können.

Laut „Financial Times“ („FT“) brachen die beiden Öltanker Anfang September Richtung China auf. Den Nördlichen Seeweg, Teil der Nordostpassage, bezeichnete die Zeitung als „eine der gefährlichsten Eispassagen“. Zudem gibt es entlang der Küste keinerlei Infrastruktur, um im Falle eines Ölaustritts reagieren zu können.

„Zeigt Verzweiflung Russlands“

Fachleute betonten demnach, dass die nicht verstärkten Öltanker im September und Oktober, wenn das Eis am dünnsten ist, weniger gefährdet seien. Aber auch in diesem Zeitfenster bestehe die Gefahr eines Unfalls im Eis.

Laut dem norwegischen Journalisten Malte Humpert, der für „High North News“ als erster über die gefährliche Fahrt eines der beiden Tanker, „Leonid Loza“, berichtete, meinte, das zeige die „Verzweiflung“ Russlands beim Verkauf von Öl. Der Gewinn aus dem Verkauf sei Russland eindeutig wichtiger als die Umwelt. Russland werfe dafür lange befolgte Schutzmaßnahmen gegen das arktische Eis über Bord, um möglichst viel Öl nach China exportieren zu können. Auch Greenpeace Großbritannien spricht von einem unberechenbaren Risiko für die Umwelt, das Moskau damit in Kauf nehme.

Rosatom: Tanker genau untersucht

Auf Anfrage der „Financial Times“ teilte die russische Behörde Rosatom, die die Aufsicht über die Meeresroute innehat, mit, die Tanker seien genauestens untersucht worden, und Umweltüberlegungen hätten eine hohe Priorität. „Die verbesserten Fahrbedingungen im Sommer und Herbst machen eine sichere Fahrt für Nicht-Eisklasse-Schiffe möglich.“

Russland verwendet seit dem Inkrafttreten westlicher Sanktionen im Gefolge des russischen Überfalls auf die Ukraine den Nördlichen Seeweg häufiger. Die Fahrt auf der klassischen Route über den Suezkanal dauert 45 Tage. Gibt es keine Komplikationen, so ist die Fahrt über die Arktisroute um zehn Tage kürzer – und deutlich billiger.

Eis nicht berechenbar

Doch die Fahrt ist – ohne entsprechende Verstärkung des Rumpfs – das ganze Jahr über gefährlich. Denn die Bewegungen des Eises, ausgelöst durch Wellen, Strömungen und Wind, sind schwer vorhersehbar. Und wenn das Eis dünner ist, können die Wellen höher sein, was wiederum eigene Risiken mit sich bringt. Ende Juni mussten laut dem Onlinemagazin Barents Observer selbst mehrere verstärkte russische Öltanker anhalten, weil das Eis stärker war als ihre Eisklasse zuließ. Sie mussten demnach warten, bis Eisbrecher-Eskorten kamen und den Weg freimachten.

Die „Loenid Loza“ ist zwölf, die „NS Bravo“ 13 Jahre alt. Jede hat eine Million Fass Rohöl geladen. Die Zielhäfen sind in China. 2020 beanstandeten russische Behörden Mängel bei der „NS Bravo“ – unter anderem bezüglich Sicherheitsmaßnahmen und Rostschäden am Deck. Grundsätzlich haben alle Öltanker, die seit 1995 gebaut werden, einen doppelten Rumpf, um das Risiko von Ölaustritt zu reduzieren. Wenn beide Rumpfwände beschädigt werden, ist aber weiterhin Ölaustritt möglich.