Diesellok der ÖBB
ORF.at/Georg Hummer
Greenpeace-Studie

Österreich verlor über 650 km Bahnstrecken

Nur drei Länder in der EU haben in den vergangenen drei Jahrzehnten mehr für den Ausbau der Bahn als für die Straßeninfrastruktur investiert – dazu zählt auch Österreich. Doch das heißt nicht, dass es mehr Strecken gibt: Wie eine aktuelle Studie im Auftrag von Greenpeace zeigt, wurden hierzulande seit 1995 über 650 Kilometer Bahnstrecken aufgelassen – das betrifft besonders den Regionalverkehr. Die ÖBB weisen Kritik zurück und berufen sich auf gesetzliche Vorgaben.

Im Auftrag von Greenpeace untersuchten das Wuppertal Institut und der Thinktank T3 Transportation, wie sich die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs in der EU-27, Großbritannien, Norwegen und der Schweiz in den letzten drei Jahrzehnten verändert hat. Trotz mehr Investments in Schiene als in die Straße seit 1995 findet die NGO vor allem kritische Worte für Österreich. Gefordert wird die Reaktivierung von Strecken und Bahnhöfen, die seit 1995 geschlossen wurden – in erster Linie, weil sie unrentabel waren.

Während in den Jahren 1995 bis 2018 europaweit das Straßennetz um über 30.000 Kilometer gewachsen sei, sei das Schienennetz im gleichen Zeitraum um mehr als 15.000 Kilometer geschrumpft, ließ Greenpeace berechnen.

Seit 1995 zwei Drittel mehr in Ausbau der Straßen investiert

Der Bericht zeigt, dass die untersuchten Länder seit 1995 fast zwei Drittel mehr in den Ausbau und die Sanierung von Straßen investiert haben (1,5 Billionen Euro) als in den Ausbau des Bahnverkehrs (931 Milliarden Euro). In den Jahren 2018 bis 2021 habe sich diese Schere etwas geschlossen.

In diesen vier Jahren investierten die Länder nur noch rund ein Drittel mehr in den Ausbau der Straße. Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg und Großbritannien hätten in diesem Zeitraum sogar mehr in den Bahnverkehr investiert als in den Straßenverkehr.

Vor allem Bewegung in Niederösterreich gefordert

In Österreich seien allerdings in den insgesamt fast drei beobachteten Jahrzehnten 655 Bahnkilometer und 230 Bahnhöfe stillgelegt worden. „Nun sind die Landesregierungen gefordert: Vor allem im Schlusslicht Niederösterreich müssen stillgelegte Regionalbahnstrecken wieder reaktiviert werden“, so Marc Dengler von Greenpeace Österreich. Dabei kommt es nach Ansicht der Umweltorganisation nicht darauf an, ob die Strecken rentabel sind.

Regionalzug ÖBB Tirol
ORF.at/Christian Öser
Vor allem der Regionalverkehr ist betroffen

Von allen stillgelegten Bahnstrecken befand sich laut Greenpeace jede zweite in Niederösterreich. Die Steiermark und Kärnten stellten jeweils sechs Strecken ein. In den drei westlichen Bundesländern Vorarlberg, Tirol und Salzburg wurde im Untersuchungszeitraum keine einzige Bahnstrecke stillgelegt.

Die längste stillgelegte Bahnstrecke war laut der Studie die Ybbstalbahn mit einer Länge von 50 Kilometern. Sie wurde größtenteils demontiert, mit Ausnahme eines kurzen Nahverkehrs und einer Museumsbahnstrecke. Die Stadt mit den meisten Einwohnern und Einwohnerinnen, die von der Schließung eines Bahnhofs betroffen ist, sei Zwettl – mehr dazu in noe.ORF.at.

ÖBB weisen Kritik zurück

Die ÖBB wollten diese Kritik nicht auf sich sitzen lassen: In den Jahren 2023 bis 2028 werde die ÖBB-Infrastruktur AG rund 1,8 Milliarden Euro in die Modernisierung und Attraktivierung der Regionalbahnen investieren, hieß es in einer Stellungnahme. Es könnten nicht alle Strecken erhalten und modernisiert werden.

Im Ö1-Morgenjournal sagte Franz Hammerschmid von den ÖBB, dass es darum gehe, welches Angebot man Menschen in einer Region mache. „Und da kann es sein, dass einmal die Eisenbahn das bessere Angebot ist, und dann ist es der Bus oder vielleicht auch ein anderes Mikro-ÖV-System“, so Hammerschmid.

Hammerschmid sieht Bus oft als attraktive Alternative

Laut Hammerschmid werden in der Greenpeace-Studie vor allem viele Strecken in Gegenden, „wo sehr wenige Menschen wohnen, wo sehr viel Natur ist und wo auch sehr viel Ausflugsverkehr und Tourismusverkehr stattfindet“, erwähnt. Man habe in den vergangenen 20 Jahren mit den Ländern Konzepte entwickelt, „wie man den Menschen ein gutes Angebot im öffentlichen Verkehr machen kann“.

Regionalzug ÖBB Tirol
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Dieselzüge durch elektrische Alternativen zu ersetzen ist nicht immer möglich

Dabei gebe es Gegenden, wo „Busangebote das bessere Angebot sind“. Der „Durchschnittsfahrgast unterscheidet nicht, ob das Fahrzeug Gummi- oder Eisenräder hat“, so Hammerschmid. Im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Umwelt verwies Hammerschmid darauf, dass auf den meisten Strecken „hauptsächlich Dieselzüge“ gefahren seien, ein moderner Autobus verbrauche wesentlich weniger Diesel pro Fahrgast. Er verwies auch auf den Lebenszyklus eines Schienenfahrzeugs: „Sie können einen Dieselzug aus den 90er Jahren nicht einfach so ersetzen, weil Sie das Fahrzeug dann woanders einsetzen müssen.“

Wenn keine entsprechende Nachfrage zu erwarten sei, dürften die ÖBB entsprechend den vom Verkehrsministerium vorgeschriebenen Wirtschaftlichkeitskriterien nicht investieren, so die ÖBB. Die Wiedereröffnung eingestellter regionaler Zugsverbindungen würde enorme Kosten verursachen und geringen Nutzen bringen, argumentieren die ÖBB.