UAW-Präsident Shawn Fain mit Hunderten Mitgliedern während eines Protestmarsches in Detroit
APA/AFP/Getty Images/Bill Pugliano
Ruf nach Viertagewoche

US-Autostreik als möglicher Wendepunkt

Kürzlich haben die Beschäftigten der drei größten Autohersteller in den USA einen historischen Streik begonnen, mit dem sie unter anderem die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich fordern. Bisher ist die Viertagewoche am Fließband noch nicht angekommen. Das könnte sich laut Fachleuten aber nun ändern, sie sehen in dem Streik einen möglichen Wendepunkt.

Seit vergangener Woche streiken rund 13.000 Beschäftigte der „Big Three“ Ford, General Motors und Stellantis – ein bisher einmaliger Schritt. Die Streikenden fordern nach den Entbehrungen seit der Finanzkrise 2008 Gehaltserhöhungen von rund 40 Prozent über vier Jahre, eine bessere Altersversorgung und eine größere Arbeitsplatzsicherheit im Zuge der Umstellung der Produktion von Verbrenner- auf Elektrofahrzeuge. Und sie fordern die Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich.

„Unsere Mitglieder arbeiten 60, 70 oder sogar 80 Stunden pro Woche, nur um über die Runden zu kommen. Das ist kein Leben. Es bringt kaum ein Überleben und es muss aufhören“, sagte der Präsident der federführenden Gewerkschaft UAW, Shawn Fain, im August in einem Facebook-Livestream. Auch andere Gewerkschaften unterstützen die Forderung. Der AFL-CIO, der größte Gewerkschaftsbund in den USA, empfahl schon 2019 Verhandlungen über eine Viertagewoche.

Veränderte Arbeitswelt

Die Forderung ist in vielen westlichen Demokratien in aller Munde, nicht zuletzt auch in Österreich. In den USA wurde sie in Dutzenden Firmen eingeführt, oft ohne jede Änderung bei der Entlohnung. Die Crowdfunding-Plattform Kickstarter etwa bestätigte, dass seit der Einführung im Vorjahr die Produktivität der Beschäftigten und ihre Bindung ans Unternehmen gestiegen sei. Und viele Pilotprojekte testen derzeit die reale Umsetzung, allerdings sind diese meist auf Bürojobs begrenzt.

Manche Fachleute sehen aber durch den Streik eine starke Dynamik in der Debatte über die Ausweitung der 32-Stunden-Woche. „Der UAW-Streik könnte der Wendepunkt bei der Einführung der Viertagewoche sein“, schreibt das US-Onlinemagazin Quartz.

Die richtungsweisende Forderung der Gewerkschaft werde „starken Nachhall“ haben, unabhängig davon, ob sie Erfolg hat oder nicht, wird Cathy Creighton von der Cornell University zitiert. In einer Welt nach der Pandemie habe sich die Einstellung zur Work-Life-Balance geändert, der Arbeitsmarkt sei angespannt, und Unternehmen seien bestrebt, Arbeitskräfte anzuziehen und auch zu halten.

Viertagewoche als Mainstream

Bisher sei die Viertagewoche noch nicht üblich, sondern in Unternehmen verbreitet, die sich in ihrer Branche hervortun wollen, so Alex Soojung-Kim Pang von Four Day Week Global gegenüber der Finanzwebsite MarketWatch. Er berät Unternehmen bei der Umsetzung der Viertagewoche. Setzt sich die UAW mit ihrer Forderung durch, „würde das dazu beitragen, die Viertagewoche zu einem Mainstream-Anspruch für jeden Arbeitnehmer und Geschäftsinhaber zu machen“, so Soojung-Kim Pang.

USA: Streik bei Autoherstellern

Vor Kurzem sind die Beschäftigten der drei größten Autohersteller in den USA in einen historischen Streik getreten, mit dem sie unter anderem die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich fordern. Die Gespräche mit den Arbeitgebern kommen nur langsam voran, die Gewerkschaft droht daher mit einer Ausweitung des Streiks.

Wenn die Menschen sähen, dass die Regelung sogar in einer Autofabrik funktioniere, „kann ich es durchaus hier in meiner kleinen Fabrik oder in meinem Unternehmen machen“. Der Berater ging sogar davon aus, dass die UAW bereits einen Gamechanger vollbracht habe, selbst wenn die Forderung nicht erfüllt wird. Denn nun müssten auch Skeptiker anerkennen, dass die Nachfrage bestehe. Das habe wohl Auswirkungen weit jenseits des aktuellen Streiks, so Soojung-Kim Pang.

Zähe Verhandlungen

Für die Gewerkschaft selbst ist die Viertagewoche eine Forderung neben anderen. Die Gespräche mit den Arbeitgebern kommen nur langsam voran, es gibt kaum Annäherung. Die UAW droht daher mit einer Ausweitung des Streiks. „Wir sind bereit, alles zu tun, was wir tun müssen“, so die UAW Die Gewerkschaftsmitglieder hätten „die Nase voll“, so Gewerkschaftschef Fain.