Rishi Sunak
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Kleinere Klimaziele

Britische Autobranche gegen Sunaks Pläne

Der konservative britische Premierminister Rishi Sunak will die Klimaziele seines Landes aufweichen. Sunak bestätigte am Mittwoch unter anderem die Verschiebung für das Aus von Verbrennerneuzulassungen. Kritik an diesem Vorhaben kam ausgerechnet aus der Autobranche. Aber auch in Sunaks Konservativer Partei regt sich Widerstand.

Der Branchenverband SMMT zeigte sich besorgt. Staat und Industrie hätten Milliarden in die E-Mobilität investiert. Eine Verschiebung des Verbots könne dazu führen, dass Autofahrerinnen und Autofahrer den Umstieg auf Elektroautos verzögern, sagte SMMT-Chef Mike Hawes am Mittwoch dem Sender BBC Radio 4. Die Regierung müsse ambitioniert und konsistent sein, sagte Ford-Managerin Lisa Brankin. Eine Aufweichung der Klimaziele unterlaufe das aber.

Mehr als 1,1 Millionen E-Autos wurden zuletzt auf britischen Straßen gezählt. Das ist weiterhin nur ein Bruchteil aller Fahrzeuge. Auch Peugeot, der Vauxhall-Eigner Stellantis, Jaguar Land Rover und Volkswagen pochten auf verlässliche Pläne der Regierung. Kritiker monierten zudem, Großbritannien werde beim Wechsel auf Elektromobilität womöglich keine Führungsrolle mehr einnehmen.

Änderungen bei Heizungsumrüstung

Der bisher eingeschlagene Kurs bürde den Menschen in Großbritannien „inakzeptabel hohe Kosten“ auf, rechtfertigte Sunak am Mittwoch seinen Schwenk. Am langfristigen Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, wolle er zwar weiterhin festhalten, betonte er, fügte jedoch hinzu: „Aber wir können all das auf eine fairere, bessere Weise machen.“ Mit Blick auf die bisherigen Klimaschutzziele sagte er auf einer Pressekonferenz: „Wenn wir diesen Weg fortsetzen, riskieren wir, die britische Bevölkerung zu verlieren.“ Dann werde es kein Verständnis für die Maßnahmen geben.

ORF-Reporter zu Kehrtwende in britischer Klimapolitik

ZIB-Korrespondent Jörg Winter berichtet aus London über das Zurückrudern des Premierministers in der britischen Klimapolitik und spricht über dessen Resonanz in Politik, Bevölkerung und Industrie.

Am Mittwochabend bestätigte Sunak bei einer Rede in der Downing Street die Pläne, etwa dass das Aus für Neuwagen mit Verbrennermotoren von 2030 auf 2035 verschoben werden solle. Die oppositionelle Labour-Partei, die in Umfragen haushoch vor Sunaks Konservativen führt, kündigte an, Labour werde im Falle eines Wahlsiegs bei der für kommendes Jahr erwarteten Parlamentswahl am bisherigen Datum zum Verbrenner-Aus festhalten. Laut einer Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov steht die Mehrheit der Briten und Britinnen hinter der Maßnahme, das Verbrenner-Aus zu verschieben.

Sunak: GB kann sich Verzögerung leisten

Auch die Neuinstallation von Gasheizungen solle länger als bisher erlaubt bleiben, sagte Sunak. Für bestehende Heizungen soll es gar keine Frist zur Umstellung auf Wärmepumpen geben. „Ich werde niemals irgendjemanden dazu zwingen, seinen existierenden Boiler herauszureißen, um ihn durch eine Wärmepumpe zu ersetzen“, sagte Sunak.

Sunak warf früheren Regierung vor, sich zu schnell auf Klimaneutralitätsziele festgelegt zu haben, ohne dafür die Unterstützung der Öffentlichkeit zu haben. Seine Regierung bleibe dem Ziel verpflichtet, bis 2050 Netto-null-Emissionen zu erreichen. Das bedeutet, dass höchstens so viel Treibhausgas in die Atmosphäre abgegeben wird, wie gleichzeitig aus der Atmosphäre entnommen wird. Nach Sunaks Ansicht kann sich Großbritannien eine Verzögerung des Klimaschutzes leisten, weil es „so weit vor allen anderen Ländern der Welt“ sei.

Sunak bestreitet Zusammenhang mit Umfragewerten

Die Pläne der Regierung waren am Dienstag durch einen Bericht der BBC publik geworden. Sunak erklärte daraufhin Dienstagabend, Politikerinnen und Politiker aller Lager seien bisher „nicht ehrlich“ über die Kosten gewesen. Er bestritt, mit dem Schritt hauptsächlich auf die schlechten Umfragewerte seiner Partei zu reagieren, die sich voraussichtlich im kommenden Jahr einer Parlamentswahl stellen muss.

Innenministerin Suella Braverman sagte am Mittwoch, Klimaschutz dürfe die Bevölkerung nicht überfordern. „Wir müssen einen pragmatischen Ansatz wählen“, sagte sie dem Times Radio. „Wir werden den Planeten nicht retten, indem wir die britische Bevölkerung in die Pleite schicken.“

Torys droht Spaltung

Die Verwässerung der Klimaschutzpläne wird auch in den Reihen der Torys kritisch gesehen. Bereits nach Aufkommen des BBC-Berichts am Dienstagabend meldeten britische Medien, dass einige Abgeordnete der Konservativen Partei einen Brief zur Abhaltung eines Vertrauensvotums vorbereiteten, falls Sunak von bisherigen Vorhaben abweicht.

Sunaks früherer Umweltberater Zac Goldsmith sprach von einem „Moment der Schande“. „Seine kurze Amtszeit als Premierminister wird als der Moment in Erinnerung bleiben, in dem das Vereinigte Königreich der Welt und künftigen Generationen den Rücken kehrte“, sagte er der BBC.

Der Tory-Abgeordnete und frühere Energiestaatssekretär Chris Skidmore warnte, Sunak mache „den größten Fehler seiner Amtszeit“. Ex-Premierminister und Sunaks Parteifreund Boris Johnson kritisierte, Unternehmen müssten Sicherheit über die Ziele für Klimaneutralität des Landes haben. „Wir können uns nicht leisten, jetzt einzuknicken“, sagte Johnson.

Der für Energiefragen zuständige Abgeordnete der oppositionellen Labour-Partei, Ed Miliband, sprach von einer „kompletten Farce einer Tory-Regierung, die buchstäblich nicht weiß, was sie Tag für Tag tut“. Konservative Medien begrüßten die Ankündigung hingegen. „Endlich! Gesunder Menschenverstand“, schrieb die „Daily Mail“.

Johnsons „grüne Revolution“ auf dem Prüfstand

Unter Umweltgruppen war zuletzt die Sorge gewachsen, dass Sunak angesichts der bevorstehenden Parlamentswahl im nächsten Jahr in der Zurücknahme einiger Klimaschutzmaßnahmen eine Möglichkeit sieht, Wechselwählerinnen und Wechselwähler für sich zu gewinnen. Es wäre eine bemerkenswerte Kehrtwende für Großbritannien, das bis vor Kurzem ein selbst ernannter Vorreiter in der Klimapolitik war.

Einige Mitglieder von Sunaks Konservativen hatten zuletzt erklärt, Klimapolitik sei ein Bereich, in dem sie eine klare Trennlinie zur Labour-Partei ziehen könnten. Die in Umfragen hinter Labour zurückliegenden Konservativen hatten im Sommer unerwartet die Wahl des alten Sitzes im Parlament von Ex-Premier Johnson gewonnen – nach Einschätzung von Beobachterinnen und Beobachtern auch deshalb, weil sie sich gegen die Entscheidung des Labour-Bürgermeisters von London ausgesprochen hatten, in der Stadt eine Umweltzone auszuweiten.

Das aktuelle Ziel, keine Verbrennerneuwagen mehr ab 2030 zu verkaufen, war vor knapp drei Jahren als zentraler Baustein der Pläne des damaligen Premiers Johnson für eine „grüne Revolution“ festgelegt worden. Erst im Juli bekräftigte der zuständige Minister Michael Gove die Unterstützung der Regierung Sunak für diese Politik.