Demonstration der streikenden DrehbuchautorInnen und SchauspielerInnen in New York
AP/Mary Altaffer
Filmcrews ohne Arbeit

Hollywood-Streik mit Folgen bis nach Europa

Der Streik in Hollywood bringt nicht nur Filmproduktionen in den USA zum Erliegen. Auch europäische Länder haben sich in den letzten Jahren zu wichtigen Produktionsstätten für die US-Filmindustrie entwickelt und sind von den Protesten unmittelbar betroffen. Zwar zeigen sich europäische Filmschaffende solidarisch, die Streiks haben aber etwa in Großbritannien dazu geführt, dass Tausende Filmcrews ihre Arbeit verloren haben.

Die Affinität US-amerikanischer Filmproduktionen zu britischen Studios begann der Legende nach Mitte der 1970er Jahre mit dem ersten Film der „Star Wars“-Reihe. Ursprünglich sei es vor allem um die Kosten gegangen, schreibt die BBC. Damals habe kein großes Hollywood-Studio in George Lucas’ Film investieren wollen, zudem habe es nicht genug Tonbühnen gegeben.

Die Wahl fiel schließlich auf Großbritannien, konkret auf Filmstudios in Elstree und Shepperton. Der Trend habe sich im letzten Jahrzehnt dank steuerlicher Anreize und der Nachfrage der Filmemacher nach erfahrenen Crews noch verstärkt, schreibt die „New York Times“ („NYT“). 2022 wurde laut British Film Institute eine Rekordsumme von 7,8 Milliarden US-Dollar (7,3 Mrd. Euro) für Film- und TV-Produktionen in Großbritannien ausgegeben. Auch Streaminganbieter wie Netflix hätten einen Boom beim britischen Studiobau ausgelöst.

Filmcrews arbeitslos

Die rosigen Zeiten scheinen durch den Streik aber zumindest vorerst unterbrochen. Mehr als 11.000 Drehbuchautorinnen und -autoren der Gewerkschaft der Autoren in der Film- und Fernsehindustrie der USA, der Writer’s Guild Of America (WGA), haben seit Anfang Mai die Arbeit niedergelegt. Mitte Juli schlossen sich rund 160.000 Schauspielerinnen und Schauspieler der Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA an. Sie fordern unter anderem eine bessere Bezahlung und klare Regeln für den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI).

Gespräche angelaufen

Derzeit verhandeln die US-Filmstudios und WGA wieder – nach einem wochenlangen Stillstand. Auch über das Wochenende hinaus sollen die Gespräche weitergehen.

Das wirkt sich auch auf Filmproduktionen im Ausland aus. Während der Spätsommermonate waren etwa die Studios in Pinewood, die größten britischen Filmstudios, fast leer. Für „Deadpool 3“ sowie den zweiten Teil von „Mission: Impossible – Dead Reckoning“ wurden der „NYT“ zufolge die Dreharbeiten gestoppt. Die Zahl der Produktionen, die seit Juli verschoben wurden, sei zwar relativ gering, es handle sich aber um Großprojekte, die „ein Ökosystem von Unternehmen“ für visuelle Effekte, Catering und andere Dienstleistungen erhalte.

Eingang zum größten britischen Filmstudio Pinewood Studios
IMAGO/Peter Cook
Arbeiten in den Filmstudios in Pinewood stehen durch den Streik zu einem großen Teil still

Teile der Filmcrews, wie Kameraleute und Kostümbildner, seien arbeitslos, nachdem Produktionen innerhalb weniger Tage eingestellt wurden. Laut der britischen Gewerkschaft Bectu gaben 80 Prozent der 4.000 Film- und Fernsehmitglieder an, dass ihre Arbeitsplätze durch die Streiks betroffen waren, drei Viertel von ihnen sind den Angaben zufolge arbeitslos.

Schwierig für „andere Seite des Streiks“

„Unabhängig davon, ob man den Studios oder den Gewerkschaften recht gibt, gibt es Menschen, die im Vereinigten Königreich leiden“, zitierte die „NYT“ Marcus Ryder, den neuen Geschäftsführer der Film and TV Charity. Im August erhielt die Wohltätigkeitsorganisation mehr als 320 Anträge auf Härtefallzuschüsse, im Vorjahr waren es nur 37 gewesen.

Auch in den USA wächst vonseiten der Filmcrews Unmut über die Auswirkungen des Produktionsstopps. Für diejenigen, die nicht den streikenden Gewerkschaften angehören, aber dennoch die Beschäftigten unterstützen wollen, sei es nicht einfach, Solidarität zu zeigen, schreibt „The Atlantic“. Obwohl die Bemühungen der WGA möglicherweise zu einem besseren Vertrag für viele Autoren führen könnten, brauchten etwa Assistenten schließlich Geld, um „die andere Seite des Streiks“ zu überstehen.

Europäische Produktionsstätten betroffen

Aber auch andere europäische Länder wie Griechenland und Irland haben sich in den letzten Jahren zu Produktionsstätten für große Hollywood-Blockbuster entwickelt. Vor allem die ungarische Hauptstadt Budapest diente in den letzten Jahren häufig als Filmkulisse, auch wenn sie auf der Kinoleinwand häufig nicht als diese zu erkennen ist.

2022 fanden in Ungarn dem Branchenmagazin „Variety“ zufolge mehr als 300 Produktionen statt, die einen Gesamtwert von 690 Millionen US-Dollar einbrachten. Für große Blockbuster wie Dennis Villeneuves „Blade Runner 2049“, das auf Dan Browns Buch basierende „Inferno“ oder auch den Science-Fiction-Film „Der Marsianer“ diente Ungarn bereits als Schauplatz für ein Casino in Las Vegas, einen florentinischen Hauptplatz und ein Quartier der NASA.

Tom Hanks und Felicitiy Jones bei Dreharbeiten zum Film „Inferno“ in der ungarischen Hauptstadt Budapest
picturedesk.com/EPA/Bea Kallos
Tom Hanks und Felicity Jones bei Dreharbeiten zu „Inferno“ in Ungarn

Ausnahmegenehmigungen als „Rettungsanker“

Im Großen und Ganzen sei das Geschäft derzeit „definitiv rückläufig“, sagt Ildiko Kemeny, Geschäftsführerin von Pioneer Stillking Films, gegenüber „Variety“. Sie war sowohl für den britischen Historienspielfilm „Poor Things“, der bei den Filmfestspielen von Venedig den Hauptpreis abräumte, als auch für das Biopic über die amerikanische Fotojournalistin Lee Miller mit Kate Winslet in der Hauptrolle, „Lee“, als Produzentin tätig.

Stone, die Hauptdarstellerin von „Poor Things“, hatte eine Ausnahmegenehmigung der SAG-AFTRA erhalten, die es ihr erlaubte, für den Historienfilm zu werben. Derartige Lösungen hätten dem Drehort Budapest „einen Rettungsanker“ verschafft, so „Variety“. Man sei zwar betroffen, „aber in der Stadt herrscht nach wie vor reger Betrieb“, so auch Adam Goodman von Mid Atlantic Films, der derzeit Lionsgates „The Killer’s Game“ mit Dave Bautista und Ben Kingsley in den Hauptrollen betreut.

Auch er erhielt eine SAG-AFTRA-Ausnahmegenehmigung für die Dreharbeiten während des Streiks. „Ähnlich wie bei dem Coronavirus wird es einen Ansturm auf die Produktion geben, sobald ein Ende in Sicht ist und Produzenten und Studios sehen, dass eine Lösung in Sicht ist“, zeigte sich Goodman optimistisch. „Die Kulissen und das Personal werden sehr schnell ausgebucht sein, ähnlich wie nach der Pandemie.“

Szene des Films „Blade Runner 2049“ mit Ryan Gosling
IMAGO/ZUMAPRESS.com/Entertainment Pictures/Columbia Pictures
Auch Ryan Gosling drehte im Rahmen von „Blade Runner 2049“ in Ungarn

„Chance“ für europäische Firmen?

Dass der Streik auch Möglichkeiten für europäische Firmen mit sich bringen könnte, stellte Constantin-Chef Moszkowicz gegenüber dem Onlineportal DWDL.de in Aussicht. „Je nach Länge des Arbeitskampfes ergeben sich für europäische Firmen Chancen und Risiken. Es ist derzeit noch nicht absehbar, in welchem Umfang.“

Vorerst sorge der Doppelstreik in Europa aber vor allem für Chaos, betroffen seien nicht nur Dreharbeiten, sondern auch die Bewerbung von Filmen in Europa, wie die „Oppenheimer“-Premiere in London zeige, die die Stars aus Solidarität mit den Streikenden frühzeitig verließen.

Durch die Lage in Hollywood rücke Europa aber „automatisch mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit“, weil Streiks in Hollywood lange dauern würden, so die Deutschland-Chefin des französischen Filmkonzerns Gaumont, Sabine de Mardt. Es werde „sicher mehr Chancen für Kofinanzierungen und Lizenzierungen europäischer Produktionen geben“.