Faaker See
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Teuerung und Klima

Sommertourismus vor Veränderungen

Der Tourismus in Österreich hat sich nach dem Tief wegen der Coronavirus-Pandemie nach Gästezahlen inzwischen wieder erholt, wie eine Einschätzung des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) zeigt: Die Zahl der Nächtigungen lag in der ersten Sommerhälfte 2023 sogar über dem Niveau von 2019, vor CoV. Ob der Rekord zu halten ist, ist allerdings fraglich. Und auf den Sommertourismus kommen Veränderungen zu.

Die Nachfrage in Hotels, Pensionen und Gasthöfen habe zuletzt jene vor der CoV-Krise übertroffen, hieß es in einem am Donnerstag veröffentlichen „Research Brief“ zur aktuellen Lage im heimischen Tourismus. Laut diesem stieg die Zahl der Ankünfte und Nächtigungen – als übliche Messgrößen – in österreichischen Beherbergungsbetrieben in der ersten Hälfte des Sommers (Mai bis Juli) um 1,0 bzw. 2,0 Prozent, die Zahl der heimischen um 3,2 Prozent und die der internationalen Gäste um 1,5 Prozent über dem Niveau von 2019.

Für die gesamte Saison werde ein neuer Höchstwert von knapp 80 Millionen Nächtigungen erwartet, das „Kalenderjahr 2023 könnte mit geschätzt etwa 150 Millionen Nächtigungen das zweitbeste Ergebnis nach 2019“ bringen, hieß es in der Veröffentlichung des WIFO. Die nach wie vor hohe Inflation und folglich die „Sparsamkeit der Gäste“ dürften den positiven Trend jedoch bremsen.

Inflation ist Hauptbelastungsfaktor

Die Statistik Austria hatte am Dienstag die neuesten Zahlen zur Inflation veröffentlicht. Laut diesen waren die Preise in Restaurants und Hotels im August um 12,0 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Essen und Trinken waren um 11,7 Prozent teurer, Beherbergungsdienstleistungen – also Zimmer – um 14,4 Prozent, wobei der Wert im Juli mit plus 16,5 Prozent noch höher gewesen war.

Die „nur langsam zurückgehende Inflation und die verschlechterten Konjunkturaussichten trübten jedoch die Stimmung im Jahresverlauf ein, sodass die Bilanz für das Gesamtjahr 2023 etwas hinter den Erwartungen zurückbleiben könnte“, hieß es in einer Aussendung des WIFO zur Tourismusanalyse vom Donnerstag. In den beiden Pandemiejahren 2020 und 2021 war die Zahl der Nächtigungen laut WIFO um 35,9 Prozent (2021) bzw. 47,9 Prozent (2022) zurückgegangen.

Gäste zieht es verstärkt in die Berge

Im Gegensatz zur Zahl der Ankünfte und Nächtigungen hätten die (preisbereinigten) Umsätze der Tourismuswirtschaft „das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreichen“ können. Laut Schätzung des WIFO lagen die Umsätze von Mai bis Juli 2023 zwar um 14,5 Prozent über dem Vergleichswert von 2019, die realen Einnahmen blieben jedoch um 11,7 Prozent darunter. „Die wiedergewonnene Reiselust der Gäste ging also mit einer Zurückhaltung bei den Ausgaben einher.“

Wanderer
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Wege der heißen Sommer dürfte es Gäste in den nächsten Jahren eher in kühlere Bergregionen ziehen

Besonders stark zog es Gäste aus dem In- und Ausland laut der Tourismusanalyse unter dem Titel „Die Gäste kommen zurück, aber Teuerung dämpft reale Umsätze“ in die Berge. In den Alpenregionen lagen die Nächtigungen laut WIFO im Schnitt um 3,6 Prozent über dem Vergleichszeitraum 2019.

Klimawandel und „Overtourism“

Wegen des Klimawandels, heißt es in dem Bericht, und wegen immer heißerer Sommer im Flachland, derentwegen es Urlauberinnen und Urlauber zumindest zum Teil in kühlere Gegenden zieht, „können diese Regionen auch in den kommenden Jahren mit einer verstärkten Nachfrage in der Sommersaison rechnen“. Doch dadurch werde das Problem „’Overtourism’ (auch) die alpinen Destinationen betreffen“, sie könnten sprichwörtlich überrannt werden, was wiederum spezifische Probleme mit sich bringt.

Mit Blick auf das Gesamtjahr 2023 sieht das WIFO aber eher eine Abschwächung der Nachfrage, in Zahlen um 1,7 Prozent unter dem Wert von 2019. Der Winter ist eine offene Frage: „Auch der Beitrag des Tourismus zur heimischen Wirtschaftsleistung wird das Vorkrisenniveau nicht ganz erreichen. Ein schneereicher Winterbeginn könnte die Aussichten jedoch verbessern“, heißt es in der Analyse der WIFO-Studienautoren Oliver Fritz und Sabine Ehn-Fragner.

Mit Gästezahlen steigen nicht automatisch Einnahmen

Der Trend der ersten Sommerhälfte ist für die Tourismuswirtschaft positiv, die wirtschaftliche Situation allerdings nicht. Die „Einnahmen hinken deutlich hinterher“, hieß es am Donnerstag in einer Aussendung der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHN), und zwar um 11,7 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 2019. „Diese alarmierenden Zahlen müssen die Politik wachrütteln“, sagte Walter Veit, der Präsident der ÖHV, und forderte „ein sofortiges Umdenken und radikales Umlenken in der österreichischen Standort- und Wirtschaftspolitik.“ Es müssten ganz neue Prioritäten gesetzt werden.

Tourismusbranche zieht Bilanz

Sommertourismus vor Veränderungen

Auch eine Umfrage des Fachverbandes Hotellerie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) unter rund 600 Hotellerie- und Gastronomiebetrieben kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass die Geldbörse bei Gästen deutlich weniger locker sitzt als vor der Teuerungswelle. „Die Gäste schränken Besuche in Hotels und Gastronomie ein, oftmals kommt es von einer Verschiebung des Urlaubs in die Vor- bzw. Nachsaison, man verzichtet auf die zweite Flasche Wein“, so Hotellerie-Obmann Johann Spreitzhofer

Gäste aus Russland fehlen

Die CoV-Pandemie und Höchstwerte bei Energiepreisen und Inflation würden zur zunehmenden Belastung, Priorität müsse „jetzt die Abwehr der drohenden Rezession haben, mit ihren möglicherweise fatalen Folgen für Unternehmen, die schon in den Seilen hängen“. „Überfällige Entschädigungen“ für Einnahmeausfälle aus der Zeit der CoV-Lockdowns und der „Energiekostenzuschuss 2 dürfen nicht länger zurückgehalten werden“.

Die Gästezahlen entwickelten sich in der ersten Sommerhälfte nach Bundesländern unterschiedlich. Das Burgenland, Niederösterreich, Wien (minus 4,1 Prozent) und Tirol (minus 4,0 Prozent) lagen deutlich unter dem Niveau von 2019. In Wien (minus 400.000 Nächtigungen) fehlten laut WIFO-Analyse vor allem Gäste aus Russland (minus 81,5 Prozent) und China bzw. Japan (über minus 70 Prozent).