Bewaffnete Panzerfahrzeuge und ein Soldat in der Nähe des Torocon-Gefängnisses in Venezuela
APA/AFP/Yuri Cortez
Von Bande beherrscht

Venezuela erobert „Luxusgefängnis“ zurück

11.000 Sicherheitskräfte hat Verenzuela entsandt, um eines der größten Gefängnisse des Landes, das von einer mächtigen Mafiaorganisation übernommen wurde, wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Das Gefängnis im Norden des politisch und wirtschaftlich instabilen Landes wurde seit Jahren von der Organisation beherrscht. Das Gefängnis wurde von der kriminellen Bande mit hotelartigen Annehmlichkeiten wie einem Pool, einem Nachtclub und sogar einem Minizoo ausgestattet.

Die Mitglieder der Bande Tren de Aragua konnten sich laut lokalen Medienberichten frei im Gefängnis bewegen. Laut Behördenangaben sollen die 6.000 Häftlinge nun in andere Gefängnisse verlegt werden.

Vielfach lebten Familienangehörige mit Inhaftierten im Tocoron-Gefängnis. Nach der Ankündigung der Behörden, dass Insassen verlegt werden, versammelten sich einige Frauen und Kinder weinend vor der Haftanstalt angesichts der Ungewissheit, wohin die Häftlinge verlegt würden. „Ich warte darauf zu erfahren, wohin sie meinen Mann bringen … Ich habe da drinnen gelebt, aber sie haben mich hinausgeworfen“, erzählte Gladys Hernandez gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Venezuela: Kontrolle über Gefängnis zurückerobert

In Venezuela sind 11.000 Soldaten entsandt worden, um die Kontrolle über eines der größten Gefängnisse im Land zurückzugewinnen. Die Tocoron-Haftanstalt im Norden des Landes stand jahrelang unter der Herrschaft der kriminellen Organisation Tren de Aragua. Die Gangmitglieder konnten sich frei im Gefängnis bewegen, das Medienberichten zufolge über hotelähnliche Einrichtungen wie einen Pool, einen Nachtclub und einen kleinen Zoo verfügte.

TV-Geräte und Motorräder

Laut AFP trugen die Sicherheitskräfte von TV-Geräten über Mikrowellengeräte bis zu Motorrädern alles Mögliche aus dem Gefängnis. Der venezolanische Innenminister gratulierte den Sicherheitskräften auf Twitter (X), dass sie die Kontrolle über das in der Provinz Aragua befindliche Gefängnis wiederlangt und „ein Zentrum der Verschwörung und des Verbrechens“ aufgelöst hätten. Die Haftanstalt soll zunächst vollständig geräumt und einem „Umstrukturierungsprozess“ unterzogen werden.

Der Chef der Bande, Hector Guerrero Flores, ist wegen Mordes und Drogenhandels zu einer 17-jährigen Haftstrafe verurteilt. Er ging nach Angaben der sich für die Rechte von Häftlingen einsetzenden NGO „Ein Fenster zur Freiheit“ aber lange frei im Gefängnis aus und ein.

Insassen des Torocon-Gefängnisses in Venezuela warten auf ihre Verlegung
APA/AFP/Yuri Cortez
Insassen des Torocon-Gefängnisses warten auf ihre Verlegung

Bande expandierte von Gefängnis aus

Seit Jahren kritisieren laut einem Bericht des US-Auslandssenders Voice of America Fachleute und mehrere Organisationen, dass Tren de Aragua seine kriminellen Tätigkeiten vom Gefängnis aus weiterbetreibt. Der Bande werden Erpressung, Entführungen, Morde, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel vorgeworfen. Sie ist laut Bericht mittlerweile über Venezuela hinaus in Peru, Chile, Kolumbien und Brasilien tätig. Laut der Denkfabrik Insight Crime gilt die Bande als die mächtigste Venezuelas. Sie habe in den Jahren 2020/21 stark expandiert.

Die NGO Observatorio Venezolano de Prisiones, die ebenfalls für die Rechte von Häftlingen kämpft, warnte wiederholt davor, dass mehrere Gefängnisse von einem „Pranato“ – ein Akronym für einen Häftling, der als Mörder geboren wurde – kontrolliert werden. Das Phänomen breitete sich in den letzten Jahren aus und ist mittlerweile in ganz Lateinamerika anzutreffen.

Soldaten stürmen das Torocon-Gefängnis in Venezuela
AP/Ariana Cubillos
Einsatzkräfte bereiten sich auf die Operation vor

Land in Dauerkrise

Obwohl Venezuela eines der Länder mit den größten Ölreserven der Welt ist, steckt es seit Jahren in einer schweren wirtschaftlichen, politischen und humanitären Krise. Wegen Sanktionen seitens der USA und der EU, Misswirtschaft und Korruption ist das Benzin knapp. Mehr als sieben Millionen Menschen haben das Land nach UNO-Angaben wegen Armut und Gewalt verlassen.

Der Oppositionsführer und selbst ernannte Übergangspräsident Juan Guaido hatte 2019 versucht, den autoritär regierenden Linkspopulisten Nicolas Maduro aus dem Amt zu drängen. Doch dieser sitzt fest im Sattel, auch weil er Militär und Polizei auf seiner Seite hat.