Müll wird im Park eingesammelt
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Asylwerber

Arbeitsverpflichtung rechtlich „fraglich“

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und die Flüchtlingsreferenten der Bundesländer haben sich am Mittwoch einstimmig dafür ausgesprochen, Asylwerberinnen und -werber zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. Dazu soll das Innenministerium ein Modell erarbeiten, das die derzeitige freiwillige gemeinnützige Hilfsarbeit auf Organisationen ausdehnt. Ob eine Koppelung der Grundversorgung an geleistete Arbeit rechtlich halten kann, sehen Fachleute jedoch im Gespräch mit ORF.at skeptisch.

Eine Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit für Asylwerber stand in der Vergangenheit bereits mehrmals zur Diskussion. Geeinigt haben sich die Bundesländer nun darauf, dass das Innenministerium ein Modell erarbeiten soll, das die derzeitige Regelung auf gemeinnützige Organisationen ausdehnt. Wenn sie keine Hilfstätigkeiten übernehmen, soll ihnen die Grundversorgung gestrichen werden. Auf Antrag der Flüchtlingsreferenten wird das Innenministerium mit der rechtlichen Prüfung der Arbeitspflicht beauftragt.

ÖVP-Ländervertreter zeigten sich am Mittwoch mit dem Vorstoß zufrieden. „Die Menschen haben auch eine Verpflichtung dem Land gegenüber, das sie aufnimmt“, sagte Oberösterreichs Flüchtlingsreferent Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP). So werde die Akzeptanz in den Gemeinden mit Quartieren verbessert und ein Beitrag zur Integration geleistet – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Die gemeinnützigen Arbeiten würden zu einem geregelten Tagesablauf und Kontakt mit anderen Menschen führen, sagte auch der zuständige Vorarlberger Landesrat Christian Gantner (ÖVP). Zudem könnten die Asylwerberinnen und Asylwerber so leichter die deutsche Sprache lernen – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Grundversorgung

Die Grundversorgung ist in der ersten Phase des Asylverfahrens im Wesentlichen Aufgabe des Bundes. Ab dem Zeitpunkt der Zulassung bzw. der Entscheidung, den Asylantrag inhaltlich zu prüfen, geht die Zuständigkeit der Unterbringung und Versorgung der Asylwerberinnen und Asylwerber schließlich auf die Länder über.

„Zwang nicht richtiges Instrument“

Prinzipiell würde sie unterschreiben, dass Arbeit einen „integrativen Effekt“ hat, so die an der WU tätige Migrationsforscherin Judith Kohlenberger gegenüber ORF.at. „Ich denke aber nicht, dass Zwang hier das richtige Instrument ist.“ Es bestehe bei Asylwerbern die Bereitschaft zu arbeiten, die Barrieren seien aber hoch. Gemeinnützige Tätigkeiten wie Rasenmähen bei Gemeinden seien „gar nicht so unbeliebt“. Derartige Möglichkeiten ohne Zwang auszubauen und die Barrieren für reguläre Arbeit zu senken sei aber „ein sinnvollerer Weg“.

Denn Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung nach Österreich kommen und um Asyl ansuchen, sind bis zum positiven Ausgang ihres Asylverfahrens prinzipiell vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Während dieser Zeit beziehen sie Leistungen aus der Grundversorgung, die auf die Deckung der täglichen Grundbedürfnisse ausgerichtet sind – also Verpflegung, Unterkunft, medizinische Versorgung, Bekleidungshilfe, Schulbedarf sowie Information und Beratung.

Nach den ersten drei Monaten des Verfahrens kann eine Beschäftigungsbewilligung beantragt werden. Und bereits jetzt können Asylwerber laut Grundverordnungsgesetz mit ihrem Einverständnis für Hilfstätigkeiten, die im „unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Unterbringung“ stehen, wie etwa Reinigung, Küchenbetrieb, Transporte und Instandhaltung, herangezogen werden. Auch gemeinnützige Hilfstätigkeiten für Bund, Land und Gemeinde sind bereits jetzt möglich – allerdings eben auf freiwilliger Basis.

Rechtliche Umsetzung fraglich

Ob der neue Vorstoß mit der Verpflichtung zur Arbeit rechtlich durchgehen würde, sei „fraglich“, so die Migrationsforscherin. Schließlich sei die Grundversorgung europarechtlich abgesichert. „Das ist ein Vorschlag, der sich vielleicht auf dem Papier gut anhört, aber an der Umsetzbarkeit scheitert. Sollte sich jemand weigern, zu arbeiten, gibt es hier keine rechtlichen Sanktionsmöglichkeiten.“

Menschen, die internationalen Schutzbedarf haben, müsse man Grundversorgung gewähren und könne man auch nicht zurück in ihre Herkunftsländer schicken. Die Stadt Wien hat sich bereits gegen eine Arbeitspflicht für Asylwerber ausgesprochen. Diese sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich, erklärte Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) – mehr dazu in wien.ORF.at.

Sollte der Erhalt der Grundversorgung an Erwerbsarbeit geknüpft werden, stünde das in einem „Spannungsverhältnis“ zur Menschenrechtskonvention, die Zwangsarbeit verbietet, so auch Johannes Peyrl, Referent der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration bei der Arbeiterkammer (AK) Wien.

„Ob das rechtlich hält, ist schwer zu sagen, ohne den Entwurf zu kennen – bisher sind das nur vage Absichtserklärungen.“ Eine Streichung der Grundversorgung sei wohl in keinem Fall möglich, eine Kürzung der Grundversorgung an Erwerbstätigkeit zu koppeln „schwierig“. Theoretisch sei es wohl möglich, die Grundversorgung falle in Österreich aber ohnehin bereits „nicht üppig“ aus. „Was will man denn hier noch kürzen?“

Zelte für Asylwerber werden aufgebaut
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Die Grundversorgung ist in der ersten Phase des Asylverfahrens Aufgabe des Bundes

AK sieht „Aufforderung zum Lohndumping“

Auch wie mit der Aufwandsentschädigung bzw. der bisher geltenden Verdiensthöchstgrenze umgegangen wird, ist noch offen. Wie hoch der Anerkennungsbeitrag für freiwillige Hilfstätigkeiten ausfallen soll, ist derzeit nicht geregelt. Laut Gesetz dürfen Asylwerber allerdings nicht mehr als 110 Euro pro Monat plus 80 Euro pro Monat für jede angehörige Person verdienen, die selbst über kein eigenes Einkommen verfügt. Darüber hinausgehendes Einkommen wird auf die Grundversorgungsleistungen angerechnet.

„Arbeit muss fair bezahlt werden und rechtlich abgesichert sein. All diese Tätigkeiten erfüllen das in keinster Weise, es gibt kein Dienstleistungsverhältnis, keine Versicherung, und die Bezahlung liegt deutlich unter dem Kollektivvertrag“, so Peyrl von der AK Wien.

Letzten Endes müsse es Entgelt und Sozialversicherung geben, das sei die „Benchmark.“ In dem geplanten Vorstoß ortet Peyrl „eine klare Aufforderung zum Lohndumping“. In der jetzigen, freiwilligen Form ginge es um ein paar Stunden, die Asylwerber leisten. „Wenn alle, die sich in der Grundversorgung befinden, das machen, dann hat das durchaus einen Lohndumpingeffekt.“

Anspruch auf Schutz „ohne Leistung“

Migrationsforscherin Kohlenberger sieht aber auch auf anderen Ebenen Hürden. „Was, wenn die Bereitschaft da ist, es aber keinen gemeinnützigen Verein gibt, der Arbeit anbietet, weil er sagt: Das ist mir zu viel Aufwand?“ Es stelle sich zudem die Frage, inwieweit gemeinnützige Vereine bereits in die Gespräche eingebunden seien und welche Tätigkeiten infrage kämen. „Viele sprechen schließlich noch kein Deutsch, da brauchte man wieder zusätzliches Personal.“

Es gehe wohl vor allem um eine Signalwirkung, die zeigen solle, dass man restriktiver werde. Man müsse sich aber weiterhin im EU- und Völkerrecht bewegen. „Durch solche Ankündigungen verschiebt sich der Diskurs, man kommt weg von Fragen der Schutzbedürftigkeit hin zur Leistungsdebatte. So funktioniert Asyl aber nicht. Auch Menschen, die nichts leisten können, haben Anspruch auf Schutz, wenn ihnen im Herkunftsland Folter oder Verfolgung droht.“