Justizposten: Anwälte erinnern an staatspolitische Verantwortung

Der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK), Armenak Utudjian, hat heute angesichts monatelang ausbleibender Besetzungen in der Justiz von der Politik „staatspolitische Verantwortung“ eingemahnt. Bestellt werden müssten jene Personen, die objektiv am besten geeignet seien, so Utudjian bei der Eröffnung des Anwaltstags in Linz. Der 59-jährige Wirtschaftsanwalt wurde gestern für drei Jahre wiedergewählt.

Justiz- und Rechtsstaatsthemen seien niemals für Junktime geeignet, kritisierte Utudjian. Entweder sei etwas sachlich notwendig oder nicht. Das sei „staatspolitisches Fundament. Staatspolitische Verantwortung!“ Monatelange interimistische Bestellungen von hohen Funktionen in der Justiz würden sich damit nicht vertragen.

Warnung vor „Verpolitisierung der Justiz“

Es dürfe „nicht einmal den Anschein einer Verpolitisierung der Justiz geben“, so Utudjian weiter. Damit verspiele man das Vertrauen der Bevölkerung in die unabhängige Gerichtsbarkeit. Generell brauche es Verbesserungen beim Ablauf von Besetzungen in der Justiz wie mit einer unabhängigen Auswahlkommission. Die Anwälte seien bereit, sich in solche einzubringen.

Sowohl in Justiz als auch in der Verwaltung sind derzeit aufgrund koalitionsinterner gegenseitiger Blockaden viele Leitungsfunktionen interimistisch besetzt. Betroffen sind etwa das Bundesverwaltungsgericht, der Weisungsrat, die Bundeswettbewerbsbehörde und der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat (UPTS). Auch Reformprojekte wie der Kostenersatz, das Informationsfreiheitsgesetz, stärkere Beschuldigtenrechte und die Weisungsspitze der Staatsanwaltschaft stehen.

Kostenersatz bei Strafverfahren noch offen

Eine zügige Umsetzung erwartet sich Utudjian beim Kostenersatz bei Freisprüchen und Einstellungen im Strafverfahren. Dazu haben die Anwälte heuer bereits ein Konzept vorgelegt. „Der Staat hat seine Bürgerinnen und Bürger, wenn er sie zu Unrecht beschuldigt, auch angemessen zu entschädigen.“ Aktuell haben Beschuldigte, die freigesprochen werden oder mit Einstellung der Ermittlungen gar nicht vor Gericht kommen, Anwaltskosten größtenteils selbst zu tragen.

KI beschäftigt auch Anwälte

In ihren Begrüßungsworten am Rechtsanwaltskammertag ging Justizministerin Alma Zadic (Grüne) auf das eigentliche Thema des Rechtsanwaltskammertages ein: „Übernimmt KI in Zukunft das Recht?“ Die menschliche Urteilsfindung und Abwägung werde trotz künstlicher Intelligenz (KI) auch weiterhin unverzichtbar sein, sagte sie. Es brauche gegen die Fortschreibung von Diskriminierungsmustern und Desinformation zudem Rahmenbedingungen. Sie plädierte erneut für eine weisungsfreie und unabhängige Generalstaatsanwaltschaft.

Zuvor hatte sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) für Weiterentwicklungen in der Justiz ausgesprochen, konkret für die Schaffung klarer Regeln im Umgang mit Zufallsfunden im Strafverfahren wie Handys. Im Falle der KI müssten die Risiken minimiert werden. Sie wolle nicht, dass ein KI-gesteuerter Roboter als Richter künftig Recht spreche, sagte sie.