Rauch über einer Werft in Sewastopol
IMAGO/Sergei Malgavko
Krim

Rakete trifft Herz der Schwarzmeer-Flotte

Russischen Angaben zufolge hat die Ukraine am Freitag einen Raketenangriff auf das Hauptquartier der russischen Schwarzmeer-Flotte durchgeführt. Videos und Fotos zeigten große Rauchwolken über dem Gebäude in Sewastopol auf der annektierten Krim. Die Krim ist für die Versorgung der russischen Besatzungstruppen im Süden der Ukraine und für die russische Kontrolle der ukrainischen Küsten im Schwarzen und Asowschen Meer von entscheidender Bedeutung.

„Der Feind hat einen Raketenangriff auf das Hauptquartier der Flotte durchgeführt“, schrieb der Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, auf Telegram. Er erklärte, dass ein Militärangehöriger vermisst werde, eine genaue Bilanz der potenziellen Opfer aber „gerade erstellt“ werde. Das Gebäude sei in Brand geraten. Das Hauptquartier war bereits im Sommer 2022 Ziel eines Drohnenangriffs gewesen, bei dem sechs Menschen verletzt worden waren.

„Ein weiterer Anschlag ist möglich. Kommen Sie nicht ins Stadtzentrum, bleiben Sie in den Gebäuden. Für diejenigen, die sich in der Nähe des Flottenhauptquartiers befinden, gilt: Wenn Sirenen zu hören sind, gehen Sie in die Schutzräume“, fügte er in einer weiteren Nachricht hinzu. Am frühen Nachmittag hob er die Warnung wieder auf. Trümmer waren mehrere hundert Meter weit zu sehen, und zahlreiche Krankenwagen waren unterwegs, wie ein Korrespondent der russischen Nachrichtenagentur TASS berichtete.

Rauch über dem Hauptquartier der Schwarzmeerflotte
AP/Crimean Telegram Channel
Rauchschwaden über dem Hauptquartier der Schwarzmeer-Flotte

Kiew bekennt sich zu „erfolgreichem Angriff“

Der Pressestab der ukrainischen Armee schrieb auf Telegram: „Am 22. September, gegen 12.00 Uhr, haben die ukrainischen Verteidigungskräfte einen erfolgreichen Angriff auf das Hauptquartier der Schwarzmeer-Flotte Russlands im vorübergehend besetzten Sewastopol ausgeführt.“ Der Sekretär des ukrainischen Nationalen Rates für Sicherheit und Verteidigung, Olexij Danilow, zeigte Genugtuung über den jüngsten Erfolg seiner Armee. Russland könne selbst entscheiden, ob es seine Flotte selbst versenken oder es weiterhin den Ukrainern überlassen wolle, schrieb Danilow auf Twitter (X).

In sozialen Netzwerken wurden zudem weitere Explosionen in anderen Teilen der Krim gemeldet. Der von Moskau eingesetzte Statthalter der Halbinsel erklärte dazu, dass mehrere Marschflugkörper abgefangen worden seien. Berichte über Schäden gibt es bisher nicht.

Behörden: „Beispiellose“ Cyberattacke auf Krim

Nach dem Raketenangriff auf das Marinehauptquartier auf der Krim ist die Halbinsel nach russischen Angaben auch das Ziel einer „beispiellosen“ Cyberattacke geworden. Der Cyberangriff richte sich gegen die Internetdienstleister auf der Halbinsel, teilte ein Berater des Gouverneurs der Krim am Freitag auf Telegram mit, ohne direkt einen Zusammenhang zwischen den beiden Angriffen herzustellen.

Grafik zum Raketenangriff in Sewastopol
Grafik: APA/ORF

Die Ukraine hat in den letzten Wochen vermehrt Drohnen- und Raketenangriffe auf der Krim durchgeführt und behauptet, unter anderem Luftabwehrsysteme, eine Schiffswerft und zwei Schiffe zerstört zu haben. Die ukrainischen Streitkräfte wollen damit sowohl die russische Logistikkette stören als auch Russlands militärische Kontrolle über das Schwarze Meer beenden.

Ihre Erfolge zeugen von den Schwierigkeiten der russischen Luftabwehr, während die Ukraine versucht, die russische Verteidigung durch Angriffe auf ihre Versorgungslinien und Kommandozentren weit hinter der Front zu schwächen.

Angriff auf russische Schwarzmeer-Flotte

Der Stab der russischen Schwarzmeer-Flotte in Sewastopol auf der russisch annektierten Halbinsel Krim ist mit Raketen beschossen worden. Sewastopol auf der seit 2014 von Russland annektierten Halbinsel ist der Stützpunkt der russischen Schwarzmeer-Flotte. Schiffe dieser Flotte beschießen regelmäßig mit Raketen ukrainisches Gebiet.

US-Militärexperten beobachten Fortschritte

Nach Einschätzung von US-Militärfachleuten macht die Ukraine bei ihrer Offensive im Süden des Landes weiter Fortschritte. Am Frontabschnitt bei Robotyne im Gebiet Saporischschja seien erstmals ukrainische Panzerfahrzeuge jenseits der hinteren Linie eines breiten russischen Abwehrgürtels gesichtet worden, schrieb der US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) in seinem Bericht vom Donnerstagabend (Ortszeit). Es sei aber noch zu früh, um sicher zu sagen, dass dieser russische Verteidigungsgürtel durchbrochen sei.

Der Generalstab in Kiew meldete im Lagebericht Freitagfrüh ukrainische Vorstöße bei Bachmut im Osten und an der Front im Süden. Bei Robotyne sei es zugleich gelungen, russische Gegenangriffe abzuwehren, hieß es. Das war nicht unabhängig überprüfbar.

Ukrainischer Soldat in einem Unterschlupf nahe Saporischschja
REUTERS/Oleksandr Ratushniak
Ein ukrainischer Soldat neben Artilleriegeschoßen in einem Unterstand nahe der Front in der Region Saporischschja

Durchbruch bei Robotyne

Bei dem Ort Robotyne hat sich die ukrainische Armee in ihrer Gegenoffensive seit Juli am weitesten durch die gestaffelten russischen Verteidigungslinien gekämpft. Dort haben sich die russischen Truppen in weit verzweigten Schützengräben verschanzt. Panzer werden mit Minen, Gräben und dreieckigen Betonsperren, „Drachenzähnen“, abgewehrt.

Die Ukrainer kamen mit Panzern zunächst nicht durch diese Linien hindurch, zumal es an Unterstützung aus der Luft fehlte. In einer geänderten Taktik wurden die russischen Stellungen erst mit Artillerie sturmreif geschossen, dann mit kleinen Trupps von Fußsoldaten besetzt. Das Auftauchen ukrainischer Panzerfahrzeuge hinter dieser Linie belegt nach ISW-Einschätzung, dass diese sich dort jetzt wieder freier bewegen können.

Asowsches Meer als Ziel

Die Ukraine hofft, in dieser Richtung zum Asowschen Meer vorzudringen. Ein Ziel ist es, die Landverbindung der Russen zur Krim abzuschneiden. Allerdings gibt es noch mehrere russische Verteidigungslinien, und das Meer ist immer noch über 100 Kilometer entfernt. Fachleute bezweifeln, dass die ukrainischen Truppen das Ziel noch in diesem Jahr erreichen. Doch selbst wenn sie die Küste nicht erreichen können, könnten weitere Vorstöße es ihnen ermöglichen, mit Raketen und Artillerie auf die Nachschublinien Russlands zu zielen.

Russischer Angriff auf Krementschuk

Durch einen russischen Luftangriff wurden unterdessen in der zentralukrainischen Stadt Krementschuk offiziellen Angaben zufolge mindestens ein Mensch getötet und 15 weitere verletzt. Unter den Verletzten sei auch ein Kind, teilte der Militärgouverneur der Region Poltawa, Dmytro Lunin, mit.

Nach seinen Angaben feuerten die Russen mehrere Raketen auf das südöstlich von Kiew gelegene Krementschuk ab. Eines der Geschoße habe von der Luftverteidigung abgewehrt werden können, ein anderes habe jedoch ein ziviles Gebäude getroffen.