Schrebergärten
ORF/Georg Hummer
Umwidmungsskandal

Kleingärten bringen SPÖ Wien in Bedrängnis

Widmungen in einem Kleingartenverein in der Donaustadt sorgen derzeit für Debatten. Zuletzt wurde SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy vorgeworfen, von einer Umwidmung profitiert zu haben. Nun sind Parteigenossinnen ins Visier geraten. Die SPÖ Wien will die Causa „restlos aufklären“. Einem Bericht zufolge wurde bereits eine Anzeige eingebracht. Nevrivy weist alle Vorwürfe zurück.

Anfang der Woche sorgte ein Kleingartendeal von Nevrivy für Kritik aufseiten der politischen Konkurrenz. Der Lokalpolitiker hatte laut Wiener Zeitung im Juli 2020 in der Anlage in Breitenlee ein 385 Quadratmeter großes Grundstück um 161.700 Euro gekauft.

Heute soll es das Doppelte wert sein. Grund für die Wertsteigerung soll eine Umwidmung der Kleingartensiedlung Sport- und Erholungszentrum Breitenlee (KGV Breitenlee) sein, die der Wiener Gemeinderat am 25. November 2021 beschlossen hatte. Dadurch wurden aus den Kleingärten vollwertige Baugründe.

Nevrivy wies am Freitag die Vorwürfe zurück. Die Pläne, dass dort umgewidmet werden soll, waren seit 2006 bekannt, versicherte er im Gespräch mit der APA. „Ich habe zu keinem Zeitpunkt Einfluss genommen“, beteuerte er. Er sei sich allerdings bewusst, dass die Optik „nicht optimal“ sei. „Es ist bedauerlich, welches Bild von mir gezeichnet wird.“ Er habe vor, das Grundstück weiter zu nutzen, sagte Nevrivy. Er will weder zurücktreten noch sein Amt ruhend stellen.

Drei SPÖ-Politikerinnen ebenfalls in Causa involviert

Zuvor war bekanntgeworden, dass auch andere SPÖ-Politikerinnen in der Anlage in Breitenlee zugeschlagen hatten. Die Wiener Zeitung und das Ö1-Journal verwiesen auf entsprechende Grundbuchauszüge. Genannt wurden die Nationalratsabgeordnete Petra Bayr, die Gemeinderätin Astrid Rompold und die stellvertretende Bezirksvorsteherin von Mariahilf, Julia Lessacher.

Letztere soll bei den Verhandlungen mit den zuständigen Behörden dabei gewesen sein. Auf Anfrage sagte sie, dass sie dem Vereinsobmann „für den Laien schwer verständliche Mitteilungen der Magistratsdienststellen erläutert und ihm mit Formulierungen geholfen“ habe – mehr dazu in wien.ORF.at.

Möglichkeit der Umwidmung war bekannt

Rompold wiederum war am 25. November 2021, als die Umwidmung beschlossen wurde, als Gemeinderätin anwesend. Da sich die Parteien schon im zuständigen Planungsausschuss einig gewesen seien, sei über die Widmung im Gemeinderat nicht mehr abgestimmt worden, teilte sie in einer Stellungnahme mit.

Eine Offenlegung, dass sie eine Parzelle besitzt, sei darum nicht mehr nötig gewesen. Bayr – die zwei Käufe getätigt haben soll – verwies darauf, dass sie auf politischer Ebene keinen Einfluss genommen habe. Der Nationalrat sei in Widmungsverfahren nicht eingebunden, hielt sie fest.

Die drei Politikerinnen sollen vor dem Kauf keine Pächterinnen gewesen sein. Die Möglichkeit der Umwidmung war ihnen laut dem Bericht bekannt. In den Kaufverträgen soll ein „mögliches, derzeit noch nicht eingeleitetes Umwidmungsverfahren“ erwähnt worden sein.

SPÖ Wien will der Sache nachgehen

Die rote Landesparteisekretärin Barbara Novak betonte, sie könne verstehen, dass die Optik nicht gut sei. Die Wiener SPÖ wolle die Causa „restlos aufklären“. Aus den Informationen, die ihr derzeit vorliegen, könne sie allerdings „nicht erkennen, dass es ein unkorrektes Verhalten gegeben hätte“. ORF.at fragte bei SPÖ-Chef Andreas Babler um eine Stellungnahme an. Bis zur Veröffentlichung des Artikels lag keine vor.

Kleingartendeal: Weitere SPÖ-Politiker dabei

Nach der Kritik an SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy wegen eines profitablen Kleingartenkaufs zeigt sich nun, dass sich vor Nevrivy auch andere Wiener SPÖ-Politikerinnen in den Kleingarten eingekauft und von der Umwidmung profitiert haben.

Die Mandatarinnen hätten vor sieben Jahren in einer relativ großen Anlage Grundstücke erworben wie viele andere Wienerinnen und Wiener auch, und das lange vor der Umwidmung, sagte Novak. Keine von ihnen habe das Widmungsverfahren beeinflusst, sie seien auch weder im Bezirk noch im Ausschuss Teil des Verfahrens gewesen, so Novak. Man gehe der Sache aber jedenfalls nach.

Wie das Nachrichtenmagazin am Freitagnachmittag bereichtete, ging bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bereits eine Anzeige gegen eine Person ein. Man prüfe jetzt die Zuständigkeit und den Anfangsverdacht. Ob es sich bei der Person um Nevrivy handelt, wollte die Behörde nicht sagen – mehr dazu in wien.ORF.at.

ÖVP: „Netzwerk der Umwidmungsspekulanten“

Vonseiten der ÖVP gab es scharfe Kritik, die sich besonders an SPÖ-Chef Andreas Babler richtete. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sprach in einer Aussendung von einem „Netzwerk der Umwidmungsspekulanten innerhalb der SPÖ“. Teile der SPÖ würden die Stadt „offenbar als ihr Eigentum erachten“, so Stocker, der eine rasche Aufklärung forderte. Ähnlich äußerte sich ÖVP-Wien-Klubobmann Markus Wölbitsch. Die SPÖ Wien müsse unverzüglich sämtliche Details im Zusammenhang mit diesem Verfahren offenlegen.

Auch die Bundes-FPÖ forderte die Wiener SPÖ auf, „diese ungustiöse und streng nach Korruption riechende Causa“ aufzuklären. „Einerseits will die SPÖ mit ihren Modellen zu Erbschafts- und Vermögenssteuern dem Mittelstand an den Kragen, andererseits scheinen sich Wiener SPÖ-Politiker durch vermutetes Insiderwissen via Grundstückskäufen vermeintlich widerrechtlich zu bereichern“, so Mandatarin Dagmar Belakowitsch. Für den Wiener FPÖ-Klubobmann Maximilian Krauss sind die betreffenden Mandatare rücktrittsreif.

NEOS Wien „stark irritiert“

Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer forderte die betroffenen SPÖ-Politiker und -Politikerinnen auf, ihre Funktionen bis zur Klärung der Vorwürfe ruhend zu stellen. „Das stinkt doch zum Himmel! Vier SPÖ-Politikerinnen gehen auf Einkaufstour im Schrebergartenverein, und kurze Zeit später sind die Grundstücke locker das Doppelte wert“, hielt sie fest. Die Wiener Gemeinderätin Heidi Sequenz (Grüne) zeigte sich empört über die „fetten Profite“, die die SPÖ-Mitglieder machten.

„Stark irritiert“ über die Causa zeigte man sich am Freitag beim Koalitionspartner NEOS. Klubobfrau Bettina Emmerling sagte, die Grundstückskäufe wirkten „problematisch“, Politiker müssten sowohl beruflich als auch privat besonders hohe ethische Kriterien bei ihren eigenen Handlungen anlegen. „Jetzt gilt es, alle Vorgänge lückenlos auf den Tisch zu legen und aufzuklären, ob Verfehlungen oder gar strafrechtliche Handlungen vorliegen. In dem Fall haben die Beteiligten selbstverständlich Konsequenzen zu ziehen.“