Giorgio Napolitano
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1925–2023

Giorgio Napolitano ist tot

Der ehemalige italienische Präsident Giorgio Napolitano ist tot. Der frühere Staatschef starb am Freitagabend im Alter von 98 Jahren in einem Krankenhaus in Rom, wie die Regierung in einer offiziellen Mitteilung bestätigte. Er war einer der wichtigsten Präsidenten des modernen Italien. Napolitano half in der Finanzkrise, das Land vor dem Staatsbankrott zu bewahren, und zog es später aus seiner politischen Paralyse.

Der ehemalige Kommunist war zwischen 2006 und 2015 mehr als achteinhalb Jahre Staatsoberhaupt – so lange wie kein anderer. Napolitano war in der italienischen Nachkriegsgeschichte der erste Präsident, der wiedergewählt wurde. Auch international genoss er hohes Ansehen. Aufgrund seines hohen Alters trat er im Januar 2015 vorzeitig zurück. Die letzten Jahre verbrachte er zurückgezogen.

Napolitano wurde 1925 in der süditalienischen Stadt Neapel geboren, die er zehn Legislaturperioden lang als Abgeordneter im Parlament vertrat. Bereits in jungen Jahren wurde der Jurist Mitglied der Kommunistischen Partei (PCI), wo er es bis ins Politbüro schaffte. Die PCI galt viele Jahre als wichtigste kommunistische Partei Westeuropas. Napolitano wurde dort zum Reformerflügel gerechnet.

Senator auf Lebenszeit

Noch vor dem Fall der Mauer 1989 sprach er sich für die Umbenennung der Partei aus, die dann zur Linkspartei PDS wurde. In den 1990er Jahren war Napolitano Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer und danach Innenminister einer Mitte-links-Regierung. Zwischenzeitlich saß er auch im Europaparlament. Für seine Verdienste bekam er den Titel eines Senators auf Lebenszeit verliehen.

Giorgio Napolitano und Silvio Berlusconi, 2010
AP/Riccardo De Luca
Giorgio Napolitano war der Ruhepol in einer von Silvio Berlusconi und Skandalen beherrschten Zeit

Erster Ex-Kommunist als Präsident

2006 wurde Napolitano als erster Ex-Kommunist zum Präsidenten gewählt. Entgegen der ursprünglichen Pläne trat er nach der Wiederwahl 2013 eine zweite Amtszeit an, nachdem die Bemühungen um eine Nachfolge mehrfach gescheitert waren. Aus Altersgründen verkündete er zum Jahreswechsel 2014/15 seinen vorzeitigen Rücktritt. Mit mehr als 3.000 Tagen hält Napolitano trotzdem den Rekord der längsten Amtszeit eines italienischen Präsidenten. Zum Nachfolger wurde Sergio Mattarella gewählt, der bis heute Staatsoberhaupt ist.

In seiner Zeit als Präsident genoss Napolitano über die Parteigrenzen hinweg hohe Autorität. Vielfach galt er als moralisches Korrektiv zum populistischen Regierungschef Silvio Berlusconi, der 2011 auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise, die das Land an den Rand des Staatsbankrotts brachte, zurücktreten musste.

Giorgio Napolitano ist tot

Der frühere italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano ist am Freitagabend im Alter von 98 Jahren in einem Krankenhaus in Rom gestorben.

Monti in Krise zu Regierungschef gemacht

Napolitano reagierte schnell und ernannte Mario Monti, einen Technokraten, der in der Europäischen Kommission tätig war, zum neuen Regierungschef. Er beauftragte diesen damit, die Staatsausgaben zu kürzen und das Land durch die Turbulenzen zu führen. Drei Jahre später wurde Napolitano vorgeworfen, mit der damaligen deutschen Kanzlerin Angela Merkel den Sturz Berlusconis orchestriert zu haben. Diese Anschuldigung wies Napolitano vehement zurück.

2013 hatte Napolitano, am Ende seiner Amtszeit angekommen, bereits begonnen, seine Sachen zu packen, als ihn die Chefs der Parlamentsparteien – Berlusconi inklusive – anflehten, eine zweite Amtszeit anzuhängen, um die tiefen Gräben im Parlament überwinden zu helfen. Nach tage- und nächtelangen Gesprächen mit allen Parteien gab Napolitano nach. Die Parlamentswahl rund ein Monat davor hatte keine klaren Mehrheiten gebracht. Napolitano berief eine Art großer Koalition aus Rechts- und Linksparteien unter Enrico Letta und half damit, das politische Patt zu überwinden. Auch international galt er als unparteiischer und zuverlässiger Gesprächspartner.

Papst Benedict XVI und Giorgio Napolitano, 2013
Reuters/Osservatore Romano
Der Ex-Kommunist hatte ein enges Verhältnis zu Papst Benedikt XVI.

Leichnam wird im Senat aufgebahrt

Unmittelbar nach der Nachricht von Napolitanos Tod am Freitagabend wurden die Flaggen des Parlaments auf halbmast gehisst. Der Leichnam wird Medienberichten zufolge am Sonntag ab 10.00 Uhr im Beisein von Staatspräsident Mattarella im Senat aufgebahrt werden. Am Dienstag findet dann ein Staatsbegräbnis statt.

Napolitano lag seit vier Monaten in der Klinik Salvator Mundi in Rom, nachdem sich sein Gesundheitszustand verschlechtert hatte. An seiner Seite standen seine Frau Clio Maria Bittoni, seine Söhne Giulio und Giovanni und sein Kommunikationsberater und lebenslanger Freund Giovanni Matteoli. Das Krankheitsbild des Senators auf Lebenszeit war schon seit einiger Zeit komplex. Im Mai 2022 unterzog er sich einer Bauchoperation. Schon 2018 musste sich er sich nach einer plötzlichen Krankheit einer Operation an der Aorta unterziehen.

„Protagonist der italienischen Geschichte“

„Ein großer Teil der Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spiegelt sich im Leben von Giorgio Napolitano wider“, kommentierte Präsident Mattarella, der seinen Vorgänger als „Garanten der Werte der Verfassung und unserer Gemeinschaft“ würdigte.

Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni kondolierte der Familie Napolitanos. Auch Ex-Premier Mario Draghi würdigte den verstorbenen Staatschef. „Präsident Napolitano war ein absoluter Protagonist der italienischen und europäischen Geschichte der letzten 70 Jahre. Als Präsident der Republik, Präsident der Abgeordnetenkammer und Innenminister war er in der Lage, den Dialog mit allen politischen Kulturen mit der Fähigkeit zu verbinden, mit Weisheit und Mut zu handeln und die Bürger und die Verfassung zu schützen“, so der ehemalige EZB-Chef.

Papst: „Große intellektuelle Gaben“

Auch der Papst gedachte Napolitano. „Sein Tod hat in mir Gefühle der Ergriffenheit und zugleich der Dankbarkeit für diesen Staatsmann geweckt, der bei der Ausübung seiner hohen institutionellen Ämter große intellektuelle Gaben und eine aufrichtige Leidenschaft für das politische Leben Italiens sowie ein lebhaftes Interesse für das Schicksal der Nationen an den Tag gelegt hat. Ich erinnere mich dankbar an die persönlichen Begegnungen, die ich mit ihm hatte“, so der Papst in einem Telegramm an Napolitanos Frau Clio Bittoni.