Flagge des UNO-Menschenrechtsrats in Genf
Reuters/Denis Balibouse
UNO-Menschenrechtsrat

„Kampagne der Gewalt“ in Belarus

„Drei Jahre nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vom August 2020 ist die Menschenrechtslage in Belarus nach wie vor besorgniserregend.“ Mit diesen Worten hat die stellvertretende UNO-Menschenrechtskommissarin Nada Al-Nashif die anhaltend „ernste“ Menschenrechtslage in Belarus beklagt. Anzeichen für eine Verbesserung suche man in Belarus weiter vergeblich, wie Al-Nashif am Freitag in einem Statement weiter mitteilte – ganz im Gegenteil sei man Zeuge einer „weiteren Einschränkung des zivilen Raums“.

Die Rede ist von „einer anhaltenden Missachtung der Grundfreiheiten, die sich in einer Kampagne der Gewalt und Repression gegen Personen äußert, die sich der Regierung widersetzen oder als solche wahrgenommen werden und kritische oder unabhängige Ansichten äußern“. Die systematische Straflosigkeit ermögliche es zudem all jenen, „die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, weiterhin, sich der Verantwortung für ihre Taten zu entziehen“.

Recherchen durch das Büro des Menschenrechtskommissars (OHCHR) hätten ein „erschütterndes Muster willkürlicher Verhaftungen und Verfolgungen auf der Grundlage erfundener Vorwürfe“ belegt, die sich gegen verschiedene Teile der Gesellschaft richten. Betroffen seien unter anderen „Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Akademiker, Gewerkschafter, religiöse Persönlichkeiten, Angehörige von Minderheiten, Rechtsanwälte und andere, die ihre Grundrechte wahrnehmen wollen“.

„Zutiefst beunruhigt“

Den OHCHR-Angaben zufolge seien durch das harte Vorgehen der Behörden gegen Personen, „die der Regierung kritisch gegenüberstehen oder als kritisch angesehen werden“, seit 2020 mehr als 3.750 Personen in Strafprozessen zu teils unverhältnismäßig hohen Haftstrafen verurteilt worden. Zudem seien 1.400 Nichtregierungsorganisationen aufgelöst worden.

Laut Al-Nashif seien „reguläre Verfahren und das Recht auf ein faires Verfahren kaum beachtet worden“. 1.500 Menschen seien derzeit nach Einschätzung ihres Büros in Belarus aus politischen Gründen inhaftiert.

In den Gefängnissen sei Folter weit verbreitet, es gebe Fälle von „schwerer psychischer Gewalt“ einschließlich Todesdrohungen und Vergewaltigungen, sagte Al-Nashif. Zudem sei ihr Büro „zutiefst beunruhigt“ über Meldungen von Todesfällen in den Haftanstalten von Belarus.

Belarus-Vertreterin ortet „Verleumdungskampagne“

Kritik übte die stellvertretende UNO-Menschenrechtskommissarin auch an den jüngsten Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts in Belarus, die es Behörden erlaubten, wegen „Extremismus“ verurteilten und im Ausland lebenden Personen die Staatsangehörigkeit zu entziehen. Diese Änderung gebe „viel Raum für Missbrauch“, so Al-Nashif, die zudem auf die „Gefahr der Staatenlosigkeit“ verwies.

Die ständige Vertreterin der Minsker Regierung, Larisa Belskaja, kritisierte die Schlussfolgerungen der UNO scharf. Diese basierten auf „unzuverlässigen Quellen und voreingenommenen Schlussfolgerungen“ und seien Teil „einer Desinformations- und Verleumdungskampagne westlicher Länder gegen Belarus“.

Für Kreml „engster Verbündeter“

In Belarus hatte es nach der Präsidentenwahl im Sommer 2020, bei der Machthaber Alexander Lukaschenko nach amtlichen Angaben wiedergewählt wurde, wochenlange Massendemonstrationen gegen den Staatschef von bis dahin unbekanntem Ausmaß gegeben. Lukaschenko ließ die Proteste gewaltsam niederschlagen.

Lukaschenko ist ein enger Verbündeter Moskaus beim Angriffskrieg gegen die Ukraine und stellt sein Gebiet auch für russische Angriffe auf das Nachbarland zur Verfügung. Erst vor wenigen Tagen wurde Lukaschenko vom russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi empfangen. Allein in diesem Jahr war es das siebente Treffen Putins und Lukaschenkos.

„Belarus ist unser engster Verbündeter, die Staatsoberhäupter treffen sich regelmäßig“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow anlässlich des jüngsten Russland-Besuches von Lukaschenko am Donnerstag. Nach belarussischen Angaben waren „die internationale Agenda und regionale Fragen“ Hauptthemen des Treffens.