Nach Flut: Libysche Behörden mit Nothilfe überfordert

„Was ich gestern gesehen habe, ist unbegreiflich“: Mit diesen Worten hat die UNO-Nothilfekoordinatorin für Libyen, Georgette Gagnon, ihre Eindrücke nach einem Besuch im Katastrophengebiet zusammengefasst. Vor zwei Wochen hatte der Sturm „Daniel“ über dem Osten Libyens extreme Regenfälle bewirkt, nach Dammbrüchen kam es zu gewaltigen Überschwemmungen. Rund 4.000 Todesopfer wurden laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bisher identifiziert. Die Opferzahl dürfte noch steigen – allein in der durch einen Dammbruch besonders stark betroffenen Stadt Darna wurden zuletzt bis zu 20.000 Tote befürchtet.

Erdhaufen und Trümmer in Derna, Libyen
Reuters/Zohra Bensemra

Örtliche Behörden in dem Konfliktstaat sind mit der Lage überfordert, auch UNO-Behörden und andere Hilfsorganisationen stehen vor enormen Herausforderungen. Die betroffenen Menschen benötigen vor allem Essen. Brücken und Straßen sind ebenso zerstört wie viele Silos und Lagerhäuser, was die Versorgung über Märkte erschwert. Fertiggerichte, Trockenrationen und Nahrungszusätze sind jetzt entscheidend beim Versuch, etwa bei Babys und jungen Kindern eine Unterernährung zu verhindern.

Mit Lieferungen von 96.000 Tonnen Lebensmitteln erreichte das Welternährungsprogramm (WFP) bisher etwa 16.000 Menschen – angepeilt sind 100.000 Menschen über drei Monate. In Darna wurden 80 Prozent der Märkte zerstört. In der Küstenstadt Susa ist die Fischerei stark betroffen. Der Zugang zu sauberem Wasser ist vielerorts unmöglich geworden. Das Kanalisationsnetz ist stark beschädigt, und oft ist nicht klar, wo Trinkwasser sich mit Abwasser vermischt hat.

„Schwarzes Informationsloch“

Die instabilen politischen Verhältnisse in dem Konfliktstaat erschweren die Lage für Hilfskräfte zusätzlich. General Chalifa Haftar und seine Libysche Nationalarmee (LNA) halten die strikte Kontrolle über den Osten samt Darna. Teils konnten Journalisten sowie Mitarbeiter der UNO und auch Hilfsorganisationen nicht einreisen oder sich nur eingeschränkt bewegen. Schon vor der Katastrophe bezeichnete die Organisation Reporter ohne Grenzen Libyen als ein „schwarzes Informationsloch. Die meisten Medien und Reporter sind geflohen und haben das Land verlassen.“