Plakat „Leben im Industriedorf? Nein Danke!“ in Straßkirchen
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Akkus für E-Autos

BMW-Fabrik entzweit bayrische Gemeinde

In der kleinen niederbayrischen Gemeinde Straßkirchen geht es derzeit um eine grundlegende Frage: Darf für eine mögliche Zukunftstechnologie Boden versiegelt und zugebaut werden. Der bayrische Autokonzern BMW will auf 100 Hektar eine neue Batteriefabrik bauen – und dafür besonders fruchtbaren Boden versiegeln. Die Bürger und Bürgerinnen der Gemeinde stimmen bis Sonntagabend darüber ab.

Rund 2.800 Stimmberechtigte sind im Rahmen eines Bürgerentscheids dazu aufgerufen, über den Bau eines Werks für bis zu 600.000 Hochvoltakkus pro Jahr abzustimmen. Sonntagabend soll ausgezählt und das Ergebnis verkündet werden. Doch schon seit Monaten beschäftigt und spaltet das Thema die Gemeinde und deren Bewohner und Bewohnerinnen.

Die „Bürgerinitiative Lebenswerter Gäuboden“ aus Straßkirchen, die gegen das Werk ist, setzte den Bürgerentscheid durch. Die Gemeinderäte von Straßkirchen und Irlbach, auf deren Boden das Werk entstehen soll, hatten die geplante Ansiedlung davor einstimmig befürwortet. Eine weitere Bürgerinitiative in der Gemeinde trommelt für das Werk, naturgemäß wirbt auch BMW für die Ansiedlung. Seit Wochen werben alle Beteiligten für ihr jeweiliges Anliegen.

Plakat „Batterie statt Hysterie“ in Straßkirchen
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Beide Seiten versuchen, ihre Argumente an die betroffenen Bürger und Bürgerinnen zu bringen

100 Hektar fruchtbarer Boden könnten versiegelt werden

Die Gegner der Pläne kritisieren unter anderem, dass für den Bau rund 100 Hektar bester Ackerboden, Gäuboden, zerstört würden. Der Gäuboden an Ort und Stelle gehört laut Experten zu den fruchtbarsten Böden Deutschlands. 100 Hektar entsprechen rund 140 Fußballfeldern – viel Fläche, die durch den Bau des Werks mit allen Zufahrten und Nebengebäuden den Boden versiegelt würde. Gerade versiegelte Böden heizen die Klimakrise weiter an, versiegelte Flächen hitzen sich leichter auf, Wasser kann nicht versickern.

Laut Bayerischem Rundfunk (BR) hat BMW im Februar ein 105 Hektar großes Areal auf dem Gebiet der Gemeinden Straßkirchen und Irlbach erworben, zudem gibt es ein Ankaufsrecht auf weitere 29 Hektar angrenzenden Grund. Allerdings soll nicht die gesamte Fläche verbaut werden. 20 Standorte sollen im Vorfeld geprüft worden sein, laut BMW kam am Ende nur das Werk in Niederbayern, rund eineinhalb Stunden von München entfernt, infrage.

Viel mehr Verkehr befürchtet

Die Gegner und Gegnerinnen fürchten auch, dass durch das Werk viel mehr Verkehr entsteht. Schon jetzt, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) gebe es im Ort eine sehr stark befahrene Durchzugsstraße. Laut Planungsunterlagen würden durch das Werk 650 Lastwagen und 3.000 Autos täglich zusätzlich durch die Gemeinde fahren.

Ein Acker vor Straßkirchen
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Viel fruchtbarer Boden umgibt die Gemeinde Straßkirchen

Die Befürworter des Werks argumentieren, dass mit dem Werk und dem zu erwartenden Geld auch eine Umfahrungsstraße einfacher durchsetzbar wäre. BMW will mit den Batterien, die in Straßkirchen entstehen sollen, seine Werke Dingolfing, Regensburg und München beliefern, direkt und mit Elektrolastwagen über die nahen Autobahnen A3 und A92.

Klamme Gemeinden erwarten viel Geld durch BMW-Werk

Für die Gemeinde selbst sind die finanziellen Parameter des Baus besonders relevant: Laut „SZ“ hat Straßkirchen 3,5 Mio. Euro Schulden, viele öffentliche Gebäude und die Infrastruktur des Dorfs haben Renovierungsbedarf. Gegenüber dem BR sagte ein Gemeindesprecher, dass mit Beträgen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich zu rechnen sei. Nicht nur Straßkirchen würde von zusätzlichen Einnahmen profitieren, auch Irlbach, wo ein Teil des neuen Werks stehen soll.

Die Bürgermeister der beiden Gemeinden sind der Meinung, dass die zu erwartenden Einnahmen durch die Gewerbesteuer 100 Hektar Ackerfläche durchaus wert seien, schreibt die „SZ“. Ab 2026 soll die Batteriemontage starten, so der Bayerische Rundfunk, zunächst sollen 330.000 Hochvoltpakete jährlich montiert werden. Bis 2030 soll es Vollauslastung geben. BMW will laut eigenen Angaben „mehrere hundert Millionen Euro investieren“, 3.200 neue Arbeitsplätze sollen entstehen.

BMW sieht Richtungsentscheidung

BMW-Vorstandsmitglied Ilka Horstmeier verwies zuletzt auf die Signalwirkung des Bürgerentscheids über das Werk hinaus: „Viele Unternehmen werden genau hinschauen, ob die Menschen Investition in nachhaltige Technologien und in zukunftsfähige Arbeitsplätze in Bayern überhaupt noch wollen“, sagte sie und warnte: „Wenn Zukunftstechnologien und Arbeitsplätze erstmal abwandern, kommen sie so bald nicht wieder, und eine Abwärtsspirale beginnt.“

Das Argument mit den Arbeitsplätzen überzeugt die Gegner nur bedingt. 2,8 Prozent beträgt laut „SZ“ derzeit die Arbeitslosenquote, die Menschen, die im BMW-Werk arbeiten, würden dann anderswo fehlen, sagen die Gegner des Werks. Die Befürworter zählen im Gegenzug auf, dass in der Umgebung laufend auch Arbeitsplätze verloren gehen, etwa alleine 400 durch eine geschlossene Papierfabrik. BMW will rund 70 Prozent neue Stellen intern besetzen, schreibt die „SZ“ weiter, es soll aber 50 Ausbildungsplätze mit Übernahmegarantien geben.

Wie die „SZ“ weiter schreibt, könnte BMW, kurz für Bayerische Motoren Werke, bei einem Entscheid gegen das Werk nicht anderswo in Bayern und womöglich auch nicht anderswo in Deutschland bauen. Dann müssten die 600 Kilogramm schweren Akkus durch Europa gefahren werden, das sei teuer und auch nicht gerade hilfreich für das Klima. Auch beim Bau eines weiteren Werks wäre Bayern dann wohl nicht mehr BMWs erste Wahl.