Arbeiter beim schweißen
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Metaller-KV

IHS-Chef erwartet „moderaten Abschluss“

Nach der Präsentation der Forderung der Arbeitnehmerseite nach 11,6 Prozent mehr Lohn für die Metaller am Montag haben sich die Arbeitgeber überrascht gezeigt, dass nicht mehr gefordert wurde. Auch der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, bezeichnet den Wunsch als „niedrig, gemessen an dem, was wir erwartet hatten“. Die Anfangsforderung der Gewerkschaft spreche für einen „moderaten Abschluss“.

Denn man habe auf die Inflation von 9,6 Prozent noch den erwarteten Produktivitätszuwachs draufgeschlagen, sei aber nicht darüber hinausgegangen, argumentierte Bonin Montagabend in der ZIB2: „Am Ende wird man in der Nähe der Inflation landen.“ Als „interessant“ bezeichnete der IHS-Chef den Vorstoß der Gewerkschaft, Lohnsteigerung gegen wachsenden Freizeitausgleich zu tauschen.

Dadurch habe die Gewerkschaft zusätzliche „Flexiblitätsmargen“ aufgemacht, die in der angespannten Situation helfen könnten. Es brauche für den Abschluss eine Balance, die die unterschiedlichen Probleme – Reallohnverlust vs. Verlust der Wettbewerbsfähigkeit – austariert. Weder dürfe der private Konsum noch die internationale Wettbewerbsfähigkeit weiter unter Druck geraten.

Wirtschaftsforscher über Metallerforderungen

Wirtschaftsforscher Holger Bonin, Direktor des Instituts für höhere Studien (IHS), nimmt zu den Metallerverhandlungen im ZIB2-Interview Stellung.

Mögliche Auswirkungen auf Inflation

Bonin warnte auch davor, dass ein hoher Lohnabschluss die Inflation antreiben könnte. Das sei bei den Verhandlungen der Metaller zwar nicht entscheidend, da der Großteil der Produktion ins Ausland gehe. Da die Metallindustrie aber Vorbild für andere Branchen sei, könnten sich laut dem Ökonomen die Lohnsteigerungen auf die Inflation niederschlagen. Man müsse aber für jede Branche eine eigene Lösung finden.

Eine von manchen geforderte Abkehr von der bisherigen Benya-Formel, die als Grundlage der Lohnverhandlungen die Inflation plus den Produktivitätszuwachs heranzieht, hält der Experte in der jetzigen angespannten Situation für nicht denkbar. Aber es wäre sinnvoll, in ruhigeren Zeiten über Anpassungen wie längere Laufzeiten und Orientierung an anderen Inflationsraten nachzudenken.

„Dilemma“ bei Lohnverhandlungen

WIFO-Lohnexperte Benjamin Bittschi hielt gegenüber der ZIB2 wenig von gestreckten Laufzeiten. Das erschwere die Anpassung an die jeweilige wirtschaftliche Situation, es werde Gewinner und Verlierer, härtere Verhandlungen und mehr Streiks geben.

Metaller wollen 11,6 Prozent mehr Lohn

Die Gewerkschaft der Metaller will 11,6 Prozent mehr Lohn, bei einer zurückliegenden Jahresinflation von 9,6 Prozent. Am Montag gehen die Verhandlungen los.

Der Ökonom sprach vor Kurzem ebenfalls von einem „Dilemma“ angesichts der Lohnverhandlungen. So seien die hohen Lohnforderungen aufgrund der stark gestiegenen Inflation ebenso gerechtfertigt wie die Darstellung der Arbeitgeberseite über die schlechte Wirtschaftslage in der Branche. Die Arbeitnehmervertreter argumentierten mit einem „eklatanten“ Reallohnverlust der Löhne und Gehälter – dem von Arbeitgeberseite Rechnung getragen werden müsse. Diese verwies zuletzt auf eine schlechte wirtschaftliche Lage.

Gewerkschaft: Kaufkraft gesunken

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hätten in den letzten Monaten einen der größten Reallohnverluste in der Geschichte der Zweiten Republik erlitten, so die beiden Chefverhandler Reinhold Binder (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA) zum Auftakt. „Die Arbeit der Beschäftigten wurde massiv entwertet. Sie können sich um rund zehn Prozent weniger leisten als noch vor einem Jahr. Das ist gleichbedeutend mit einem Monat gratis arbeiten.“

Gleichzeitig sei die Teuerung in den letzten zwölf Monaten „eklatant“ gestiegen, sagte Binder bei einer Pressekonferenz. Die Regierung habe zuletzt versagt, dadurch sei man nun bei den Verhandlungen noch mehr gefordert. „Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen jetzt eine spürbare und vor allem nachhaltige Erhöhung, damit ihr Leben leistbar bleibt“, so Binder und Dürtscher. In dieselbe Kerbe schlägt das AK- und gewerkschaftsnahe Momentum Institut. Basierend auf Zahlen der Statistik Austria liege die Kaufkraft der Löhne auf dem Niveau wie vor elf Jahren.

Arbeitszeitverkürzung kein Thema

Kein Thema sei eine generelle Arbeitszeitverkürzung, aber es solle auch leichter werden, die sechste Urlaubswoche zu erreichen, und es solle die Möglichkeit geben, dass das Mehr an Einkommen gegen Freizeit getauscht werden kann. Ein früheres Erreichen der sechsten Urlaubswoche hat die Arbeitgeberseite bisher abgelehnt.

Für die rund 8.000 Lehrlinge fordert die Gewerkschaft, dass diese nach ihrem Lehrabschluss künftig bei der Einstufung dem Gehaltsschema von Absolventinnen und Absolventen höherer berufsbildender Schulen gleichgestellt werden. Zurzeit betrage der Einkommensunterschied in der Grundstufe 390 Euro brutto.

Für Arbeitgeber Forderungen zu hoch

Obwohl die Arbeitgeber mit noch höheren Forderungen gerechnet hatten, sehen sie die Wünsche dennoch als zu hoch, ließ etwa der Obmann der Metalltechnischen Industrie, Christian Knill, wissen. Die Metallindustrie stecke in einer Rezession und würde als besonders exportorientierte Branche durch hohe Lohnabschlüsse gegenüber den Mitbewerbern im Ausland geschwächt. Bereits im Vorfeld zeichneten die Arbeitgeber ein düsteres Bild der Wirtschaft und sprachen von wenig Spielraum.

Grafik zu Metallerabschlüssen seit 2017
Grafik: APA/ORF; Quelle: Statistik Austria

Knill hatte bereits betont: „Wir können nur verteilen, was wir erwirtschaften.“ Und er stellte klar: „Unsere Aufgabe ist nicht, die Kaufkraft in Österreich zu gewährleisten.“

Stefan Ehrlich-Adam, einer der Chefverhandler auf Arbeitgeberseite, betonte am Montag schon im Vorfeld der Forderungsübergabe: „Die Inflation ist enorm, gleichzeitig bricht die Konjunktur ein, und eine Rezession steht ante portas. Am Standort kämpfen wir mit hohen Energiepreisen, Produktionskosten und Lohnnebenkosten. Gleichzeitig werden wie schon im Vorjahr hohe Lohnabschlüsse gefordert. In Summe ist das ein giftiger Cocktail für den Industriestandort.“

Inflationsrate als Basis für Verhandlungen

Nach dem Austausch der Positionen startet am Montag kommender Woche die erste Verhandlungsrunde. Eine rasche Einigung gilt als äußerst unwahrscheinlich. Basis der KV-Verhandlungen ist die Inflationsrate der vergangenen zwölf Monate („rollierende Inflation“) von 9,6 Prozent. Die Pensionisten erhielten zuletzt eine Erhöhung von 9,7 Prozent.

Im Vorjahr einigten sich die Sozialpartner der Metalltechnischen Industrie im Schnitt auf eine Erhöhung der Ist-Löhne um 7,44 Prozent, wobei sich der Anstieg aus einem Plus von 5,4 Prozent und einer monatlichen Zahlung von 75 Euro zusammensetzte. Die rollierende Inflation lag damals bei 6,4 Prozent, die Gewerkschaften waren mit einer Forderung von plus 10,6 Prozent in die Verhandlungen gestartet.

Können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einigen, läuft der KV des Vorjahres weiter. Da das für die Beschäftigten einen Reallohnverlust bedeuten würde, wird aber im Regelfall schon während der Verhandlungen mit Betriebsversammlungen und Warnstreiks der Druck durch die Arbeitnehmerseite erhöht.