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APA/Georg Hochmuth
„Kein Auftragsverhältnis“

SORA-Strategiepapier sorgt für Wirbel

Für innenpolitischen Wirbel sorgt ein internes Papier zur möglichen Ausrichtung der SPÖ hinsichtlich der nächsten Nationalratswahl. Denn die Unterlagen des SORA-Instituts sind aus Versehen publik geworden. SPÖ und SORA bestätigten die Echtheit des Papiers, hielten aber fest, dass kein Auftragsverhältnis bestehe. Im Papier wird ein Strategievorschlag recht detailliert dargelegt – inklusive Personalvarianten. Der ORF zog die Konsequenzen und beendete die Zusammenarbeit mit SORA bei Wahlen.

Die Präsentation habe SORA-Sozialforscher Günther Ogris ohne Auftrag der Partei erstellt und am Montag Parteichef Andreas Babler vorgestellt, um für einen möglichen Beratungsauftrag zu werben, gab eine SPÖ-Sprecherin Dienstagabend an. Stunden zuvor sollte die Unterlage offenbar nur der SPÖ per Mail übermittelt werden, sie wurde aber wohl versehentlich an einen Verteiler mit rund 800 Empfängern versandt.

Die Darstellung der SPÖ bestätigte am Mittwoch Ogris in einer Stellungnahme: Er arbeite „seit Jahrzehnten“ neben seiner sozialpolitischen Forschung und Wahlforschung auch an strategischen Modellen. Bei der an die Medien gelangten Unterlage handle es sich um „eine persönliche Hypothesensammlung und Vorversion einer Gesprächsunterlage“. Diese enthalte „persönliche Überlegungen für eine eventuelle Beratungstätigkeit“, so Ogris.

Günther Ogris (SORA)
APA/Herbert Pfarrhofer
SORA-Chef Ogris: „Persönliche Hypothesensammlung und Vorversion einer Gesprächsunterlage“

Schattenkabinett entworfen

In dem Papier, das mehreren Medien und der APA zugespielt wurde, wird ein Schattenkabinett für Babler entworfen. Prominentester Kopf darin ist Medienmanager Gerhard Zeiler als Finanzminister. Auch Volkshilfe-Chef Erich Fenninger wird genannt, der für Soziales zuständig sein soll, sowie Vizeklubobfrau Eva Maria Holzleitner für Frauen.

Zentral werden in dem Strategieentwurf drei Ziele für die Nationalratswahl formuliert: Die SPÖ wird stärkste Partei, die SPÖ wird stärkste Partei links der Mitte und eine „Ampelmehrheit“ (mit Grünen und NEOS) wird erreicht, um eine Regierung ohne ÖVP und FPÖ zu ermöglichen. In dem Strategiepapier wird Babler auch vorgeschlagen, wie er „offensiv“ auf kritische Fragen antworten könnte, etwa ob er ein Marxist oder gegen die EU sei.

„Hoffnung auf Erlösung“

Als Strategie soll die SPÖ die „Hoffnung auf Erlösung“ schüren, indem die „depressive Stimmung und Erschöpfung“ betont wird und dass „die ÖVP blockiert“. Das Image von NEOS soll Richtung ÖVP gedrängt werden, damit NEOS „von der ÖVP Stimmen gewinnt und nach links Stimmen verliert“, wie es heißt.

Gleichzeitig soll das Kanzlerimage von Babler gestärkt werden. Dabei wird insbesondere auf das „Charisma der Nähe“ des Traiskirchner Bürgermeisters gesetzt: „Er liebt die Menschen, er ist gern unter Menschen, er fühlt sich ihnen nahe und verbunden." Der „Story-Frame“ laut dem Papier: „Liebe statt Hass = Babler statt (FPÖ-Chef Herbert, Anm.) Kickl“.

Babler sieht „Panne“ bei SORA

Gefragt zum Strategiepapier sagte Babler am Mittwoch vor Journalisten, es tue ihm für SORA „leid“, die „Panne“ liege hier „klar bei ihnen“ und nicht bei der SPÖ. Beauftragung durch die Partei habe es keine gegeben. Die Unterlagen seien „Überlegungen“, die SORA gemacht habe.

Daher sei es auch kein „SPÖ-Strategiepapier“, so der SPÖ-Chef. Auch kenne er das Papier nicht in seiner Gesamtheit, sagte Babler. Daher könne er nichts zu den als „Schattenkabinett“ titulierten Personen sagen oder zu anderen darin enthaltenen Vorschlägen und Strategien.

„International Standard“

Im Statement von SORA-Chef Ogris am Mittwoch hieß es weiter, man habe als Institut 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlichen Orientierungen, Expertisen und Forschungsfeldern. Seit 27 Jahren arbeite man „mit höchster wissenschaftlicher Qualität und methodischer Sorgfalt“ für unterschiedliche öffentliche Kunden, Unternehmen, Institutionen, Parteien, NGOs und Medien.

Dass Institute sowohl in der Analyse als auch in der Beratung tätig sind, sei international Standard, so der Sozialforscher. „Manche tun das unter einem Dach, manche organisatorisch getrennt.“ Auch bei SORA arbeite man aktuell an einer „schon länger überlegten strukturellen Trennung von öffentlicher Forschung und Beratungsleistungen“, hieß es.

Wirbel um SORA-Strategiepapier

Unbeabsichtigt ist ein internes Strategiepapier für die SPÖ veröffentlicht worden. In den Unterlagen wird ein Schattenkabinett für Parteichef Andreas Babler entworfen. Die SPÖ bestätigte die Authentizität der Unterlagen, es handle sich aber um kein Parteipapier, sondern um eine ohne Auftragsverhältnis erstellte Präsentation des SORA-Instituts.

Nicht ganz eineinhalb Stunden danach gab SORA den Rückzug von Ogris aus der Wahlanalyse bekannt. Diese Entscheidung habe er mit Mitgründer Christoph Hofinger „einvernehmlich“ getroffen, hieß in einer Stellungnahme. Ogris habe in der „langjährigen Zusammenarbeit stets höchste wissenschaftliche Professionalität bewiesen“, so Hofinger. Er schätze dessen Schritt, „im Sinne der Glaubwürdigkeit“ sich „mit sofortiger Wirkung“ aus dem Team zurückzuziehen.

ORF beendet Zusammenarbeit mit SORA bei Wahlen

Der ORF zog Konsequenzen aus dem bekanntgewordenen Papier: Eine weitere Zusammenarbeit bei Wahlberichterstattung (Wahlforschung, Hochrechnungen, Analysen) sei „nicht mehr möglich und wird daher mit sofortiger Wirkung beendet“, teilte das Unternehmen Mittwochmittag per Aussendung mit.

Insbesondere bei Wahlen seien Glaubwürdigkeit und Objektivität in der ORF-Berichterstattung von essenzieller Bedeutung, auch jeglicher Anschein von Einseitigkeit müsse unterbunden werden, hieß es. Der ORF wies aber darauf hin, dass die vergangenen Hochrechnungen von SORA äußerst präzise waren und niemals irgendein Indiz für eine parteipolitische Einseitigkeit gegeben war.

ÖVP: Erklärung von SPÖ und SORA „wenig glaubwürdig“

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sieht durch das Papier zahlreiche Fragen aufgeworfen, wie er bei einer Pressekonferenz sagte. Der ORF habe mit der Trennung von SORA „die einzig richtige Entscheidung getroffen“. Doch gab er sich nur bedingt mit der Reaktion des ORF zufrieden: So forderte er „vollständige Transparenz“, ob Compliance- und Transparenzrichtlinien in derartigen Verträgen auch abgebildet seien.

An sich seien Kooperationen von Parteien und Instituten „ja nichts Verwerfliches, sondern geradezu Alltägliches im politischen Geschehen“, so Stocker. Bei einem Kooperationspartner des Öffentlich-Rechtlichen bei Wahlen sei der Fall aber anders gelagert.

Dass es sich lediglich um ein einfaches Anbot handle, sei „wenig glaubwürdig“, wie er sagte. Etwa der detailreiche Inhalt und auch das „Negative Campaigning“ würden dagegen sprechen. Auch stellten sich weitere Fragen, etwa weil SORA der SPÖ im Papier auch Wahltagsanalysen und Auswertungen anbiete, also genau jene Leistungen, die SORA auch für den ORF erbrachte.

Grüne: Vermischung wäre „natürlich problematisch“

Auch die Grünen reagierten auf das SORA-Papier: „Der Alptraum, dass man etwas an den falschen Verteiler schickt“, meinte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer am Rande des Ministerrats zur Causa. Aber wenn es hier zu einer Vermischung von Wahltagsbefragungen und Parteiarbeit komme, „ist das natürlich problematisch“, betonte sie. Alle Parteien arbeiteten mit Umfrageinstituten zusammen, so Maurer, aber dabei seien ethische Standards einzuhalten.

Kickl: „Aufmarschplan für links-linke Bundesregierung“

FPÖ-Chef Kickl zeigte sich empört über das Papier. In der Alltagssprache bedeuteten die Vorschläge „nichts anderes als einen Aufmarschplan für eine links-linke Bundesregierung“, sagte er in einer Pressekonferenz. SORA schlage nichts anderes vor als die „Vernaderung“ des politischen Mitbewerbers. „Das sind Silberstein-Methoden, die im Gewand der Sozialwissenschaft daherkommen“, so der FPÖ-Chef mit Verweis auf den Politberater Tal Silberstein.

Noch ein weiteres Problem ortete Kickl – noch vor der Mitteilung des ORF –, weil SORA als Wahlhochrechner des ORF tätig war: „So viel zum Thema Objektivität, was den Österreichischen Rundfunk betrifft“. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sah auch nach der Aufkündigung der Kooperation „Erklärungsbedarf beim Österreichischen Rundfunk“.