Frau hält Schwangerschaftstest
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Schwangerschaftsabbruch

Kritik an Versorgungslücken

Am 28. September ist der internationale Aktionstag für das Recht auf sicheren und legalen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen – kurz „Safe Abortion Day“. Hierzulande ist das Thema hochaktuell: Zuletzt brach angesichts der Situation in Vorarlberg nicht nur erneut eine Debatte über die Versorgungslage in Österreich vom Zaun, auch die Fristenregelung rückte wieder ins Rampenlicht.

„Abtreibungsfürsorge ist Gesundheitsfürsorge, und Gesundheit ist ein Menschenrecht“, heißt es in einer Aussendung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum „Safe Abortion Day“. In Österreich tun sich allerdings fast 50 Jahre nach Einführung der Fristenregelung Versorgungslücken auf, wie Aktivistinnen und SPÖ- sowie Grünen-Politikerinnen zuletzt beklagt hatten.

In Vorarlberg steht etwa der einzige Arzt, der dort Abtreibungen durchführt, kurz vor der Pension. Dass es bis Ende 2024 (bis zur Fertigstellung einer Abtreibungspraxis neben dem Krankenhaus Bregenz) durchgehend Abbrüche im Land geben könne, wollte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) am Dienstag nicht versprechen. „Die Durchführung der Fristenregelung ist möglich in einer Ordination außerhalb des Spitals als Privatordinationsleistung, niemals als Gratiskassenleistung“, unterstrich er. Kritik kam von der Bregenzer Stadtregierung – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Infografik zu Einrichtungen nach Bundesländern, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen
ÖGF/Stadt Wien/ORF

Versorgung in Bundesländern unterschiedlich

Vorarlberg zählt neben Tirol und dem Burgenland zu jenen Bundesländern, deren Spitäler keinerlei Abbrüche durchführen. In Tirol gibt es aktuell nur einen niedergelassenen Arzt, der Schwangerschaftsabbrüche anbietet – künftig sollen es dort drei sein. Im Burgenland gibt es offiziell gar keine Option. Besser ist das Angebot in den restlichen Bundesländern.

Das Netzwerk „#AusPrinzip“, das unter anderem von SPÖ- und Grünen-Politikerinnen, aber auch von Pro Choice Austria, der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung und Amnesty International unterstützt wird, ortete bei einer Pressekonferenz am Mittwoch dennoch Luft nach oben. Sie forderten unter anderem die Möglichkeit von Schwangerschaftsabbrüchen in Wohnortnähe. Unverständnis äußerten sie zudem über die geplante Erhebung von Motiven für Abtreibungen in Tirol und Salzburg – mehr dazu in tirol.ORF.at.

„Gefährlich“: Ärztin warnt vor erschwertem Zugang

„Es ist ein Irrsinn zu glauben, dass Abtreibungen per se verschwinden, weil man den Zugang erschwert“, sagte Mirijam Hall, Assistenzärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe an der Klinik Ottakring, im Gespräch mit ORF.at. Vielmehr würden sich Abbrüche dadurch „in Richtung Illegalität“ verlagern und unsicher werden, sagte die Unterstützerin der Initiative auch.

„Man sieht das in Polen und anderen Ländern, wo die Zugänge radikal verschärft worden sind: Die Abtreibungen verschwinden nicht, sie verschwinden nur ins Off, und dann wird es gefährlich für Frauen“, sagte die Ärztin, die selbst Abtreibungen durchführt, zudem.

Neben der Möglichkeit eines chirurgischen Abbruchs mittels Absaugung (ab der fünften bis zur 14. Schwangerschaftswoche) und unter Umständen mittels Ausschabung gibt es den medikamentösen Abbruch (bis zur neunten Schwangerschaftswoche, aber auch bei einem Spätabbruch). Seit 2020 kann der medikamentöse Abbruch auch außerhalb von Spitälern und Ambulatorien durchgeführt werden – seither dürfen niedergelassene Gynäkologinnen und Gynäkologen die Abtreibungspille Mifegyne verschreiben.

Abtreibung als finanzielle Frage

Bei Mifegyne handelt es sich um ein Medikament, das ehemals unter dem Namen RU-486 bekannt war und seit 1999 in Österreich zugelassen ist. Die Einnahme des Medikaments darf nur unter ärztlicher Aufsicht bzw. nach schriftlicher ärztlicher Anordnung erfolgen.

Auf die Frage, ob sich die Versorgung dadurch gebessert habe, meinte Hall: „Den großen Boost, dass man jetzt sozusagen allerorts Versorgungsangebote findet, hat es leider auch nicht mit sich gebracht, weil es viele Niedergelassene trotzdem nicht verschreiben.“ Außerdem bleibe die finanzielle Frage. „Wer sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, muss zwischen 300 und 1.000 Euro bezahlen und je nach Wohnort viele Kilometer fahren, um überhaupt eine Ordination oder Klinik zu finden, die Abbrüche durchführt“, sagte Pamela Huck von Pro Choice Austria.

Die Kosten für Abbrüche werden von der Sozialversicherung – außer medizinisch notwendig – nämlich nach wie vor nicht übernommen. Mancherorts gibt es finanzielle Unterstützung: Die Stadt Wien bietet Frauen in materieller Notlage die Kostenübernahme an, finanzielle Unterstützung gibt es auch in Tirol. Offizielle Statistiken zur Anzahl der jährlichen Schwangerschaftsabbrüche gibt es hierzulande nicht.

Rufe nach Entkriminalisierung

Die Forderungen von Teilen der Politik und Aktivistinnen sowie Aktivisten gehen allerdings weiter. Sowohl Abtreibungen als auch Verhütungsmittel sollen Krankenkassenleistungen werden, forderte die Plattform – vor allem geht es ihr aber auch um eine Entkriminalisierung der Schwangerschaftsabbrüche. Konkret soll der Paragraf 96 aus dem Strafgesetzbuch entfernt werden. In diesem Paragrafen sind die Strafen in Zusammenhang mit der Durchführung einer Abtreibung festgeschrieben, Paragraf 97 regelt die Ausnahmen.

Ein Schwangerschaftsabbruch sei grundsätzlich innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft nach ärztlicher Beratung möglich. Nicht strafbar ist ein Schwangerschaftsabbruch außerdem, wenn die Schwangere zum Zeitpunkt der Schwängerung unmündig war, wenn der Abbruch zur Abwendung einer Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist oder wenn eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein wird.

„AusPrinzip“-Mitinitiatorin sieht Zeit für nächsten Schritt

Jedenfalls ist kein Arzt beziehungsweise keine Ärztin dazu verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder an ihm mitzuwirken – es sei denn, dass der Abbruch ohne Aufschub notwendig ist, „um die Schwangere aus einer unmittelbar drohenden, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr zu retten“, wie es im Gesetz heißt.

Vorbilder für die Entkriminalisierung sieht die Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, Shoura Zehetner-Hashemi, etwa in Kanada, Neuseeland und Frankreich. Die Fristenlösung hätte Frauen in der Vergangenheit sehr geholfen, nun sei es aber an der Zeit für den nächsten Schritt, sagte auch „AusPrinzip“-Mitinitiatorin und Kommunikationsexpertin Stefanie Grubich. Der Abbruch solle als das geregelt werden, was er sei – nämlich eine gesundheitliche Maßnahme.

ÖVP: „Kein Handlungsbedarf“

„Jede Frau hat das Recht auf einen sicheren, legalen und kostenfreien Schwangerschaftsabbruch“, teilte SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner in einer Aussendung mit. Wie SPÖ-Chef Andreas Babler, Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger und Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser, zählt sie zu den Unterstützerinnen und Unterstützern der Initiative.

Die ÖVP sieht dagegen „keinen Handlungsbedarf“ in der Frage, wie ÖVP-Klubchef August Wöginger am Mittwoch im Ministerrat erklärte, „das ist Sache der Länder“. Die Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer unterstützt die Kampagne und sprach vom „Bohren harter Bretter“ in Bezug auf den Koalitionspartner. Das Thema sei nicht Teil des Koalitionsprogramms und außerdem Länderzuständigkeit.

Die „aktion leben“ kritisierte die Kampagne in einer Pressemitteilung als einseitig und polarisierend. Die Fristenregelung sei vor 50 Jahren mit dem Ziel beschlossen worden, die hohe Zahl an Abtreibungen zu senken. „AusPrinzip“ biete keine Antwort, wie dieses Ziel erreicht werden könne. Frauen bräuchten die volle Entscheidungsfreiheit und sollten bei einem Abbruch bestmöglich behandelt werden, so Generalsekretärin Martina Kronthaler. „Wir müssen aber gleichzeitig wahrnehmen und anerkennen, dass es um das Leben eines Kindes geht.“

Wann vom „Leben eines Kindes“ die Rede ist, erhitzt vor allem unter Abtreibungsgegnern wie Pro-Choice-Befürwortern immer wieder die Gemüter. Zu den Begrifflichkeiten: Als Embryo wird ein im Anfangsstadium der Entwicklung befindlicher Organismus in der Medizin bezeichnet. In der Regel wird ab der elften Schwangerschaftswoche und bis zur Geburt von einem Fötus gesprochen.