Luftansicht eines von Evergrande erbauten Wohnblocks in Nanjing, China
IMAGO/NurPhoto/CFOTO
Aktienhandel ausgesetzt

Evergrande stresst Chinas Immobilienmarkt

Die Turbulenzen um den hoch verschuldeten chinesischen Immokonzern Evergrande verschärfen sich. Einen Tag nach Berichten darüber, dass der Evergrande-Vorstandschef Xu Jiayin unter Hausarrest steht und es Ermittlungen gegen weitere Topmanager gibt, wurde am Donnerstag der Handel mit Aktien der Unternehmensgruppe an der Hongkonger Börse erneut gestoppt. Nach monatelanger Pause war der Handel erst im August wieder aufgenommen worden.

Neben den Papieren der Evergrande Group konnten auch keine Anteilscheine der Evergrande Property Services Group und der Evergrande-Gruppe für Elektrofahrzeuge gehandelt werden. Der staatliche Druck auf Evergrande wächst, die Sorge vor einem Zusammenbruch ist groß.

Laut Bloomberg-Bericht von Mittwoch wurde Xu (kantonesisch: Hui Ka Yan) unter Polizeikontrolle gestellt. Er sei kürzlich von der Polizei abgeholt worden und stehe nun an einem Ort unter Beobachtung. Das bedeute aber nicht, dass Xu unmittelbar vor einer Anklage stehe.

Vonseiten des Unternehmens, der Polizei und des Sicherheitsministeriums gab es noch keinen Kommentar. Insidern zufolge stellte Xu bereits vor einigen Tagen die Kommunikation mit Beschäftigten ein und ist auch nicht mehr erreichbar. Diese Berichte deuten darauf hin, dass er seinen Posten bald abgeben muss. Seine Nachfolge und die Rolle des Staates sind aber unklar.

Evergrande-Vorstandsvorsitzender Hui Ka Yan
Reuters/Bobby Yip
Evergrande-Gründer Xu steht Medienberichten zufolge unter Polizeiaufsicht

Umschuldungspläne gefährdet

Der Immobilienkonzern gilt mit Verbindlichkeiten von umgerechnet rund 311 Milliarden Euro als das am höchsten verschuldete Unternehmen Chinas. Bereits im vergangenen Jahr war die Aktie der Gruppe über Monate vom Handel ausgesetzt. Seit Ende August konnte die Aktie wieder gehandelt werden, sie gab um 80 Prozent nach. Am Montag musste der Konzern mitteilen, die Zahlung einer Anleihe zuzüglich Zinsen von rund 529 Mio. Euro verpasst zu haben.

Evergrande versucht eine Umschuldung über den Tausch alter Schulden in neue Anleihen, um den Konzern zu retten. Diese Pläne sind aber aufgrund von Verhaftungen mehrerer Manager der Evergrande-Tochter Hengda gefährdet. Denn wegen der Ereignisse bei Hengda darf Evergrande vorerst keine neuen Schuldtitel ausgeben.

Ein Scheitern der Umschuldung sei „sehr wahrscheinlich“, hieß es vom Brokerhaus UOB-Kay Hian. Unter einem Insolvenzverwalter bestehe aber eine Chance auf Sanierung. Eine staatliche Rettungsaktion für Evergrande gilt als ausgeschlossen.

Liquidation möglich

Allerdings ist auch eine Liquidation von Evergrande nicht ausgeschlossen. Eine größere Gruppe ausländischer Anleihegläubiger will sich einer entsprechenden Initiative anschließen, wenn bis zum 30. Oktober kein Restrukturierungsplan vorliegt. Dann soll vor einem Hongkonger Gericht ein Liquidationsantrag verhandelt werden.

Sollte es zu einer Liquidation kommen, würden die Gläubiger ihr Geld weitgehend verlieren. Sie könnten versuchen, über Klagen gegen das Management einen Teil davon zurückzuholen. In den USA beantragte der Immobilienkonzern bereits Gläubigerschutz.

Sorge vor Dominoeffekt

Das 1996 von Xu gegründete Unternehmen wuchs rasch aufgrund zahlreicher Immobilienkäufe auf Kredit und wurde der größte Immobilienkonzern Chinas. In Schieflage geriet das Unternehmen 2021, als die chinesische Regierung den schuldenfinanzierten Immobilienkauf einschränkte und das Unternehmen mehrere Dollar-Anleihen nicht mehr bedienen konnte.

Ein kompletter Zusammenbruch könnte den sozialen Frieden gefährden, denn zahlreiche Eigentumswohnungen des Konzerns sind schon verkauft, aber noch nicht fertiggestellt. Zudem könnte ein Zusammenbruch Evergrandes einen Dominoeffekt im kriselnden chinesischen Immobiliensektor auslösen. Auch Konkurrenten wie Country Garden mit Tausenden Bauprojekten in China gerieten in Schieflage. Die Immobilienbranche trug bisher rund ein Viertel zum jährlichen Wirtschaftswachstum des Landes bei. Probleme der Branche wirken sich damit auf die gesamte Volksrepublik aus.