Bauer mit Traktor bei Heuernte
ORF.at/Georg Hummer
Sommer ohne Ende

September so warm wie noch nie

Der September geht als der wärmste in die Geschichte Österreichs ein. Über weite Strecken war es so warm wie mitten im Sommer, vom Herbst war wenig zu sehen. Mit einer Temperaturabweichung von über drei Grad wurde ein uralter Rekord aus dem Jahr 1810 gebrochen. Ende des Jahrhunderts könnte ein solcher September die Regel sein. 2023 ist unterdessen auf dem Wege, eines der wärmsten Jahre seit Messbeginn zu werden.

Dass die Tage mittlerweile kürzer als die Nächte sind, merkt man derzeit nicht an den Temperaturen in Österreich. Auch von bunten Bäumen fehlt vielerorts noch jede Spur, das Laub ist so grün wie im Sommer. Einige Seen wie der Wörthersee, der Mondsee und die Alte Donau locken mit Wassertemperaturen um 20 Grad noch immer zum Schwimmen. Nur im Kalender ist schon Herbst, das Wetter ist noch auf Spätsommer eingestellt.

Nach Auswertung der GeoSphere Austria ist der September 2023 der wärmste in der 257-jährigen Messgeschichte in Österreich. Er war in jeglicher Hinsicht außergewöhnlich, ein lupenreiner Sommermonat, denn er war wärmer als ein durchschnittlicher Juni. 3,3 Grad beträgt die Abweichung zum Mittel der Jahre 1991 bis 2020 in den Niederungen, auf den Bergen ist der Unterschied mit über vier Grad noch größer. Klimatologisch betrachtet stößt der September damit in neue Dimensionen vor.

Bisheriger Rekord aus dem Jahr 1810

Der bisher wärmste September war jener aus dem fernen Jahre 1810 mit einer Abweichung von 2,8 Grad zum langjährigen Mittel. Damals regierte Franz I. das Kaisertum Österreich, seine Tochter Marie-Louise heiratete in diesem Jahr Napoleon Bonaparte, der Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer wurde hingerichtet, und im September 1810 kam Salzburg unter bayrische Herrschaft.

Infografik zur Temperaturabweichung im September seit 1767
GeoSphere Austria/ORF

Dass sich der Rekord trotz Klimaerwärmung so lange gehalten hat, gleicht fast einer Sensation. Aber nur auf den ersten Blick, denn es gibt andere Uralt-Monatsrekorde, die in Österreich immer noch Bestand haben. Auch April (1800), Mai (1811) und August (1807) weisen laut GeoSphere Austria immer noch Höchststände aus früheren Jahrhunderten auf. Damals war das Messnetz nicht mit dem heutigen vergleichbar, es gab nur eine Handvoll Stationen in ganz Österreich.

Alte Rekorde mit Ablaufdatum

Die alten Rekorde beweisen, dass es auch früher bei entsprechenden Wetterlagen sehr warm sein konnte. Allerdings nur hin und wieder, mittlerweile gibt es fast nur noch zu warme Monate und einen klaren Erwärmungstrend, der auf die Zunahme der Treibhausgase zurückzuführen ist. Damit werden nach und nach alle alten Rekorde gebrochen werden, schätzt Marc Olefs, Leiter des Departments Klima-Folgen-Forschung an der GeoSphere Austria. Wann genau und in welcher Reihenfolge sei aber Zufall. Erst letztes Jahr wurde der seit 1795 geltende Oktober-Höchstwert eingestellt.

September keine Klima-„Anomalie“ mehr

Dass ausgerechnet der September einen neuen Monatsrekord aufstellt, ist bemerkenswert, denn bis vor wenigen Jahren war er neben dem Oktober der einzige Monat in Österreich, der in den letzten Jahrzehnten nur wenig Erwärmungstendenzen gezeigt hatte. Der September war hierzulande eine der letzten Bastionen, die sich scheinbar gegen die menschengemachte Klimaerwärmung stemmte.

Zwei leere Strandbetten am Ufer des Altauseer Sees
APA/Barbara Gindl
Badetage im September

In den vergangenen Jahren hat sich das Bild aber zu wandeln begonnen. Seit 2016 erwärmt sich auch der September in Österreich deutlicher. Und so wird aus einem ehemaligen Herbstmonat immer öfter die Verlängerung des Sommers, eine Entwicklung, die Klimawissenschaftler schon lange vorhergesagt haben und die sich nun bewahrheitet.

Der außerordentlich warme September 2023 ist kein lokales oder regionales Phänomen, das auf Österreich beschränkt ist. Auch beispielsweise in Deutschland und der Schweiz werden die bisherigen Höchstwerte deutlich übertroffen, und sogar auf globaler Ebene dürfte dieser September der bisher wärmste sein.

So viele Sommertage wie noch nie

Der Grund für diesen einzigartigen September in Österreich waren lange Hochdruckwetterlagen mit subtropischen Luftmassen, die nur selten von Fronten mit kühlerer, atlantischer Luft unterbrochen wurden. Das führte zu einer noch nie da gewesenen Fülle an Sommertagen, also Tagen über 25 Grad. Die meisten Landeshauptstädte stellten neue Rekorde auf. Eisenstadt, wo jeder einzelne Tag des Monats wärmer als im langjährigen Mittel war, kommt auf 23 Sommertage. Nur in Innsbruck und Klagenfurt bleiben die alten Rekorde bestehen.

Die Station mit den meisten Tagen über 25 Grad ist aber Langenlebarn bei Tulln in Niederösterreich. Hier werden es unter Berücksichtigung der Prognose für Freitag und Samstag sogar 26 Sommertage, noch nie wurden in Österreich so viele im September an einer Station registriert. Der historische Höchstwert liegt bei 25 Sommertagen in Silberegg in Kärnten im September 1961.

Wetter

Mit bis zu 32 Grad in Bad Deutsch-Altenburg gab es in der ersten Monatshälfte auch noch eine Hitzewelle, ein Phänomen, das nur in ganz wenigen Septembern noch vorkommt. Innsbruck erlebte fünf Tage hintereinander mit über 30 Grad, im ganzen Sommer kam die Tiroler Landeshauptstadt auf 38 heiße Tage, was einem Plus von gut 60 Prozent gegenüber dem langjährigen Mittel entspricht.

Rekordwärme auch auf den Bergen

Die extreme Wärme hat auch die Berge nicht verschont. Auf dem Brenner (Tirol) wurden am 10. September 27,5 Grad gemessen, der alte Monatsrekord lag bei 26,6 Grad im Jahr 2006. Auch auf der Rudolfshütte und auf dem Sonnblick in den Salzburger Tauern, beide Stationen mit langen Messreihen, war es so warm wie noch nie in einem September. In einem durchschnittlichen September kommt das Observatorium auf dem Sonnblick auf 20 Nächte mit Frost, heuer waren es nur fünf. Für die Gletscher war der Monat damit am Ende eines heißen Sommers der Super-GAU, und die Eisschmelze dauert immer noch an.

Zwei Wanderer
APA/Barbara Gindl
Auch bei Wandertouren war es ungewöhnlich warm

Der außergewöhnlich warme September führt auch dazu, dass 2023 mit großer Wahrscheinlichkeit eines der wärmsten Jahre der österreichischen Messgeschichte wird. „Verlaufen Oktober, November und Dezember ähnlich wie im Durchschnitt der letzten zehn Jahre, dann wird 2023 eines der drei wärmsten Jahre in Österreichs 257-jähriger Messgeschichte“, sagt Klimatologe Alexander Orlik von der GeoSphere Austria.

Stellenweise extrem trocken

Durch die langen Hochdrucklagen fällt die Sonnenbilanz im September überdurchschnittlich und die Regenbilanz unterdurchschnittlich aus. Um gut 40 Prozent länger als normal schien die Sonne im Österreich-Schnitt. Salzburg etwa kommt auf mehr Sonnenstunden als in einem durchschnittlichen Juli, obwohl es da täglich drei Stunden länger hell ist.

Dagegen fiel nur halb so viel Regen wie in einem durchschnittlichen September. Daran wird sich nur noch wenig ändern, auch wenn am Samstag ein paar Regenschauer durchziehen. Besonders trocken fiel der Monat etwa im nördlichen Waldviertel (Niederösterreich), im Lungau (Salzburg) und in Teilen der Obersteiermark aus. In Zeltweg hat es mit nur neun Liter pro Quadratmeter so wenig geregnet wie noch nie seit Messbeginn. Sogar noch trockener war es in Litschau mit erst sechs Liter Regen pro Quadratmeter.

Ein September für die Zukunft

Der Klimaforscher Olefs sieht in diesem September mit so vielen Wärmerekorden zwar einen Ausreißer, aber auch einen weiteren Beleg dafür, wie sich unser Klima verändert und in welchem Tempo die Änderungen vonstattengehen.

Nicht jeder September in den nächsten Jahren werde so warm sein wie heuer. Es gibt eine natürliche Schwankung, die von Wetterlagen und anderen Einflüssen bestimmt ist. Doch ein September wie heuer kann am Ende des Jahrhunderts die Regel werden, wenn es nicht gelingt, Klimaschutzmaßnahmen auf globaler Ebene deutlich zu verschärfen.

Ein beständig sommerlicher September mag für manche Menschen eine verlockende Perspektive sein. Im Umkehrschluss bedeuten Temperaturabweichungen von drei bis vier Grad aber in Hochsommermonaten noch extremere Hitzewellen als jetzt und im Winter das weitgehende Ende für Schneefall in den Niederungen.