Olivenöl rinnt über einen Löffel
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Gepanscht und gefälscht

Lebensmittelbetrug als Milliardengeschäft

Lebensmittelskandale haben eine lange „Tradition“, ganz Ähnliches gilt für Etikettenschwindel und Panscherei: Fleisch und Fisch haben eine zweifelhafte oder gar keine Herkunft, Olivenöl, Honig und Wein werden gestreckt. Einziges Ziel: möglichst billig produzieren. Im Rahmen der Filmreihe „Hunger.Macht.Profite“ beschäftigt sich eine Dokumentation mit dem Thema Schwindel und Profitmaximierung.

Lebensmittelbetrug ist ein globales Milliardengeschäft mit vielen Nuancen. Verdorbene Ware wird in Umlauf gebracht, Herkunftsnachweise werden gefälscht, billige Imitate als qualitativ hochwertige Ware verkauft, Gewicht manipuliert. Das Spektrum reicht von Fleisch und Fisch über Honig und Wein bis Olivenöl.

Mit allen diesen Arten von Betrug beschäftigt sich die Dokumentation „Food Fraud: An Organised Crime?“ (im französischen Original: „Fraude alimentaire: un crime organisee?“). Wie der Titel besagt, geht es in dem 52-minütigen Film um das Thema Lebensmittelbetrug und organisierte Kriminalität im internationalen Kontext.

Ein unüberschaubarer globalisierter Markt

„Wissen wir eigentlich, was in unseren Lebensmitteln steckt?“, lautet die Eingangsfrage zu der Doku. Nicht wirklich, zeigt die Zahl der großen und kleinen Lebensmittelskandale, die in den letzten zehn Jahren aufgeflogen waren. Schwindel sei praktisch überall möglich, heißt es in der Dokumentation, bei den billigsten Basisprodukten genauso wie bei Luxuslebensmitteln.

Es sei ein „gigantischer Markt, durch den unser ganzes Essen läuft“ – globalisiert, entsprechend unüberschaubar. Frühere Beschäftigte der Lebensmittelindustrie und Wissenschaftler kommen zu Wort, der Film versucht, einen Eindruck vom Kampf gegen den organisierten Betrug zu vermitteln, den Spuren von Waren- und Geldflüssen zu folgen.

„100 Prozent Rind“ mit Pferde-DNA

Relativ ausführlich lässt der französischen Regisseur Benedicte Delfaut in dem Streifen nochmals den großen Pferdefleischskandal von 2013 Revue passieren. Der flog auf, nachdem erst in Großbritannien und Irland in Burgerfleisch und später in vielen anderen Produkten auch Pferde-DNA entdeckt worden war. In beiden Ländern gilt der Verzehr von Pferdefleisch als soziales Tabu.

Faschiertes Fleisch in Plastiktasse
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Faschiertes rief nicht erst einmal die Lebensmittelbehörden auf den Plan

Der frühere Leiter der irischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Food Safety Authority of Ireland (FSAI), Alan Reilly, hielt das Ergebnis seiner Tests anfangs für „unmöglich“, glaubte an einen Fehler, wie er damals dem britischen „Guardian“ sagte. Weitere Proben bestätigten den Verdacht allerdings.

Die Tragweite des Betrugs wurde erst später deutlich: Produkte wie Burger, Ravioli, Lasagne enthielten teils bis zu 100 Prozent Pferdefleisch, der Skandal reichte weit über Europa hinaus, auch in Österreich war das falsch deklarierte Rindfleisch auf dem Markt. 2019 folgte ein Prozess mit Haftstrafen gegen einige Drahtzieher.

Wer prüft in Österreich?

In Österreich kümmern sich im Wesentlichen Gesundheits- und Konsumentenschutzministerium und Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) gemeinsam mit Prüfstellen der Länder auf Basis des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) um das Thema Lebensmittelsicherheit. Ziel sei, den Schutz „vor Irreführung zu gewährleisten“, wie es bei der AGES heißt.

Laut Lebensmittelsicherheitsbericht (LMSB) 2022 wurden im Vorjahr bundesweit an die 46.000 Betriebe geprüft, mehr als 22.000 Proben untersucht. Die Beanstandungsquote insgesamt lag laut dem Bericht bei 15,1 Prozent, bei knapp 85 Prozent gab es keine feststellbaren Mängel.

Falsche Kennzeichnung häufigstes „Delikt“

Als gesundheitsschädlich wurden 110 Proben (bzw. 0,5 Prozent) beurteilt, 536 (2,4 Prozent) als für den menschlichen Verzehr ungeeignet. Am häufigsten beanstandet wurden Mängel bei der Kennzeichnung und „zur Irreführung geeignete Informationen“ bei knapp 2.000 Proben bzw. neun Prozent des Gesamtsamples. Dazu kamen noch Beanstandungen wegen nicht entsprechender Zusammensetzung und anderer Gründe, etwa Wertminderung.

Olivenbäume in Italien
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Italien versucht, besonders sein Olivenöl „extra vergine“ zu schützen

Dreist, inhuman, ekelhaft

In der französischen Doku kommt unter anderen auch ein früherer Händler zu Wort, der schildert, wie er dazu gezwungen worden sei, Dinge einzukaufen, die er von sich aus nicht gekauft hätte. Es habe sich um Produkte schlechter Qualität gehandelt, und ja, es sei schlicht Betrug gewesen.

„Hunger.Macht.Profite“

„Food Fraud: An Organised Crime?“ hat am 14.10. in Wien Österreich-Premiere und läuft später in den Bundesländern. Daneben sind im Rahmen der Filmreihe noch drei weitere Produktionen zu sehen.

In Polen dokumentierten Journalisten Tierquälerei und fehlende veterinärmedizinische Standards in einem Schlachthof „im Nirgendwo“. In Frankreich tauchte Faschiertes aus Schlachtabfällen auf. Bei Thunfisch stellte sich heraus, dass beim Gewicht „nachgeholfen“ wurde, Chemikalien wurden zum Einfärben verwendet, damit sich der Fisch teurer verkaufen lässt.

In Italien wird regelmäßig versucht, billiges Öl als hochwertiges Olivenöl „extra vergine“ in die Supermarktregale zu bringen. Zum Strecken wird Rapsöl verwendet, mitunter kam das auch schon bei Kürbiskernöl vor. Ein Beleg für Echtheit ist hier wie bei vielen anderen Produkten auch der EU-Herkunftsnachweis „g. g. A“ („geschützte geografische Angabe“).

Der große Honigskandal

Im Frühjahr wurden die Ergebnisse einer von der EU-Kommission veranlassten Prüfung bei Honig veröffentlicht. Fazit: Ein großer Anteil der Importe aus Drittländern hatte nie eine Biene gesehen. Fast die Hälfte von 320 Proben aus zahlreichen Ländern war gepanscht, besonders hoch war der Anteil bei Importen aus Großbritannien, China und der Türkei. Zum Strecken wird bei Honig etwa Sirup und Melasse verwendet.

Honigglas
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Nicht immer kommt der Honig – zumindest nicht ganz – von der Biene

Bei der EU-Kommission ist eine eigene Stelle, das Knowledge Centre for Food Fraud and Quality (KC-FFQ), das sich mit dem Thema Qualität und Lebensmittelbetrug befasst, eingerichtet. Sie ist auch als eine Art Frühwarnsystem konzipiert und veröffentlicht außerdem einen monatlichen Bericht über publik gewordene Lebensmittelskandale weltweit.

Betrug rund um den Globus

Allein der letzte Bericht vom August listet über 20 Fälle auf: illegal produzierte Spirituosen mit gefährlichen Inhaltsstoffen und gepanschter Wein, Fisch und Meeresfrüchte ganz ohne oder ohne ausreichenden Herkunftsnachweis und Ablaufdatum, geschmuggelte Melonen, Milchpulver fertig zum Umetikettieren, geschmuggelte Krabben, geschmuggeltes Hühner- und Schweinefleisch, allesamt Fälle praktisch rund um den Globus.

Europol schließlich veröffentlichte erst vor wenigen Tagen die Ergebnisse ihrer letzten koordinierten Operation „OPSON Europe“ zur Betrugsbekämpfung, durchgeführt zwischen Dezember 2022 und April 2023, bei der es um Lebensmittelbetrug ging.

Europol beschlagnahmt Waren für 30 Mio. Euro

Laut Angaben der EU-Polizeibehörde wurden dabei Güter im Wert von 30 Millionen Euro beschlagnahmt, 8.000 Tonnen illegaler Produkte, 6,5 Millionen Liter (meist alkoholische) Getränke, es gab fast 170 Razzien, 143 ausgestellte Haftbefehle, 119 Anzeigen gegen Personen. Sechs „kriminelle Netzwerke“, hieß es in einer Aussendung, seien zerschlagen worden.

Die Dokumentation „Food Fraud: An Organised Crime?“ ist im Rahmen von „Hunger.Macht.Profite“ zwischen dem 14.10. und dem 23.11. in unterschiedlichen Kinos in Wien, Nieder- und Oberösterreich, der Steiermark, Tirol und Vorarlberg zu sehen. Andere Dokumentationen drehen sich um den globalen Handel mit verbotenen Pestiziden und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft. Insgesamt laufen von 12.10. bis 24.11. vier Filme an 21 Tagen und 16 Spielorten zwischen Feldkirch und Wien.