Bergkarabach: Aserbaidschan verhaftet ranghohe Politiker

Aserbaidschan hat nach dem Sieg über Bergkarabach den früheren Verteidigungsminister der international nicht anerkannten Republik im Südkaukasus festgenommen. Lyowa Mnazakanjan sei gefasst geworden, als er Bergkarabach in Richtung Armenien verlassen habe wollen, teilte der Grenzschutz der ehemaligen Sowjetrepublik heute mit.

Mnazakanjan, der von 2015 bis 2018 Verteidigungsminister von Bergkarabach (Arzach) war, sei nun in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku gebracht worden. Zuvor war bereits der frühere Regierungschef der Region, Ruben Wardanjan, festgenommen worden.

Aserbaidschanische Sicherheitskräfte nahmen eigenen Angaben zufolge auch den stellvertretenden Befehlshaber der proarmenischen Kämpfer in Bergkarabach, David Manukjan, fest. Dieser werde verdächtigt, an „terroristischen“ Aktivitäten und anderen Verbrechen in der armenischen Enklave beteiligt gewesen zu sein, hieß es in einer Mitteilung. Zudem werde ihm die „Führung illegaler bewaffneter Gruppen“ vorgeworfen.

UNO rechnet mit bis zu 120.000 Flüchtlingen

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) schließt nach dem aserbaidschanischen Militäreinsatz in Bergkarabach nicht aus, dass alle bisherigen Bewohnerinnen und Bewohner der Kaukasusregion nach Armenien kommen werden. „Wir sind bereit, mit bis zu 120.000 Menschen zurechtzukommen“, sagte die für Armenien zuständige UNHCR-Vertreterin Kavita Belani.

Bisher seien laut der armenischen Regierung fast 93.000 Menschen nach Armenien geflüchtet. Für die örtlichen Behörden sei das sehr herausfordernd. An den Registrierungszentren drängelten sich Massen erschöpfter und verängstigter Menschen.

Fast ein Drittel der Flüchtlinge seien Kinder, so ein weiterer UNHCR-Vertreter. „Unsere große Sorge ist, dass viele von ihnen von ihren Familien getrennt wurden“, sagte unterdessen die Regionaldirektorin Regina De Dominicis vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF). Wie viele Menschen am Ende insgesamt nach Armenien kommen werden, sei derzeit schwer einzuschätzen, so Belani.

EU-Kommission fordert UNO-Mission in Bergkarabach

Die Europäische Union rief Aserbaidschan dazu auf, Beobachterinnen und Beobachter der UNO nach Bergkarabach zu lassen. Die Mission müsse in den kommenden Tagen erfolgen, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Als Folge des aserbaidschanischen Militäreinsatzes vor eineinhalb Wochen sei „ein Massenexodus von Armeniern aus Bergkarabach im Gang“. Die Menschen bräuchten dringend humanitäre Hilfe.

Kirchen rufen zu Gebet und Hilfe auf

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, und der Vorstand des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) riefen indes zum Gebet und zur tatkräftigen Hilfe für die Menschen in Bergkarabach bzw. die Geflüchteten auf.

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