Georg Knill
APA/Eva Manhart
Fachkräftemangel

IV-Chef setzt auf qualifizierte Zuwanderung

Die heimische Industrieproduktion wird heuer Prognosen zufolge um vier Prozent schrumpfen. Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, forderte am Samstag im Ö1-Mittagsjournal Maßnahmen wie eine Abgabenreduktion, beschleunigte Genehmigungsverfahren sowie eine Fachkräftestrategie. Österreich müsse verstärkt auf qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland setzen, um langfristig Wohlstand zu sichern.

Gerade beim qualifizierten Zuzug müsse man als Land wesentlich attraktiver werden, so Knill am Samstag im Ö1-Interview. Man brauche einen Paradigmenwechsel im Sinne des Willkommenseins neuer Arbeitskräfte. Denn aktuell sei Österreich für qualifizierte Arbeitskräfte „zum einen durch die hohe Steuern- und Abgabenlast nicht attraktiv“.

Zum anderen stelle sich die Frage, wie zugewanderte Personen und ihre Familien aufgenommen und wahrgenommen werden. „Hier merken wir, dass es durchaus viele Vorbehalte oftmals gibt“, es gebe sprachliche und andere Formen der Diskriminierung. „Da müssen wir uns als Gesellschaft wandeln.“ Ein Viertel aller Beschäftigen im Land seien Ausländerinnen und Ausländer, „und das wird mehr werden, weil wir den Bedarf an Arbeitskräften durch unsere Kinder nicht mehr decken werden können“.

„Festung Österreich“ als „schlimmstes Signal“

Politische Slogans wie „Festung Österreich“ seien „das schlimmste Signal, das wir nach außen senden können. Wir sind keine Festung, wir leben vom Export, wir leben von Internationalität.“ Man müsse hier differenzieren zwischen qualifizierter Zuwanderung und irregulärer Migration und Asyl. Erstere brauche man ganz klar, „sonst werden wir den Wohlstand in diesem Land nicht aufrechterhalten können“.

Wie in diesem Zusammenhang eine Positionierung der FPÖ in Regierungsverantwortung auf Bundesebene aussehen könne, könne er heute schlecht einschätzen, so Knill. Er sei aber gespannt, was präsentiert werde. Derzeit lebe die FPÖ „von den Fehlern der anderen Parteien“.

In der Politik ortete Knill zwar zuletzt Fortschritte und die Bereitschaft, auf Herausforderungen der Industrie einzugehen, aber auch fehlenden Willen zu Reformen. „Wir kennen die Situation in der Koalitionsregierung, dass es oftmals mühsam ist, sich zu einigen.“ Wesentliche Dinge müssten noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden.

Arbeiter vor aufgewickelten Stahlbändern
APA/Barbara Gindl
Die Karrierechancen in der Industrie sind laut Knill gut, dennoch besteht Sorge wegen des Fachkräftemangels

Für Senkung der Abgabenquote

Eine geringere Steuer- und Abgabenlast würde es etwa auch viel besser ermöglichen, tatsächlich qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland zu bekommen. Bis 2030 müsse die Steuern- und Abgabenquote „endlich“ auf unter 40 Prozent gedrückt werden, das sei als Ziel „plan- und machbar“. Derzeit liegt die Quote bei 43,5 Prozent.

Positiv bewertet Knill die kürzliche Steuerfreistellung von Überstunden, die signalisieren würde, dass sich Leistung lohne, und das Aus eines Gutteils der kalten Progression. Diskussionen über Vermögens- und Erbschaftssteuern hält der Industrielle für „destruktiv“. Es gebe in Österreich kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Schon jetzt sorge die Debatte über eine Vermögenssteuer, wie sie sich die SPÖ auf die Fahnen heftet, für „falsche Signale“ und einen Abfluss von Kapital aus Österreich, das nun woanders investiert werde, so Knill.

„Nicht bereit, Inflation doppelt zu bezahlen“

Im Rahmen der Metaller-KV-Verhandlungen forderte Knill eine moderate Lohnrunde. Die Industriearbeitgeber seien „nicht gewillt und bereit, dass wir die Inflation doppelt bezahlen“. Man sei nicht schuld an der Inflation. Es gelte zu berücksichtigen, dass durch diverse Antiteuerungsmaßnahmen der Bundesregierung laut Berechnungen der Oesterreichischen Nationalbank 80 bis 90 Prozent der Reallohnverluste kompensiert worden seien.

Die KV-Verhandlungen starten am Montag. Die Arbeitnehmervertreter fordern eine Lohnerhöhung von 11,6 Prozent. Eine Einschätzung zu der Höhe des Abschlusses wollte Knill nicht geben. Die IV ist kein Verhandlungspartner bei den KV-Verhandlungen, die von den Sozialpartnern – Wirtschaftskammer und Gewerkschaft – getragen werden. Die Verhandlungen stünden jedenfalls unter „besonders herausfordernden Zeichen“.

Grafik zu Metallerabschlüssen seit 2017
Grafik: APA/ORF; Quelle: Statistik Austria

Der Industrie-KV sei aber ein besonders guter, die Karrierechancen in der Branche gut. Eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist für die IV aber „realitätsfremd“. Das Betreuungsthema für Kinder sei ein großes, gerade in der Industrie gebe es aber viele Aktionen, um das politische „massive Defizit“ in dem Bereich zu füllen.

„Massive Defizite“ bei Wettbewerbsfähigkeit

Bei der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs und der EU sprach Knill ebenfalls von „massiven Defiziten“. Das zeige sich vor allem bei den hohen Energiekosten. Im Vergleich zu den USA seien sie dreimal so hoch, die Vereinigten Staaten hätten durch Anreizsysteme viele Investitionen umgeleitet.

In Europa versinke man zudem „in Bürokratie und Überregulierungen“, das Mercosur-Abkommen gehöre umgesetzt, die Bedenken der Regierung seien nicht nachvollziehbar. Wie beim CETA-Abkommen mit Kanada würden sich Sorgen nicht bewahrheiten, sondern nur der Außenhandel wachsen. Mit Kanada habe sich dieser verdoppelt.

Bei Klimazielen „Turbo einschalten“

Beim Klimaschutzgesetz werde nur über Überschriften geredet, nicht über Details, hämte Knill. Man müsse Inhalte liefern und beim Faktischen bleiben, denn die zeitliche Dimension sei extrem anspruchsvoll. Wenn man keinen „massiven Turbo“ einschalte, werde man die für die Erreichung der Klimaziele erforderlichen Investitionen in Wasserstoff und Co. „in der Zeitlichkeit nicht schaffen, die sich die Bundesregierung vorgenommen hat“.

Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) müsse „in Vorleistung gehen“. Über den EU-„Green Deal“ habe man in den vergangenen Jahren 46 neue Gesetze bekommen. Die Industrie sah Knill in dem Zusammenhang auf einem guten Weg, man befinde sich seit 2005 auf einem Dekarbonisierungspfad, sodass „wir gegen Mitte des Jahrhunderts auf null kommen“. Gerade im Greentechbereich trete man international als „wesentlicher Partner“ für Klimaschutz auf.

Tatsächlich zählt die heimische Industrie neben den Sektoren Energie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft laut Umweltbundesamt zu den größten Verursachern von Treibhausgasemissionen, 2021 war sie für rund ein Drittel davon verantwortlich. Im Vorjahr sind die Emissionen allerdings laut Umweltbundesamt gesunken, im Industriebereich habe sich unter anderem der gesunkene Gasverbrauch bemerkbar gemacht.