Polizist steht vor gepanzerten Fahrzeugen
APA/AFP/Stringe
Kosovo – Serbien

Spannungen weiterhin ungelöst

Der Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo nimmt bedrohliche Ausmaße an. Prishtina warf Belgrad vor, mit Militär in Richtung des Kosovo vorgerückt zu sein – und zwar „aus drei verschiedenen Richtungen“. Das geht aus einer Mitteilung der kosovarischen Regierung von Samstagabend hervor. Serbiens Präsident Aleksander Vucic beteuerte indes, sein Land verfolge keine militärischen Absichten.

Das Vorrücken diene „einer möglichen militärischen Aggression gegen die Republik Kosovo“, heißt es aus Prishtina. Einheiten der Zweiten Brigade der serbischen Armee seien aus Richtung Raska in Richtung der Nordgrenze des Kosovo gezogen, Einheiten der Dritten Brigade aus der Region Nis in Richtung der nordöstlichen Grenze und Einheiten der Vierten Brigade aus der Region Vranje in Richtung der Ostgrenze, schrieb die Regierung in Prishtina weiter.

Serbien habe am Freitag Militär und Polizei in 48 vorgeschobene Operationsbasen entlang der Grenze zum Kosovo geschickt, im serbischen Hoheitsgebiet, einige Kilometer von der kosovarischen Grenze entfernt. Dabei habe Serbien Flugabwehrsysteme und schwere Artillerie in Stellung gebracht. Der Kosovo sei in Abstimmung mit internationalen Partnern „entschlossener denn je, die territoriale Integrität zu schützen“, hieß es in der Erklärung der Regierung.

Vucic: „Serbien will keinen Krieg“

Serbiens Präsident Vucic dementierte am Samstag im Gespräch mit der „Financial Times“ („FT“) jede Absicht zu einem militärischen Schlag gegen den Kosovo. Er werde vielmehr den Befehl zum Rückzug serbischer Truppen geben, da eine Eskalation bei Belgrads EU-Aspirationen „kontraproduktiv“ wäre. Serbien werde nicht seine eigenen jahrelangen Bemühungen zerstören. „Serbien will keinen Krieg“, sagte er dem Blatt.

der serbische Präsident Aleksandar Vucic
AP/Darko Vojinovic
Vucic beteuerte gegenüber der „FT“, keine Kriegsabsichten zu hegen

Berlin ruft zu Deeskalation auf

Das Auswärtige Amt in Berlin rief die serbische Regierung in Belgrad zur Deeskalation auf. „Wichtig, dass Serbien unverzüglich Truppen an der Grenze reduziert“, schrieb das Amt auf Twitter (X). Berlin stehe mit seinen Partnern „in intensivem Kontakt“ mit allen Seiten. Der politische Prozess müsse „dringend“ fortgesetzt werden.

Zuvor hatte sich Washington besorgt über den serbischen Truppenaufmarsch an der Grenze zum Kosovo geäußert. US-Außenminister Antony Blinken telefonierte mit Vucic, der den Aufmarsch starker Truppenteile jedoch bestritt und von „Unwahrheiten“ sprach.

Auslöser der neuen Spannungen war am vergangenen Sonntag der Angriff eines 30-köpfigen, schwer bewaffneten serbischen Kommandotrupps in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica im Nordkosovo auf kosovarische Polizisten. Dabei waren drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet worden.

Radoicic einvernommen

Der kosovo-serbische Spitzenpolitiker und Geschäftsmann Milan Radoicic bekannte sich zu diesem Überfall. Er behauptete, die Aktion auf eigene Faust ausgeführt und keine offiziellen Stellen in Serbien darüber informiert zu haben. Die Regierung in Prishtina hält einen Alleingang Radoicics für ausgeschlossen.

Radoicic wurde mittlerweile von der serbischen Polizei zu den Ereignissen in Banjska bei Mitrovica einvernommen. Das Innenministerium werde seinen Bericht zu der Einvernahme der Belgrader Staatsanwaltschaft zur weiteren Vorgangsweise zustellen, hieß es in einer Aussendung des Ministeriums. Aus der Aussendung ist zu entnehmen, dass sich Radoicic derzeit wohl in der serbischen Hauptstadt aufhält, wenngleich das nicht ausdrücklich erwähnt wurde.

Der heute fast ausschließlich von Albanern und Albanerinnen bewohnte Kosovo hatte sich 1999 mit NATO-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter auch Österreich, erkennen die Unabhängigkeit an, nicht aber Serbien, das seine einstige Provinz zurückfordert.